FYI.

This story is over 5 years old.

Drogen

In Österreich wurde schon während der Kaiserzeit gekifft

Einen ersten Hype um Weed gab es in der Donaumonarchie offenbar schon in den 1870er Jahren.

Die Habsburger mögen nach außen hin eine recht konservative Truppe gewesen sein. Was die Auswahl in ihrer Hausapotheke angeht, waren Franz Joseph & Co. aus heutiger Sicht aber gar nicht mal so spießig.

So soll Kaiser Franz gegen seinen Raucherhusten für gewöhnlich Codein in rauhen Mengen konsumiert haben, was ihn vielleicht zum Wegbereiter des 90er Down South Lifestyles macht. Sein Neffe Franz Ferdinand bevorzugte dagegen Opium-Gurgelwasser und griff, wie Aufzeichnungen von 1912 zeigen, auch schon mal zu Heroin. Als wiederum Kronprinz Rudolf während der Therapie seines Trippers eine ziemlich miese Zeit hatte, versprachen Morphium-Pulver und Cocain-Zäpfchen Linderung.

Anzeige

Belegt werden die geheimen Gewohnheiten der Habsburger unter anderem im Buch Medizin und Rezepte des Kaiserhauses der Historikerinnen Sabine Fellner und Katrin Unterreiner.

Im Gegensatz zu Morphium und Opiaten waren Cannabis und Haschisch bis ins 19. Jahrhundert in Europa vergleichsweise noch ein Geheimtipp und als Heilmittel weniger umstritten. Der irische Chemiker William Brooke O'Shaughnessy, der bei Reisen in Indien Erfahrungen sammelte, gilt als Wegbereiter des Cannabis für die europäische Schulmedizin. Eine frühe Einschätzung der Droge findet man auch in der deutschsprachigen Vierteljahresschrift für praktische Heilkunde aus 1849, wo man über neue Erkenntnisse des französischen Arztes Edmond Decourtive berichtet:

"D. schließt nach Versuchen an sich selbst und anderen, dass das Haschisch als narkotisches und betäubendes Mittel bei Nervenleiden und in den letzten Stadien von Krebsübeln sehr anwendbar sei. (…) D. räth, das Cannabis-Harz in den Arzneischatz aufzunehmen."

So weit, so 2017. Auch über diverse Nebenwirkungen erfuhr man hier Bahnbrechendes:

"Überdies scheint es auf den Geschlechtsapparat zu wirken. Bei Gemütskrankheiten soll es überdies vortreffliche Wirkung leisten und es erregt die Einbildungskraft im hohen Maße."

Decourtive spricht dann jedoch auch eine vorsichtige Warnung aus:

"Zwei Hühner wurden durch den übermäßigen Genuss desselben gelähmt."

Vielleicht war es Kaiserin Elisabeth, die Gras dann hierzulande endgültig populär machte. Sissi soll Ärzten und ihren Verschreibungen zeitlebens skeptisch gegenüber gestanden sein und ein Faible für natürliche Arzneien gehabt haben. Jedenfalls ließ sie sich—bis dahin am Wiener Hofe unüblich—am 16. Jänner 1872 ein Rezept für Cannabis-Pulver verschreiben. Und es war nicht das letzte.

Anzeige

Ab Mitte der 1870er setzte dann offenbar ein regelrechter Hype um Weed ein. Spätestens ab 1875 waren die Anzeigenspalten der österreichischen Tageszeitungen voll mit wöchentlichen Werbungen für "Indische Cannabis-Cigaretten", die bei Asthma oder Schlaflosigkeit die "überraschendsten Wirkungen ausüben":

Innsbrucker Nachrichten, 1881

Die Neue Freie Presse, 1876

Vertrieben wurden die französischen Cannabis-Zigaretten in Wien etwa im Haupt-Depot des Kaufmannes Philipp Röder, der seine Firma 1873 gegründet hatte und in den folgenden Jahrzehnten zu einem Großunternehmen machte, welches sein Sohn Rudolf in die Aktiengesellschaft Röder-Raabe umwandelte und die ab 1920 schließlich in der Chemosan AG aufging. Philipp Röder wurde deshalb schon damals als "erster Drogen(groß)händler" Österreichs bezeichnet. Die Herba Chemosan AG gilt heute als der führende Pharma-Großhändler.

Der Apotheker und Regierungsrat Dr. Max Wilhelm Czerkis, der zeitweise Vizepräsident von Chemosan war, testete ausgiebig die im "Haschisch wirksamen Substanzen" und kam 1909 laut der Österreichischen Illustrierten Zeitung zu einem ziemlich berührend-bekifften Resümee:

"Es ist, als ob die Sonne jeden Gedanken beschiene, der durch das Hirn zieht und jede Bewegung des Körpers ist eine Quelle von Luft (…)"

"Wir werden, wenn wir Haschisch genommen haben, zum Spielball jeden Eindrucks (…) die Gedanken werden auf eine Menge verschiedenartigster Dinge gelenkt, und zwar mit einer Reinheit und Klarheit, die wirklich wunderbar ist."

Anzeige

Der Hype um Hanf schlug sich auch in der Etablierung von sogenannten "Orientzigaretten" nieder. In Österreich wurde 1901 eine solche Marke, nämlich "Nil", geschaffen, die sich rühmte, aus immerhin fünf bis acht Prozent Hanf zu bestehen.

Noch im Jahr 1912 kann man etwa in der Kronen Zeitung, die damals noch Illustrierte Kronen Zeitung hieß, Anzeigen für "beruhigende" und "schmerzstillende" Hanf-Zigaretten finden. Die Hasch-Trafiken, über die sich die Krone ein Jahrhundert später empören sollte, waren damals also realer denn je—und die Zeitung eine Werbefläche dafür.

(Illustrierte) Kronen Zeitung, 1912

So richtig verpönt war Cannabis dann erst im Laufe der 1920er Jahre. 1925 wurde auf der internationalen Opium Konferenz in Genf ein (im Abstimmungsverhältnis knappes) globales Verbot von Cannabis erwirkt. Dass zum Beispiel Ägypten Deutschland damit drohte, im Fall eines cannabisfreundlichen Abstimmungsverhaltens den Import von Kokain und Heroin für die Pharma-Firmen Merck und Bayer zu erschweren, zeigt auch den handelspolitischen- und wenig gesundheitspolitischen Ursprung der Kriminalisierung.

Bleibt die berechtigte Frage, wie wirksam das damalige Weed und die kommerziellen Produkte eigentlich waren. Das Wiener Montagblatt behauptete 1929, eine Expertise zu haben:

"Das Haschisch ist eine Art von hartem Kompott mit einem bittersüßen Geschmack. Es ist ein Gemenge von Opiaten, mehr oder minder präpariert und mit Fruchtsäften vermischt, weshalb man es auch türkisches Opium nennt."

Später stellte sich außerdem heraus, dass die populären "Cannabis-Zigaretten" von Grimault & Co. fast zum Gesamtteil aus Blättern der Tollkirsche bestanden und nur zu einem Minimum aus dem beworbenen Cannabis indica.

Auch wenn man es also mit Cannabis unterm Kaiser lockerer sah als im heutigen Kabinett Christian Kerns, und man in der Kronen Zeitung sogar noch Werbung für Joints schalten konnte—das Dope der Donaumonarchie war wohl dennoch eindeutig mieser als das Wiener Weed von heute.

Thomas auf Twitter: @t_moonshine