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Sex

Diese Musik-App verspricht, die Playlist an deine Sex-Geschwindigkeit anzupassen

Ich habe "Bed Beats" getestet und dafür den Stoßrhythmus meines Freundes messen lassen.
Collage: CDs: imago | Blickwinkel || Silhouette: VICE Media

Wenn ich Sex habe, ist es mir eigentlich egal, ob im Hintergrund meine empörte Katze jault oder die Shuffle-Funktion von Spotify mir die dauergewellte Kylie Minogue zur Orgasmus-Begleitung in die Playlist wirft. Dass es vielen Menschen aber durchaus wichtig ist, ob sie zu schnellen Bums-Beats oder sinnlichen Slow-Fuck-Songs kopulieren, zeigen die zahlreichen Sex-Playlists, die musikalische Liebhaber mit der Allgemeinheit teilen. Um der Menschheit bei der höchst ernstzunehmenden Suche nach dem besten Sex-Song zu helfen, wurde nun die App "Bed Beats" entwickelt, die den individuellen Koitus-Rhythmus misst und daraufhin automatisch die dazu passende Musik auswählen soll. Um herauszufinden, ob wir eher Samba- oder Taylor-Swift-Sextypen sind, haben mein Freund und ich die App getestet.

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Kanadische Forscher haben 2001 herausgefunden, dass beim Musikhören dieselben Hirnzonen stimuliert werden wie beim Sex: Je besser die Studienteilnehmer die ihnen vorgespielten Songs fanden, desto mehr Endorphine schütteten sie aus. Bereits zuvor hatten Neurologen festgestellt, dass Sex eine ähnliche Aktivität in unserem Gehirn auslöst. Wer seine Lieblingssongs beim Geschlechtsverkehr im Hintergrund laufen lässt, müsste demnach also hinterher ein maximal zufriedener Mensch sein.

Diese Schlussfolgerung dürfte auch die Entwickler der App "Bed Beats" angetrieben haben: Um die Hintergrundmusik an die individuelle Sex-Geschwindigkeit anzupassen, müsse nur das Smartphone auf die Matratze gelegt werden, erklärt der Entwickler auf der Website, das Handy messe daraufhin die Aktivität – also quasi, wie hart es geschüttelt wird – und passe den Rhythmus der Playlist intuitiv an. Der Streaming-Dienst Spotify hat zum Valentinstag die öffentlichen Sex-Playlists seiner Nutzer ausgewertet und herausgefunden: Wenn die Deutschen sich ihre Sex-Songs selbst aussuchen, vögeln sie am liebsten zu Ali Bumayes "Sex ohne Grund". Ob anspruchsvollere Musik im Hintergrund läuft, wenn eine App das Sexverhalten von mir und meinem Freund misst, will ich beim "Bed Beats"-Test herausfinden.

"Ich bitte meinen Freund, im Namen des Qualitätsjournalismus mit mir zu schlafen, und lade mir 'Bed Beats' für 2,29 Euro im App-Store herunter."

Kann "Bed Beats" wirklich dafür sorgen, dass das Koitus-Erlebnis noch besser wird? Wie zuverlässig misst ein Handy die Stoßkraft meines Freundes? Und: Funktioniert die Messung auch, wenn das Smartphone nicht auf einer Matratze, sondern auf dem Esstisch liegt? (Frage für einen Freund.) Ich bitte meinen Freund, im Namen des Qualitätsjournalismus mit mir zu schlafen, und lade mir "Bed Beats" für 2,29 Euro im App-Store herunter.

Ein erster Blick aufs Interface lässt meine Vorfreude allerdings schneller abflauen als das Türklopfen der Eltern bei meinen ersten sexuellen Gehversuchen: Die Mediathek der App besteht nicht aus "echten" Songs, wie ich es erhofft hatte, sondern aus willkürlichen Melodien, die genau so gut in der Fleischabteilung eines Supermarktes hätten laufen können. Auf der Website wird die Auswahl mit "high-quality custom music" beworben. Um den Usern musikalisch wenigstens ein bisschen entgegenzukommen, können sie die "Fahrstuhl-Bumsmusik" (Zitat eines Arbeitskollegen) aus sechs verschiedenen Kategorien auswählen: Chill, Dance, Funk/Groove, Roots (im Grunde Country-Folk), Smooth Jazz, Trance. Allerdings schafft es die App schon vor dem Test, die überaus verstörende Vorstellung von Sex zu Country-Musik noch einmal zu steigern: Es gibt für jedes Genre jeweils nur einen Song. Wer mehr Variation will, muss sich zusätzliche Lieder kaufen – der notwendige Button für den In-App-Shop wurde bei der Entwicklung aber offenbar vergessen.

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Weder die erste Stellung noch der erste Song versprechen Erfolg

Nach dem unbefriedigenden Probehören der Musik-Auswahl und einem ausgiebigen Vorspiel (Pro-Tipp: Rückenmassage) kann der Test beginnen. Zur musikalischen Untermalung der ersten Stellung – ich auf dem Bauch, er hinter mir – entschließen wir uns für Funk/Groove. Als die ersten 70er-Jahre-Bassklänge ertönen, stöhne ich entnervt auf: Kylie Minogue mag ein akzeptabler Orgasmus-Soundtrack sein, das Warteschleifen-Saitengedüdel ist es nicht. Für meinen Freund und mich steht heute aber nicht der eigene Spaß, sondern die wissenschaftliche Mission im Vordergrund: Um zu testen, wie die App auf unseren Sex reagiert, stößt er schneller zu, während ich konzentriert auf das Handy in meiner rechten Hand starre. Tatsächlich springt die Anzeige auf dem Bildschirm nun von "Level 1" auf "Level 4" – immerhin auf der App bewegen wir uns näher Richtung Höhepunkt.


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Mit dem Geschwindigkeitswechsel wird bereits am Anfang des Tests auch eine meiner zentralen Fragen beantwortet: Wie kann "Bed Beats" eine Playlist zusammenstellen, wenn es pro Genre jeweils nur einen Song gibt? Die ernüchternde Antwort: Die App passt lediglich den Rhythmus dieses einen Songs an. Das heißt nach einer eindringlichen ersten Testphase also konkret: Zum düdeligen Bass kommen nach und nach auch noch andere Bass-Gitarren, die den Sex-Soundtrack rhythmisch upgraden sollen.

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Mein Freund und ich entschließen uns für einen Stellungs- und Genrewechsel und gehen zur Missionarsstellung über. Dazu läuft "Chill", eine Rassel-Keyboard-Komposition, wie man sie aus kalten Zahnarzt-Wartezimmern kennt – nicht unbedingt sexy. Als mein Freund mir das Handy aus der Hand zieht, sehe ich nun allerdings, wie sich seine Augen in einem experimentellen Motivationsschub weiten: Er will das letzte Level erreichen und den Sex-App-Endboss schaffen. Entsprechend steigert er die Geschwindigkeit. "Wir sind schon Level 7!", sage ich, "gute Arbeit." Sex war nie romantischer. Das Keyboard klimpert sich nun so in Rage, als bewege es sich stetig in Richtung eines euphorisierenden Höhepunktes. Und auch mein Freund und ich können kaum noch an uns halten. Als ich anfange zu kichern, lässt er sich auf mich fallen und verschmelzt mit mir zu einem lachenden Menschenknoten, der nicht auf pseudo-sexuelle Keyboard-Riffs klarkommt.

Dann haben wir eine Idee: Wenn das Smartphone lediglich misst, wie sehr es geschüttelt wird, müssten wir das ultimative Level eigentlich auch ohne ermüdendes Porno-Rammeln erreichen können. Ich benutze den ältesten Sex-Trick der Welt und lege Hand an: In schnellen Pump-Bewegungen bewege ich mein linkes Handgelenk auf und ab. Leider geht das darin liegende Smartphone nicht über Level 7 hinaus. Wir scheinen die App durchgespielt zu haben. "Auch schön, wenn man seiner Freundin beim Handjob zusieht und selber nichts davon hat", sagt mein Freund.

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Der letzte Song erinnert mich an Gangbang-Pornos aus den 90ern

In einem letzten Anlauf wollen er und ich nun testen, wie gut wir zur "Trance"-Playlist kopulieren. Ich setze mich auf ihn, er legt sich das Smartphone zur Messung auf den Bauch. Aus dem Handy erklingen nun hektische Dance-Beats im Stil eines Neunziger-Jahre-Blümchen-Songs. Ein kalifornischer Forscher hat 2009 untersucht, wie Musik im Hirn Erinnerungen hervorruft und damit Gefühle provoziert: Die Studienteilnehmer fühlten Trauer oder Freude, je nachdem, welche Erinnerungen sie mit einem Song verbanden. Der charakterlose "Trance"-Track aus der "Bed Beats"-App weckt bei mir eine ziemlich unsexuelle Erinnerung an Retro-Pornos, in denen ein Haufen solariumgebräunter, weißer Typen eine zierliche blonde Frau mit gequält-konzentrierten Gesichtsausdrücken gangbangen. Ich bitte meinen Freund, die Musik abzuschalten.

"Bed Beats" hat uns mit dem etwas simplen Sex-Soundtrack zwar sehr zum Lachen gebracht, als Vorlage für den ultimativen Brainfuck ist die nutzeroptimierte "Banger-Musik" (sorry) absolut nicht brauchbar. Das Konzept der App mag lustig sein – die Umsetzung scheint aber in etwa so durchdacht wie ein spontan gedrehtes Home-Video. "Ich habe mich so auf meinen Rhythmus konzentriert, dass sich der Sex mehr wie Arbeit angefühlt hat", sagt mein Freund nach dem Sex – den wir anschließend übrigens ohne Hintergrundmusik beendet haben –, "und noch dazu waren die Songs wirklich grottig."

Das ultimative Orgasmus-Erlebnis hatte ich dank der Supermarkt-Musik nicht, schlechten Sex aber auch nicht. Vielleicht ist "Bed Beats" also wirklich nicht mehr als ein lustiges Gadget, das uns zeigt, dass wir auch als Erwachsene bei Sex-Neuigkeiten so euphorisch werden, als seien wir pubertierende Teenager. Vielleicht ist die App aber selbst noch so etwas wie ein unerfahrener, digitaler Teenie auf dem App-Store. Doch auch das wäre kein Grund zur Beunruhigung: Beim ersten Mal sind die wenigsten wirklich gut.

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