Früher war sogar die Werbung besser

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Popkultur

Früher war sogar die Werbung besser

Lieber 'arald! Kannst du mir nicht etwas von dir schicken? Vielleicht die kleine Silberauto? Oder einfach alle Werbeblöcke aus den Nullerjahren?

Oh, hallöchen! Ist das Ihr Wägelchen? Ich hatte gerade ein Hüngerchen und die Wahrheit ist, hier geht es um Werbefilmchen – von früher. Wenn man nämlich gewissermaßen von einem Fernseher großgezogen wurde, sind die offenbar ähnlich stark in unseren Köpfen verwurzelt wie unser altes Englisch-Buch, Klapphandys oder dieses S-Zeichen, das damals alle gemalt haben.

Dass Gilmore Girls oder Die Nanny für immer in unseren Herzen bleiben werden und dort bis heute dieses warme Zuhause-Gefühl auf Abruf zur Verfügung stellen, ist jetzt soweit nichts Neues. Im Fall von Fernsehwerbung wirkt dieses Konzept aber zunächst eher absurd – weil man sich in der Regel eben nicht darüber freut, wenn das Programm alle 15 Minuten unterbrochen wird. Weder heute, noch 2003. Werbung ist und war schon immer unbeliebt: ein notwendiges Übel, allerhöchstens eine Pinkel-Möglichkeit, eine Rauchpause.

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Aber Nostalgie ist eine Sehnsucht, ein Heimweh, eine Industrie – und sie funktioniert. Sogar dann, wenn es um Artefakte geht, die man ursprünglich noch nicht mal gut fand. Deshalb kann ich nach all den Jahren den Schnuffelsong hören und mich irgendwie darüber freuen, deshalb macht mich der einst so unerträgliche Klang von Gülcans Stimme heute beinahe glücklich und deshalb sind Werbeblöcke aus den Nullerjahren aus heutiger Sicht auch so viel besseres Entertainment als jedes einzelne Promi-Spezial auf VOX.

Erfreulicherweise gibt es noch anständige Menschen im Internet, die, anstatt Kommentarspalten zu trollen, YouTube mit einzelnen Spots – oder gleich mit ganzen Werbeblocks – von früher beglücken. Und sobald Pavarottis "La donna è mobile" einsetzt, ein verliebtes Pärchen sich gegenseitig mit klitzekleinen Pizza-Häpchen füttert und es "immer wie beim guten Italiener" schmeckt, ist die Welt – wenn auch nur für 30 Sekunden – wieder in Ordnung.

Die Blondine, die "Mein Schwester, du dreckiger Schüft!" ruft und ihrem Liebhaber eine watscht; der kleine Junge am Klo, dessen Mami einen "tollen Trick" gegen Gerüche hat ("Ups, das stinkt!"); der Brite, der dringend wissen möchte, ob Giotto eigentlich auch zu Tee passt; das Mädchen, das auch mal Spießer werden möchte, wenn sie groß ist; und die Klitschko-Brüder, die ihre Milchschnitte nur teilen, weil sie Brüder sind – und wirklich nur deshalb. Offenbar ließen Firmen schon damals beliebte Songs für ihre Werbungen nachproduzieren. Bei den Klitschkos tönt es jedenfalls ziemlich stark nach "Bad Boy for Life".

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Die absolute Härte präsentiert sich aber in Form eines "Raps", der Pudding bewerben sollte und eine brillentragende Kuh namens Paula zum Inhalt hatte. Mag faul getextet wirken, aber wenn Pitbull "Kodak" auf "Kodak" reimen darf, dann gilt "Vanille-Schoko, Schoko-Vanille, nur echt von Paula mit der Brille" bitte auch. Generell bedienten sich an Kinder gerichtete Werbungen gerne an lässigem Sprechgesang ("Schokobons sind klein und rund, mit einem Happs sind die im Mund!") – offenbar mit Erfolg, sonst hätten sich diese Zeilen wohl nicht auf ewig in mein Langzeitgedächtnis gebrannt.

Zumindest boten rappende Kinder aber eine Erholung von seelischen Traumata, wie sie etwa die ALFA-Telefon-Werbung auslösen konnte – die zeigte den peinlich berührten Lagerarbeiter Rupert, dessen Chef gerade den Nervenzusammenbruch seines Lebens erleidet: "Beladen verboten" würde auf dem Schild stehen, ob er es denn noch größer schreiben solle, ob Rupert etwa zu dumm dafür sei, ob Rupert denn nicht lesen könne. "Chef, Chef, der Mann kann nicht lesen" – genau so wie Millionen anderer Menschen, die sich nicht abschreiben, dafür aber lesen und schreiben lernen sollten. Ein Klassiker.

All diese Werbespots sind nüchtern betrachtet vielleicht nicht sonderlich gehaltvoll oder kreativ, aber eine Sache können sie verdammt gut: Sicherheit vermitteln – wenn auch nur geborgt. In Zeiten, in denen sowieso niemand mehr einen Fernseher hat, ist es nämlich fast schon beunruhigend beruhigend, einfach immer ein paar Nuller-Werbeblocks im Hintergrund laufen zu haben. Wenn man schon nicht mehr Kind sein darf, kann man zumindest sein Unterbewusstsein ein bisschen austricksen und so tun, als wäre es wieder 2003. Eine einfachere Zeit vor Donald Trump, dem Rücktritt des Undertakers oder Facebook. Manchmal reicht es dafür schon aus, einfach nur alte On-Air-Designs von Sendern wie ProSieben oder RTL II zu sehen.

Eine Zeitmaschine werden wir vielleicht nie erfinden – Werbungen von früher kommen dem aber schon ziemlich nahe. Letztendlich kann es nie schaden, seinem jüngeren Ich ein schnelles Lebenszeichen zu schicken. Oder eine Flasche von die Bier, die so schön hat geprickelt in mein Bauchnabel.

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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