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Die Onkelznacht ist nicht ganz so rechts wie es sich alle gewünscht haben

Trotzdem sahen wir dreizackige Hakenkreuze, Thor Steinar-Shirts und abgeklebte Tattoos.

Die Antifa Bern und die Berner Zeitung (zwei nicht unbedingt deckungsgleiche Meinungsbildungsplattformen) haben geschrieben, dass an der 5. Onkelznacht zwei ex-Bandmitglieder von Indiziert, der Rechtsrock-Gruppe des PNOS-Präsidenten Dominic Lüthard, in neuer Formation Böhse Onkelz covern. Die Antifa Bern hat zudem publik gemacht, dass sich auf Facebook einige PNOS-Kader für die Onkelznacht angemeldet hatten. Das tönte nach einem masochistisch-lustigen Abend.

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Bei der Onkelznacht-Location angekommen rennt Ronald Url schon auf uns zu. Ich geb ja zu, dass mein abgetragenes Levis-Shirt mit Blondine und Werwolf drauf, nicht unbedingt dem vorherrschenden Freiwild-Dresscode entspricht, aber trotzdem habe ich nicht gewusst, dass ich eine „Achtung, Presse!"-Sirene auf dem Kopf hab.

„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht." Durch die Presseanfrage wollten wir uns die zwei Mal 45 Franken Eintritt sparen. Die Onkelznacht-Crew googelte mich—dankbar für die Ankündigung.

Bei einer Dose 1291-Bier erklärt uns Url, dass er „eh Negativ-Publicity" erwarte. Laut Url sind 80% der Leute hier unpolitische Onkelz-Fans, die einen Ruf zu verlieren haben, denn auch „Geschäftsführer von nationalen Hockeyclubs" seien anwesend. Url selbst „gehe bei uninteressanten Themen nicht mal stimmen" und sei „gegen die Masseneinwanderungsinitiative, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen."

Als ich ihn auf einen Typen im Thor Steinar-Shirt aufmerksam mache, versichert Url, dass der so nicht reinkommt. Der Sänger von Rotz&Wasser passiert uns. Url: „Geht es gut?" „Ja, jetzt geht es mir gut, wo die Faschos weg sind. Hast du das gesehen? Eine ganze Gruppe mit Reichsadler-Tattoos und dem ganzen Programm. Zum Glück hat man die weggeschickt."

Wollen wir Faschosymbol-Tourismus, müssen wir uns also draussen rumtreiben. Auf dem Campingplatz ist die Stimmung freundlich besoffen. Jemand habe sich in der Vornacht auf dem Weg zum Zelt den grossen Zeh gebrochen. Eine Manikeurin, die schon Rihanna die Nägel gemacht hat, erzählt uns von der Berufs-WM in Deutschland. Auf Flaggen steht „Ficken". Keine frustsaufenden Nazis.

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Die Band „Von Glas zu Glaz", die mit den ex-Indiziert-Leuten, spielt ihre Onkelz-Covers brav. „King Kongs Deoroller" nennt sich die zweite Band, die laut ihren Songs gerne fickt und „Jackie Cola" trinkt.

Ein einzelner Skin trägt zu den Oi- auch Antifa- und „Good night white pride"-Buttons. Dass er gemütlich an der Bühnenabsperrung lehnen kann, spricht für die Onkelznacht. Dass wenige Meter hinter ihm ein grosser Skin sitzt, der mit pinken Pflastern rechte Tattoos abgeklebt hat, eher gegen die Onkelznacht. Als dritte Band spielen Rotz&Wasser. Url machte uns an dem Abend gefühlte zwanzig Mal darauf aufmerksam, dass die für Statements wie „Kein Mensch ist illegal! Und auch keine Pflanze!" gut seien.

Etwa in der Mitte ihres Gigs bittet der Sänger alle Gäste darum, der Oi-Szene einen Gefallen zu machen und seine Ansage mit dem Handy aufzunehmen: „Eins hat hier überhaupt nichts zu suchen und zwar diese VERDAMMTEN SCHEISS NAZIS! Die will ich nicht sehen. Und ich hab hier Sachen gesehen—das geht nicht. Da muss die Schweizer Regierung was machen. So ein Hakenkreuz darf einfach nicht geduldet werden. Scheisse."

Natürlich erwartete ich keine „Tutti Antifascisti"-Chöre, aber naja: Die Freude hielt sich in Grenzen. Einige klatschten, einige johlten. Mindestens so viele schüttelten den Kopf, gingen weg oder schauten peinlich berührt.

Die nur in Boxershorts spielenden Rotz & Wasser hatten bei einem Song wie „Anne-Catherine aus Berlin—ACAB!" mehr Freunde im Publikum als bei der folgenden „Nazis raus!"-Hymne. Dafür habe „Anne-Catherine" die anwesenden Zivilpolizisten stutzig gemacht.

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Der Mainact Krawallbrüder ist recht bekannt und in diversen Indymedia-Threads streiten sich Kommentierer ohne Quellen seit Jahren, ob ihnen Rechtsoffenheit unterstellt werden kann. Ihre Lyrics zeugen jedenfalls von minder-ausgeprägter Grammatikoffenheit: „Im Gegensatz zu jeder Schlampe/ Bleibst Du bei mir und meiner Wampe/ Ich brauch kein Weib ich brauch kein Bier—nur Tätowieren."

Als ich meine Fotografin anschaue, macht sie Glubschaugen. Sie schaut auf den Oberarm von einem Typen, dessen Oberarm ein dreizackiges Hakenkreuz ziert. Ein Festivalhelfer hat das auch gesehen und begleitet den raus. Sie will ein Foto machen. Das Foto misslingt. Das bemerkt auch ein Typ mit „Oi! ACAB."-Cap und sein Kumpel. „Das geht gar nicht! Das geht gar nicht!" Wir ignorieren ihn. Die Neuigkeit von unserem Fotoversuch geht rum.

Wir verziehen uns für die letzten Krawallbrüder-Perlen auf die Backstage-Galerie. Beim Ausgang passt uns der Dreizack-Swastikatyp ab. „Du hast ein Foto von mir gemacht! Sofort löschen! Es gibt das Recht am eigenen Bild!" Die Fotografin löscht das Bild. Url kommt dazu. Der Typ wird aggressiver, obwohl das unbrauchbare Bild weg ist. Url nimmt uns zur Seite. „Ich wünsche einfach, dass ihr berichtet, was ihr hier wirklich erlebt habt." Dass uns Url noch zwei Security-Leute auf den Weg zum Auto mitschickt, ist uns recht.

Bezweifle ich, dass zehn bis zwanzig Prozent der Gäste rechtsextrem sind? Nein, das tu ich nicht. Wahrscheinlich haben auch weitere vierzig Prozent eine rechtsoffene Nicht-Einstellung. So lange Freiwild jährlich für den Echo nominiert wird, ist aber auch die Onkelznacht kein rechtsextremes Konzert.