Die Wiener und ihre Tattoos

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Die Wiener und ihre Tattoos

Die Gründe für Tattoos sind genauso unterschiedlich wie die Motive. Wir haben auf der Straße herumgefragt und alles von Rassenhass über Backstage-Gspusis bis Feminismus erfahren.

Wie man vielleicht schnell erkennt, wenn man mich sieht, habe ich ein sehr ausgeprägtes Faible für Tätowierungen. Mittlerweile habe ich um die 50 Stück—und die Bandbreite reicht da vom kleinen selbstgestochenen Kreuz über Homer Simpson bis hin zum riesigen Renaissance-Gemälde.

Genauso unterschiedlich wie die Motive waren auch meine Beweggründe dafür, sie mir stechen zu lassen: Das kann etwas Sentimentales sein, wie der Abschied von der Lieblingsstadt (what's up New York!), eine ungesunde Liebe zu einem TV-Charakter oder einfach nur ein billiger Vorwand, um endlich wieder einen Anlass für das nächste Tattoo zu haben („Ich … ähm … habe noch nichts Rundes!").

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Und weil ich nicht nur tätowiert, sondern auch Fotografin bin, habe ich mich einfach auf den Weg durch Wiens Straßen gemacht und Leute gesucht, die ebenfalls spannende Motive haben und ihre Geschichten mit mir teilen wollten.

Jake*, 37, 1210 Wien

VICE: Erzähl mir mal ein bisschen was über deine Tätowierungen.
Jake: Also das Tattoo auf meinen Fingern—am 24. November wurde ich aus dem Häfn entlassen und am 25. November habe ich mir dann das tätowieren lassen können. Mein Tätowierer hat keine Zeit gehabt, weil der immer noch im Häfn sitzt. Aber Simone, meine beste Freundin, hat dann gesagt 'Hearst, geh halt zu meinem Tätowierer!' Und der hatte dann Zeit.

Und warum wolltest du Wien Blut?
Weil Wiener Blut sich nicht ausgeht. Bist du geborener Wiener?
Ja, aber absolut. Floridsdorfer. Schau mal … Also wenn du das jetzt wirklich aufnimmst: Ich habe einen gewissen Hass entwickelt. Ich bin eben ein Skinhead. Ein echter Rechter halt.

*Name von der Redaktion geändert

Gregor, 27, 1210 Wien

VICE: Wie alt warst du bei deiner ersten Tätowierung?
Gregor: Puh, meine erste Tätowierung habe ich mit 18 Jahren machen lassen. Das Frauenmotiv habe ich mir dann vor 5 bis 6 Jahren tätowieren lassen.

Gibt es eine Geschichte zu der Tätowierung?
Ich wollte einfach mehr Tätowierungen haben. Ich mag das sehr gerne. Die Frau gefällt mir nur ästhetisch, da gibt es nicht wirklich eine Geschichte dazu. Mittlerweile habe ich 5 Tattoos.

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Willst du immer noch mehr Tätowierungen?
Ja sicher! Aber jetzt habe ich keine Zeit und wenn ich etwas machen lassen möchte, muss ich eine Pause machen beim Trainieren.

Ralph, 29, 1210 Wien

VICE: Wie alt warst du bei deiner ersten Tätowierung?
Ralph: 18 Jahre. Das war schon der Drache am Rücken.

Gibt es eine Geschichte zu der Tätowierung?
Also ich finde Drachen halt einfach generell schön. Und genau wie meine anderen Tätowierungen hat auch das für mich eine spirituelle Bedeutung—vor allem in Verbindung mit den anderen beiden Tattoos. Die sind später dazu gekommen. Aber alle meine Tätowierungen haben eine spirituelle Bedeutung.

Willst du noch mehr Tätowierungen?
Natürlich! Weil jede für mich eine Bedeutung hat. Natürlich sollen sie schön aussehen, das ist keine Frage—aber in erster Linie geht es mir um den tieferen Sinn dahinter. Aber das ist persönlich, darauf möchte ich lieber nicht eingehen.

Liz, 19, 1100 Wien

VICE: Wie alt warst du bei deiner ersten Tätowierung?
Liz: Das war kurz nach meinem 18. Geburtstag in Berlin.

Und gibt es eine Geschichte zu der Tätowierung?
Ja, das Tattoo „My Body My Choice" wollte ich schon länger haben. Ich habe mir nur überlegt ob es mein erstes Tattoo werden soll oder nicht. Eigentlich möchte ich auch noch ein Sailor Moon-Tattoo haben. Aber dann habe ich mich dazu entschieden, dass „My Body My Choice" als erstes Motiv doch irgendwie cooler ist. Es geht eben darum, dass es mein Körper ist und ich damit machen kann was ich will, solange ich mich damit wohl fühle.

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Das hört sich an, als wäre das bisher deine einzige Tätowierung—aber du willst noch mehr, oder?
Ja genau!

Frederika, 23, 1150 Wien

VICE: Wie alt warst du bei deiner ersten Tätowierung?
Frederika: Das war mein 21. Geburtstag.

Gibt es eine Geschichte zu der Tätowierung?
Ja, ich hab Peter Pan gewählt, weil er eben für niemals Erwachsenwerden steht. Es ist auch eine meiner Lieblingsgeschichten und grundsätzlich habe ich das Projekt, dass ich mir auf meinem Körper nur Charaktere aus Geschichten tätowieren lassen möchte.

Würdest du dir das Tattoo heute nochmal machen lassen?
Ja, ich bereue das Motiv überhaupt nicht. Es ist nur leider nicht sehr schön gestochen. Aber es ist nicht so schlimm.

Megan 25, & William 27, USA (Colombus, Ohio)

VICE: Wie alt wart ihr, als ihr euch das erste mal tätowieren hast lassen?
Megan: Beim ersten war ich 18. Mittlerweile habe ich aber 4.
William: Ich war 25. Da haben Megan und ich gerade geheiratet.

Und gibt es eine Geschichte zu euren Tätowierungen?
William: Als wir noch verlobt waren, waren wir auf einem Date, das daraus bestand, dass wir uns bei „Pflicht oder Wahrheit" immer gegenseitig zu „Pflicht" aufgefordert haben. Nach ein paar kleineren Aufgaben—wie zum Beispiel, meine Hose verkehrt in einem Restaurant anzuhaben—hat es irgendwann damit geendet, dass sie mir die Aufgabe gestellt hat, mich tätowieren zu lassen. Das wollte ich am Anfang eigentlich gar nicht machen, weil ich das nie wirklich für mich selbst wollte. Aber dann hat sie mich überzeugt und schon war ich in einem Tattoo-Studio und habe mir das kleine M in ihrer Handschrift auf meinen Hintern stechen lassen. Und Megan hat sich das W machen lassen.

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Und Megan, was ist die Geschichte zu deiner hebräischen Tätowierung?
Ich habe schon längere Zeit mit einer engen Freundin überlegt, Freundschafts-Tattoos zu machen. Und dann haben wir es endlich gemacht. Es ist hebräisch für „As Iron sharpens Iron", was ein Vers aus der Bibel ist. Ganz heißt es „As Iron sharpens Iron, so one friend sharpens another". Wir fanden, dass das unsere Freundschaft sehr gut beschreibt.

Seid ihr religiös?
Megan: Ja, ich denke, dass könnte man sagen. Wir beide folgen Gott und glauben daran, dass Jesus für uns gestorben ist.

Stepo, 33, 1050 Wien

VICE: Wie alt warst du bei deiner ersten Tätowierung?
Stepo: 16. Da habe ich gelogen und mein Geburtsdatum gefälscht. Aber es wurde früher auch nicht so genau kontrolliert. Da hab ich mir was Kleines am Knöchel machen lassen—einfach nur um mal zu wissen, wie es sich anfühlt und aus Neugier. Mit 19 habe ich dann mit meinem Arm begonnen. Zuerst nur ein kleiner Schriftzug und dann hat eines zum anderen geführt. Den Stern habe ich mir dann einmal in Dublin stechen lassen, mit alten kroatischen Schriftzeichen. Die stehen jeweils für meine Brüder und meine Eltern. Jeweils mit Name und Geburtsjahr. Dieses Tattoo ist mir auch am Wichtigsten. Es war auch nicht geplant, dass der Arm dann so voll wird. Aber wie gesagt, das eine führt zum anderen.

Wie viele Tätowierungen hast du insgesamt?
Puh, schwierig. Eben den Arm, dann ein bisschen was am Rücken und am Bauch. Meinen linken Arm hebe ich mir für meinen Bruder auf—der macht gerade eine Ausbildung zum Tätowierer. Und ich will auch noch den Rücken voll machen und die Hände und wenn dann irgendwann kein Platz mehr ist, fange ich mit den Beinen an. Es ist an sich wie so eine Art Droge. Wenn ich mal ein paar Monate nicht tätowieren gehe, werde ich schon unrund.

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Kathi, 30, 1140 Wien

VICE: Wie alt warst du bei deiner ersten Tätowierung?
Kathi: Das waren ein paar schreckliche, chinesische Zeichen am Rücken. Die haben wir dann schon nach einem Jahr nicht mehr gefallen. Aber ich sehe sie eh nicht jeden Tag.

Wie viele Tätowierungen hast du insgesamt?
1, 2, 3, 4, 5. Und den Arm hab ich mir vor 2 Jahren tätowieren lassen. Prinzipiell finde ich Spiralen sehr hübsch und in Frankreich gibt es einen Tätowierer, der dazu echt coole Sachen macht, aber die Reise konnte ich mir nicht leisten. Darum bin ich mit Bildern zu meinem Tätowierer gegangen, damit er was Eigenes daraus macht—und das ist dann daraus herausgekommen.

Gibt es eine Geschichte zu deiner Tätowierung?
Also sie hat jetzt nicht eine tiefere spirituelle Bedeutung oder so. Aber ich hab eine andere Tätowierung am Fuß für meinen Großvater, den ich beim Sterben begleitet habe. Kurz bevor er gestorben ist, habe ich mir dann „Until we meet again" tätowieren lassen. Jetzt möchte ich auch noch meinen Arm weitermachen. Also es wächst. Es ist meistens nur eine Geldfrage.

Lexi, 24, 1050 Wien

VICE: Wie alt warst du bei deiner ersten Tätowierung?
Lexi: Das war vor 2 Jahren, und zwar das Herz. Das ist auch meine einzige Tätowierung bis jetzt.

Gibt es eine Geschichte zu deiner Tätowierung?
Ich war dem MGMT-Konzert und bin dann irgendwie in den Backstage-Bereich geschlüpft. Da habe ich dann Andrew, den Sänger, getroffen. Spaßhalber meinte ich dann, er soll meinen Bauch signieren. Er hat mir ein Herz aufgemalt und ich habe mir das dann tätowieren lassen, weil ich ihn so gern mag.

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Hattet ihr auch was miteinander?
Ja, aber erst ein Jahr später, als ich es schon tätowiert hatte. Ich habe es ihm auch gezeigt und er hat gelacht und meinte, das wäre cute.

Möchtest du auch noch mehr Tätowierungen?
Ja, ich hätte gerne irgendein Bowie-Tattoo, weil ich Bowie auch so sehr liebe. Irgendeinen Schriftzug oder vielleicht die zwei Augen von Life on Mars. Aber das müsste dann ganz perfekt sein.

Sarah, 35, 1120 Wien

VICE: Wie alt warst du bei deiner ersten Tätowierung?
Sarah: Da war ich 21. Das war nur ein Schriftzug am Rücken. Mittlerweile habe ich 8. Die am Oberschenkel habe ich mir vor zirka 2 Jahren machen lassen. Von Sam Rulz bei Vienna Electric.

Gibt es eine Geschichte zu deiner Tätowierung?
Also das ist ein Porträt von Kathleen Hanna—bekannt von Bands wie Bikini Kill, Le Tigre oder jetzt auch Julie Ruin. Ich bin schon sehr, sehr lange ein großer Riot Grl Fan und Kathleen Hanna war schon immer so eine Art Idol für mich. Ich habe sie immer schon sehr bewundert, weil sie eben Frauen in der Musikszene gefördert hat—vor allem im Punk—, aber sie ist auch generell sehr feministisch aktiv und setzt sich sehr für Frauen ein. Ihre Musik gefällt mir auch sehr. Es war mir auch schon ein längeres Anliegen, dass ich mir ein Porträt von ihr tätowieren lasse.

Möchtest du auch noch mehr Tätowierungen?
Also ich sage nie nein, weil jede einzelne meiner Tätowierungen einfach so entstanden ist. Eigentlich hat fast jede eine Geschichte dahinter. Das heißt, wenn mir mal wieder irgendetwas passiert zum Beispiel, in dem ich eine Geschichte sehe und ich jemanden habe, der das auch gut machen und umsetzen kann, dann würde ich auf jeden Fall weitermachen.