FYI.

This story is over 5 years old.

Occupy Turkey

Für Erdogan ist das Internet auch nur eine Shopping Mall

Das neue Gesetz zur Internetzensur wird die Türkei weiter von der EU entfernen und stellt das Land in eine Reihe mit China, Syrien und Saudi-Arabien. Gegen Kritiker in der Türkei werden abermals Gummigeschoße und Wasserwerfer eingesetzt.

Bild von einem Protest im Jahr 2011 in der Türkei gegen die Regulierung des Internets (via Wikimedia Commons)

Ein Déjà-vu: Premierminister Erdoğan verkündete der Presse, dass sich sein Land dem Frieden und der Ordnung verschrieben habe, während Einheiten der Bereitschaftspolizei mit Plastikpatronen und Wasserwerfern gegen Protestierende in türkischen Städten vorgehen.

Diesmal richteten sich die Demonstranten gegen das neue Internet-Gesetz, welches in der Nacht zu Donnerstag vom Parlament beschlossen wurde und die nationale Internet-Architektur so verändern kann, dass die Regierung ermächtigt ist, innerhalb weniger Stunden und kaum merklich kritische Inhalte nach Belieben zu zensieren. Unabhängig davon, ob das neue Gesetz die letzte Hürde seiner Ratifizierung durch Präsident Abdullah Gül überwindet, legt die aktuelle Auseinandersetzung jetzt schon die Konfliktlinien in der Entwicklung der türkischen Gesellschaft offen, so wie einige allgemeine Entwicklungen der Politiken digitaler Kultur.

Anzeige

Trotz düsterer internationaler Statistiken, die von Dutzenden eingesperrten Journalisten sprechen (aktuell sollen es bis zu 70 sein, womit die Türkei noch vor China an der Spitze der Liste steht), betonen führende Politiker immer wieder, dass die Türkei frei von jeder Zensur sei. Vizepremier Bülent Arınç beispielsweise sagte, dass es „so etwas wie Internetzensur nicht gibt.“ Und Erdoğan höchstselbst ließ am Samstag nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu mitteilen, dass das Internet nur „sicherer" und „freier" wird: „Mit diesem Gesetz wird das Internet auf gar keinen Fall zensiert."

Von Kritikern jedoch wurde das vom Parlament per Handzeichen verabschiedete neue Internet-Gesetz als desaströs bewertet und hat auch am Wochenende zahlreiche Proteste provoziert. So versammelten sich allein auf dem Taksim-Platz in Istanbul 2000 Demonstranten. Das Gesetz scheint eine logische Weiterführung von Erdoğans Kommentaren zu den Hochzeiten der auch über Twitter koordinierten Gezi-Proteste dieses Sommers zu sein: Soziale Medien sind eine Plage.

Auf Motherboard erfährst du, wie die politische Überwachung in der nahen Zukunft der Türkei aussehen könnte.

Network Map of Artists and Political Inclinations. Von Burak Arikan für die 7ten Berlin Biennale (via).