Die Sexshow im Casa Rosso
Fotos: Raymond van Mil
Sex

Erica und Udy haben seit 16 Jahren Sex auf der Bühne

Vögeln vor betrunkenen Touristen, knutschenden Pärchen und masturbierenden Männern. Wir haben das Paar gefragt, was das mit ihrer Beziehung macht.

Das Casa Rosso steht in der Altstadt Amsterdams zwischen Giebelhäusern und Grachten und ist wohl das bekannteste Erotiktheater der Stadt. Seine Hauptattraktion ist eine 90-Minuten-Show mit neun verschiedenen Darbietungen. Und das Programm ist abwechslungsreich: unter anderem eine Frau, die Zigarre raucht – allerdings nicht mit dem Mund –, eine Domina, die Freiwillige aus dem Publikum auf der Bühne erniedrigt, und Erica und Udy.

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Seit 16 Jahren haben sie Sex auf der rotierenden Bühne des Casa Rosso. Sie lieben sich vor besoffenen Touristen, Junggesellinnenabschieden, fummelnden Pärchen und diskreten Männern, über deren Schoß ein Mantel liegt.


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Über die Jahre hat das Paar eine Routine entwickelt: Udy kommt auf die Bühne und beginnt, Erica zu lecken. Er kriegt dabei eine Erektion. Es folgt ein bisschen Sex-Akrobatik im Rhythmus der Musik. Er penetriert sie hockend und mit weit gespreizten Beinen oder Erica stützt sich mit ihren Armen ab, während Udy sie durch die Luft wirbelt. Nach etwa acht Minuten fällt der Vorhang und der nächste Akt ist dran. Anderthalb Stunden später steht das Paar wieder auf der Bühne und das Spiel geht von Vorne los: lecken, ficken, posen, die ganze Nacht.

Das klingt nach harter Arbeit und das ist es wahrscheinlich auch. Um herauszufinden, wie hart, treffen wir beide nach einer Vorstellung. Udy kommt gerade von der Bühne kommt und ist schlecht gelaunt. "Er muss erst was essen", sagt Erica lächelnd. Nach einem kleinen Snack erzählt Udy, jetzt deutlich entspannter, wie beide 1989 in die Niederlande kamen – Erica aus Liberia, Udy aus Curaçao. Seit fast 20 Jahren sind sie ein Paar.

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VICE: Warum habt ihr euch nach drei Jahren Beziehung dazu entschieden, Sexshows zu machen?
Erica: Wir haben immer gedacht, dass es schön wäre zusammenzuarbeiten. Eine Bäckerei aufzumachen oder einen eigenen Laden zu haben. Am Ende haben wir uns dann aber bei einer Erotikmodel-Agentur angemeldet.

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Udy: Da wussten wir noch nicht, dass wir live Sex haben werden. Zuerst sollten wir in einer erotischen Seifenoper auftreten. Dafür hätten wir aber in Osteuropa vorsprechen müssen und es hätte alles Monate gedauert. Ich wollte nicht so lange warten, also habe ich gefragt, ob wir stattdessen eine Liveshow machen können. Und ehe wir uns versahen, saßen wir im Casa Rosso im Publikum. Kurz danach machten wir eine Probevorstellung.

Wie war die Probevorstellung?
Udy: Grauenvoll.

Erica: Alles, was schiefgehen konnte, ist schiefgegangen.

Udy: Du kannst dich nicht auf diesen Augenblick vorbereiten, in dem du zum ersten Mal nackt vor einer Gruppe Fremder stehst. Ich hatte einen Ständer, bis wir auf die Bühne mussten. Der Vorhang ging auf und ich stand nackt vor vollem Haus, als mein Schwanz begann, sich unfassbar komisch zu verhalten. Er war erigiert, aber gleichzeitig zog er sich nach innen.

Erica: Ich war viel schüchterner, als ich erwartet hatte. Ich erkannte sehr schnell, dass Sex auf einer Bühne ganz anders als Sex zu Hause ist.

Zu Hause macht ihr keine komischen Verrenkungen oder rhythmisches Tanzen?
Udy: Unser Bett rotiert auch nicht.

Erica: Und der Sex ist viel intimer.

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Wie ist es, vor Publikum zu vögeln?
Erica: Etwas unheimlich. Auf der Bühne bin ich wie ein Polizeipferd mit Scheuklappen. Ich vermeide jeglichen Augenkontakt mit dem Publikum, weil ich einfach viel zu schüchtern bin. Wenn jemand ein Foto von mir macht, schaue ich nie direkt in die Kamera. Ich höre allerdings viel und bin richtig genervt, wenn Frauen in der ersten Reihe laut lachen.

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Udy: Ich bin ein echter Exhibitionist. Ich mag es, wenn man mich anschaut. Also schaue ich zurück ins Publikum, damit ich sehe, wer mich anguckt. Ich muss mich allerdings konzentrieren, damit ich meine Erektion nicht verliere. Letztens hatten wir ein Pärchen in der ersten Reihe und die Frau trug keine Unterwäsche. Jedes Mal, wenn ich ins Publikum geschaut habe, hat ihr Freund sie angestuppst und sie dann ihre Beine gespreizt. Ich muss mich in solchen Situationen wirklich anstrengen, das zu ignorieren. Du kannst das Publikum nicht kontrollieren und obwohl wir jeden Abend mehrere Vorstellungen geben, ist es jedes Mal anders.

Wie schafft ihr das körperlich, jeden Abend mehrere Vorstellungen zu geben?
Udy: Kommt drauf an, wie ich mich fühle. An guten Tagen läuft alles gut und es macht mir Spaß. Wenn es mir nicht so gut geht, ich nicht genug gegessen habe oder mental nicht so gut drauf bin, muss ich mich umso mehr anstrengen. Selbst Viagra hilft mir an solchen Tagen nicht.

Erica: Udy braucht die meiste Zeit kein Viagra. Er kommt nicht mit einer Erektion auf die Bühne. Sobald er aber anfängt, mich zu lecken, bekommt er einen Ständer. Er gehört zu den Typen, die erst erregt sind, wenn die Frau es auch genießt. Zum Glück muss er nicht jedes Mal kommen, sonst müssten wir am Ende der Nacht einen Krankenwagen rufen.

Habt ihr noch viel Sex zu Hause?
Erica: Haha, was für eine süße Frage. Natürlich haben wir noch Sex!

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Udy: Ich bin immer schon ein Monster mit einer enormen Libido gewesen. Ich bin für diesen Job gemacht. Es kommt nur selten vor, dass ich nicht zur Arbeit möchte. Und an solchen Abenden motiviert mich Erica immer, es doch zu tun. Zum Glück streiten wir uns nie, das würde den Job schwierig machen.

Erica: Wir sind zusammen und haben Spaß. Das kannst du nicht über viele Jobs sagen. Und es ist für uns wirklich therapeutisch gewesen, weil wir jede Nacht miteinander verbringen und intim sein können.

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Was ist daran therapeutisch, nackt vor kichernden Touristen aufzutreten?
Erica: Du denkst wahrscheinlich, dass das eine Art Fleischbeschau ist, bei der man bewertet wird, aber so nehme ich das nicht wahr. Wenn ich als Model bei einer Modenschau laufen würde, würde man mich bewerten. Aber die Leute, die sich unsere Auftritte anschauen, achten auf ganz andere Dinge. Und weil ich in meinem normalen Leben eben sehr schüchtern bin, habe ich so einen Weg gefunden, mich auszudrücken. Ich weiß, dass das etwas komisch ist.

Udy: Wie gesagt, ich bin ein Exhibitionist. Sonst könnte ich diesen Job auch nicht machen.

Fühlt ihr euch jemals verletzlich oder unsicher auf der Bühne?
Erica: Nein, nicht wirklich.

Udy: Erica fühlt sich sicher mit mir, egal, was ist. Wenn es wirklich hart auf hart kommen sollte, muss ich der Mann sein und sie beschützen. Ich mag vielleicht nett rüberkommen, aber ich bin nicht immer so. Kollegen wurden auf der Bühne schon mal mit Eiswürfeln beworfen. Bei mir würde sich das niemand trauen.

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Es klingt fast so, als hättet ihr euren Traumberuf gefunden.
Erica: Natürlich geht immer wieder was schief. Aber ich sage mir dann einfach, dass Rihanna und Beyoncé auch mal Fehler machen.

Udy: Es gab schon Momente, in denen ich aufhören wollte. Aber das hast du ja in jedem Beruf. Als mein Sohn in die Pubertät kam, wollte er, dass wir keine Fernsehauftritte mehr machen. Es war mal vorgekommen, dass er Fernsehen guckte und plötzlich seinen Vater beim Sex mit seiner Freundin sah. Wir haben dann erstmal damit aufgehört

Erica: Wir machen das jetzt seit 16 Jahren und dieser Job hat uns viele Dinge ermöglicht. Es hat auch dem Jungen ein Dach über dem Kopf gegeben, er hat also nicht wirklich was zu sagen. Sobald er aus dem Teenageralter raus war, wollte ich, dass er sich wie ein Erwachsener verhält und damit klarkommt.

Werdet ihr diesen Job bis ans Ende eures Lebens machen?
Udy: Ich will das nicht für immer machen. Aber es ist zum Beispiel anders, als Pornodarsteller zu sein: Du bekommst einen guten Monatslohn und hast eine gewisse Stabilität. Irgendwann würde ich allerdings schon gerne etwas anderes ausprobieren.

Erica: Ich hätte immer noch gerne mein eigenes Geschäft, am liebsten einen Online-Store. Dank unseres Jobs kann ich dafür sparen und muss keinen Kredit aufnehmen. Momentan bin ich aber einfach nur unglaublich dankbar dafür, morgens aufzuwachen und mein Herz schlagen zu hören.

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