Wie es war, Jörg Haiders Chauffeur zu sein

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Wie es war, Jörg Haiders Chauffeur zu sein

Am 11. Oktober hat sich der Tod von Jörg Haider gejährt. Hier erzählt sein ehemaliger Chauffeur, wie Haider als Privatperson war, warum er immer singen wollte und dass Haider einen furchtbaren Fahrstil hatte.

Am 11. Oktober 2008 ist Jörg Haider tödlich verunglückt. Seitdem ist es um ihn nicht viel leiser geworden. Nachdem zuerst der Hypo-Skandal aufgeplatzt ist und Kärnten den Spitznamen „kleines Griechenland" einbrachte, hat Stefan Petzner unlängst auch Haiders Schatten veröffentlicht und man darf davon ausgehen, ihn auch abseits der Wien-Wahl noch das eine oder andere Mal in einer Schlagzeile zu finden.

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Über den politischen Haider gibt es viele Fakten, viel Ungeklärtes, aber kaum etwas, das nicht bereits von irgendeinem schlauen Journalisten „aufgedeckt" wurde (sagen wir zumindest bis zur nächsten Aufdeckung). Jeder hat dazu seine eigene Meinung und das ist auch gut so.

Auch den privaten Haider wollten viele nach seinem Tod unbedingt ans Licht bringen. Wahrscheinlich haben viele Menschen, die um Haider herum waren, eine persönliche Wahrheit zu seiner Person. Einer dieser Menschen ist Günther K. Von 1986 bis 1991 war er als Leibwächter und Chauffeur an der Seite des Politikers. Er hat uns aus seiner Perspektive erzählt, wie es war, jeden Arbeitstag mit Haider zu verbringen. Hier soll es weniger um die Politik, als die subjektive Wahrnehmung eines Menschen gehen, der ihn nicht nur aus Schlagzeilen kannte.

In den ersten Jahren war ich der Leibwächter von Haider—anfangs bin ich nur nebenbei für ihn gefahren, besonders für Wahlkämpfe. In Klagenfurt war er mein Nachbar und ich kannte ihn flüchtig vom Sportverein. Irgendwann im Winter habe ich mal sein Auto vom Schnee befreit, weil er nicht weggekommen ist. Meine damalige Freundin hat auf seine Kinder, seine Mädels, aufgepasst, aber ich habe die Verbindungen noch nicht gekannt. Claudia Haider ist bei uns ein- und ausgegangen. Damals stand ich mitten in der Ausbildung zum Leibwächter.

Beim Sportverein hatten wir ein Stammlokal. In dieses ist Jörg Haider immer so um eins, zwei in der Nacht, wenn er von Wien gekommen ist, eingekehrt. Auch, weil dort viele grün-alternative Gäste waren—also gar nicht seine Wähler-Klientel. Dort hat er sich immer sehr lange und intensiv mit den Menschen unterhalten, die ihn natürlich sehr gefordert haben. Er hat sich sehr viel Hintergrundinformationen über die Szene der—ich sag mal—Andersdenkenden geholt.

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Dort gab es niemanden von seinem rechtspolitischen Lager beziehungsweise seinem im Nationalen verwurzelten Lager, sondern nur Menschen mit komplett anderen Ansichten. Es war ihm ständig ein Bedürfnis, einen Stein ins Wasser zu schmeißen, damit sich alles bewegt. Ruhe war nicht seines. Eines Tages kam meine Mutter und meinte „Der Haider ist da" und ich fragte „Wer?". Dann hat er mir gesagt, ich soll doch am nächsten Tag in sein Büro kommen, er hätte da was für mich.

Am nächsten Tag bin ich zu ihm gegangen, er war gerade vom Urlaub zurück und braungebrannt—das war im Herbst 1986. Er hat mir dann gesagt, dass er jemanden braucht, der auf ihn aufpasst. Er hatte erfragt, dass ich mich da auskenne. Und nebenbei solle ich ein bisschen für ihn fahren. Ich war damals 24 Jahre alt. Als ich ihn fragte wann, sagte er: „Ja, am besten sofort."

Damals hatte ich einen großen Freundeskreis und auf einmal war ich quasi von der Bildfläche verschwunden. Wir sind in einen Audi 200 Quattro 20V gestiegen, was für mich ein Raumschiff war. Unsere erste Fahrt ging nach Trieben. Ich hatte keine Ahnung, wo Trieben sein soll. Irgendein Nest in der Steiermark. Als ich ihn fragte, wie er es gern hätte, sagte er: „Zügig."

Das Auto hatte zwar ein Autotelefon, ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber ich habe mich damals nicht getraut, es anzugreifen. Für mich war das ein utopisches Ding. Sowas hatte ich zuvor noch nie gesehen, weil es das auch noch nicht wirklich gab.

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Ich habe versucht, meine Mutter zu erreichen, um ihr zu erzählen, dass ich für Haider arbeite, bin zum Münztelefon gegangen und habe gerade so viel Schilling rein geschmissen, damit ich sie aus dem hintersten Dorf in der Obersteiermark kurz erreichen konnte. Sie hat mir fast nicht geglaubt. Am gleichen Abend sind wir heimgefahren und dann hat er mich so um drei, vier Uhr morgens noch zu sich eingeladen. Wir haben noch eine Flasche Rotwein getrunken und uns über Verschiedenstes unterhalten.

Das war der Anfang. Am nächsten Tag habe ich ihn geholt und dann sind wir gleich—für mich war es das erste Mal überhaupt—nach Wien zum Parlament gefahren. Nach kurzer Zeit war ich im Parlament angestellt. Gewohnt habe ich die ersten Jahre über im Hotel Rathauspark.

Das war alles ganz neu für mich und wenn der Haider unten geredet hat, war das für mich alles spannend—ich bin immer auf der Zuseher-Tribüne gesessen und habe mir das angesehen. Dann ging es schon los. Ein Wahlkampf nach dem anderen, 400 Stunden im Monat—das kann man sich ungefähr so vorstellen. Meine Freunde waren von einem Schlag auf den nächsten weg. Ich hatte einfach keine Zeit mehr, weil ich nur noch in der Weltgeschichte unterwegs war.

Wenn er bei ganz offiziellen Terminen war, dann war natürlich die Staatssicherheit dabei und sonst war ich da. In den Walkämpfen hatten wir einen Chauffeur, da war ich rein Leibwächter und bei den anderen Terminen war ich der Fahrer.

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So ging es dahin, bis er 1989 den Landtagswahlkampf in Kärnten gemacht hat. Da haben wir wie die Viecher gearbeitet—wir sind mit zwei Stunden Schlaf ausgekommen. Das war ein Wahnsinn.

Natürlich hatten wir auch Konflikte. Ich war jung und wollte eigentlich auch noch was erleben. Er hat aber gesagt, wenn ich für ihn arbeite, dann muss ich für ihn da sein, sonst funktioniert das nicht gut.

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Ich war schon eine Vertrauensperson für ihn. Du lässt jemanden mitten in der Nacht aussteigen, stellst ihn in den Lift und dann bringst du ihn in sein Bett, stellst ihn quasi unter die Dusche, richtest sein Zahnbürschtl her. Ich war eine Art Diener, Leibeigener—alles in einer Person. Ich war ja auch Kindermädchen. Die Kinder waren viel mit in Wien, auf die musste jemand aufpassen, wenn die Eltern in die Oper gegangen sind, oder einen anderen Termin hatten.

Zu mir sagte er immer: „Wir sind Freunde. Das ist kein Chef-Angestelltenverhältnis, du kannst mir alles sagen." Damals hatte man allgemein eher ein „du auf du" mit ihm, als Respekt vor ihm. Wir hatten auch immer einen geheimen Gruß. Wir haben uns immer auf hüfthöhe zugewinkt. Ein bisschen wie bei Pinguinen. Die Journalisten im Parlament haben sich dann wahrscheinlich schon ein bisschen gefragt, was er da am Rednerpult macht. Wir sind oben gesessen und haben zurückgewinkt. Da haben wir uns immer einen Spaß gemacht.

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Ich wusste alles von ihm—bis ins kleinste Detail. Er hat mir voll vertraut. Er hat auch sehr vielen Leuten vertraut, was er vielleicht eher nicht machen hätte sollen, weil ihm schon viele Vertrauensbrüche widerfahren sind. Ich habe ihm immer gesagt, dass er bei der Auswahl seiner Freunde ein bisschen aufpassen sollte. Mir kommt vor, dass das für ihn ein bisschen ein Spiel war. Er wollte abchecken, wer ehrlich ist und wer nicht.

Ich habe ihn nie im Vollrausch gesehen. Aber seine Essgewohnheiten waren eigen. Die wenigsten wissen, dass er nie aufgegessen hat.

Einer der ehrlichsten Menschen zu dieser Zeit waren für ihn Peter Westenthaler und Susanne Riess, damalig noch Riess-Passer. Die zwei Personen haben fast gleichzeitig mit mir angefangen und waren wirklich sehr Haider-treu. Ich mein, wir waren damals alle jung. Wir waren sozusagen eine Jugendtruppe. Wir haben uns auf Augenhöhe verstanden. Das brauchte man auch.

Vor allem im Wahlkampf, wenn viele Menschen um einen sind. Er hat natürlich seine Gewohnheiten gehabt: Essgewohnheiten, Schlafgewohnheiten, Trinkgewohnheiten—wobei ich sagen muss, dass er damals extrem wenig getrunken hat. Fast gar nichts. Hier und da, zum Beispiel, wenn wir eine größere Diskothek in Niederösterreich besucht haben. Da hat er an der Theke nicht alles wegstellen können, aber einen richtigen Rausch habe ich nie gesehen, vielleicht ein Schwipserl. Er war immer Herr der Dinge. Seine Essgewohnheiten waren eigen. Er hat immer was liegen gelassen. Die Wenigsten wissen, dass er nie aufgegessen hat. Der hat immer was am Teller gelassen.

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Nach der Wahl in Kärnten wurde er dann das erste Mal Landeshauptmann. Er war dann im Land Kärnten fest verankert und musste den Clubobmann im Parlament abgeben. Danach kam Gugerbauer. Er hat mich damals aber im Bund in Wien gelassen und ich habe die Bundestermine mit ihm erledigt. Das ist zwei Jahre gut gegangen, bis dann der große Crash—die Abwahl—kam. Erst dann bin ich in den Landesdienst gekommen—er hat einen Fahrer gebraucht, weil er ein Mandat von den Schwarzen zurückbekam. Da war ein Posten offen und er hat mich reingeholt. Ich war aber nicht lange in der Landesregierung, vielleicht zwei Wochen, wir haben uns beide karenzieren lassen und sind schon wieder wahlkämpfen gegangen.

Das heißt, er hat damals als Landeshauptmannstellvertreter nur das Nötigste erledigen können, das hatte er aber eh alles im kleinen Finger. Ein Land dieser Größe regiert sich als Stellvertreter relativ leicht, wenn man sich auskennt. Wir haben dann extrem viele Wahlkämpfe gemacht. In Wien, Burgenland. Vor allem der Wiener Wahlkampf war damals ziemlich brutal.

Der Schutz seiner Person war extrem schwierig. Dazu gibt es eh Anekdoten. Zu der Zeit gab es in Deutschland auch ein Attentat auf Oskar Lafontaine, die Messerattacke mit dem Blumenstrauß. Eine Situation in Wien, als bei einer Straßenbahnstation in Wien eine Frau mit einem Strauß auf ihn zulief, hat uns da ziemlich an das in Deutschland erinnert.

Er hat es geliebt, da durchzuwandern und am liebsten war er unter den „einfachen Leuten". Ich kann nicht sagen, dass er es jemals bei einem Kamingespräch lustig fand. Mit den Leuten hat er Billard gespielt, gedartet. Da war es auch nicht so einfach ihn zu beschützen, weil der Alkoholpegel der Gäste so um zwei Uhr morgens ziemlich hoch ist.

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Das war aber auch sein Wahlerfolg. Die Leute haben ihn als ihresgleichen gesehen: „Aha, da ist endlich einer, der auf die Arbeiter schaut." Das hat sich durchgezogen.

Als Privatmann hat Haider die Ruhe im Bärental sehr genossen. Er wollte dort eigentlich nicht raus, das war aber durch die Schneelage nicht möglich. Dort hat er es genossen. Er war ja Langschläfer und ist oft spät ins Bett gegangen. Was er zuhause überhaupt nicht gebraucht hatte, war Streit. Da war die Claudia auch top. Seinen Ausgleich hat er sich beim Sport geholt. In er Anfangsphase hat er sehr viel Tennis gespielt. Er war ein guter Bergsteiger, ein super Läufer und ein schlechter Tennisspieler—er hatte irgendwie eine komische Haltung. Das hat ihm der Christian Scheider falsch beigebracht.

Wir waren auch einmal auf einem Golfplatz und haben versucht den Ball rauszuschießen. Das Ding haben wir nie getroffen. Am Anfang hat man ihn noch als Pfeifen rauchenden Haider abgebildet. Als ich ihn kennengelernt habe, hat er gerade damit aufgehört. Aber hier und da hat er damals ein Zigaretterl geraucht. Ich habe damals auch fest geraucht.

Während dem Autofahren haben wir dann hier und da eine geraucht. Seine Lieblingsmusik war Rondò Veneziano, das hat er immer voll aufgedreht. Dazu haben wir dann geraucht. War lustig. Fenster runtergekurbelt und die Asche ist nach hinten auf die Sitze gefallen und hat Löcher hineingebrannt. Irgendwann hat er gar nicht mehr geraucht.

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Haider wollte immer singen. Erst fünf oder sechs Jahre vor seinem Tod hat er es dann doch noch gelernt.

Er hat auch die Natur und die Ruhe geliebt. Wandern ist er immer mit engen Freunden gegangen, die älter waren als er. Zum Beispiel mit Richi Di Bernardo, einem Sänger. Haider hat auch immer versucht, zu singen, hat es aber nicht gekonnt. Aber er hat geglaubt, dass er es kann. Irgendwann in späten Jahren, fünf, sechs Jahre vor seinem Tod, hat er es dann doch noch erlernt.

Im Berufsleben war er schon ein anderer. Er war irrsinnig gescheit. Er hatte damals einen Mentor, einen Verfassungsrechtler, der ihn ständig beraten hat. Bei jeder heiklen Entscheidung hat er den angerufen und gefragt, ob er das so machen kann. Deswegen konnte man ihm auch schwer auf die Füße treten.

Er war viel intelligenter als jeder Politiker zu seiner Zeit—er hat irrsinnig viel gelesen, alle Zeitungen studiert. Jede, die er in die Hand bekommen hat, wurde gelesen—und da nicht nur der Sportteil. Seine Auffassungsgabe war auch ein Wahnsinn. Was ihn ausgezeichnet hat, war, dass er nie ein Gesicht, einen Namen und dadurch eine Situation vergessen hat.

Zwei oder drei Mal habe ich Haider weinen gesehen. Das waren aber immer die Schicksale anderer. Einmal sind ihm sogar bei einer Rede fast die Tränen gekommen. Ein Stillstand, wie er damals politisch in Kärnten war, hat ihm schon wehgetan.

Hier lest ihr, wie es ist, in Kärnten aufwachsen

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Im Grunde war er kein „Streithansel". Er hat zumindest versucht, sich mit jedem zu verstehen und auch mit den politischen Gegnern. In Kärnten ist ihm das gut gelungen—auch sie einzubinden—aber auf Bundesebene war er immer in Opposition. Die Themen, die er damals hatte, sind heute hochaktuell.

Haider war auch sehr gepflegt, was Gewand und Mode angeht. Stil war ihm immer wichtig. Mit Peter Pilz von den Grünen hat er die Krawatten-Pflicht im Parlament abgeschafft, damit man mit Sakko und Jeans am Rednerpult stehen konnte. Zuerst haben alle aufgeschrien. Aber das war wahrscheinlich das einzige Thema, bei dem sich Peter Pilz und Haider einig waren.

Er war immer sehr locker, auch traditionell gekleidet. Obwohl er aus Oberösterreich war, hat er sich früh zur Kärntner Kultur hingezogen gefühlt. Die Kameradschaftsbünde und all das war halt die Identität der FPÖ. Wurzeln, Heimat, all das.

Als ich an seiner Seite war, könnte ich nicht sagen, dass er sich sehr verändert hatte. Bis zu der Zeit, in der Stefan Petzner ins Bild kam—glaube ich—hat er sich nicht verändert. Dann ist er ein anderer geworden. Da kann ich aber nicht so viel dazu sagen, weil da jemand anderes für ihn gefahren ist. Wir haben uns da aber nicht mehr viel gesehen.

Am Anfang war er aber wie gesagt lang der Gleiche. Privatfahrt haben wir keine einzige gemacht. Privat war privat. Er hat sich im Sommer immer drei Wochen rausgenommen, weil die Kinder ja noch schulpflichtig waren. In den drei Wochen hat er mit ihnen Urlaub gemacht oder war im Bärental.

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Wenn wir nach einem harten Tag in der Stille im Auto heimgefahren sind, hat er schon manchmal gesagt „Ma, was tue ich mir da an", wenn es hart war. Das war aber ein kurzer Moment, den er gebraucht hat, eine kurze Ruhephase und dann hat es wieder gepasst.

Da hätte ein stummer Affe aus dem Tierpark Schönbrunn den Wahlkampf führen können, hätte er ihn genau so gewonnen wie der Petzner.

Ideen von anderen hat er zwar aufgegriffen, aber stark verändert oder verfeinert—je nachdem. Im Grunde genommen hat er alles selbst in die Hand genommen. Auch die Werbestrategien. Da hat ihm niemand reinpfuschen können. Beim Petzner war das Problem, dass er sich Stratege schimpft, aber 2009 das BZÖ—da hätte ein stummer Affe aus dem Tierpark Schönbrunn den Wahlkampf führen können, hätte er ihn genau so gewonnen wie der Petzner. Diese Wahl war ein aufgelegter elf Meter fürs BZÖ damals in Kärnten, wo sie 45 Prozent gemacht haben. Dieser große Stratege, als den sie ihn hingestellt haben, war er sicher nicht. Ich glaube auch, dass er Haider nicht gut getan hat.

Aber das war Haiders Problem—er hat ihn aufgenommen und sich mitreißen lassen. Früher war Gernot Rumpold eine wichtige Person in Haiders Kreis, der ein wirklicher Stratege war. Der hat mit dem Haider im Auto immer darüber gestritten, was richtig und was falsch ist. Er hat Haider auch von vielem ferngehalten, wo er im Nachhinein gesagt hat, dass Rumpold Recht hatte. Damals war er ein feiner Mensch. Wie er sich dann entwickelt hat—dazu kann ich auch nichts sagen. Das ist nicht meine Sache. Menschen verändern sich wegen gewissen Situationen oft ganz schnell.

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Oft ist er mir wie ein kleiner Bub vorgekommen, der bei uns mitspielen wollte. Wir waren ja um ihn herum eine kleine Truppe von drei, vier Menschen, die, um den ganzen Stress und Arbeitsaufwand zu bewältigen, das alles humorvoll gestaltet haben. Wie haben ein Theater gemacht, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.

Apropos Theater: Hier lest ihr, wie es ist, auf einem Schitt vorgekauten Kuchen zu essen und andere nervige Performances zu sehen

Zum Beispiel haben wir die großen Zilk-Luftballone, die auf Straßenbahnleitungen gehangen sind durchs Sonnendach des Wahlkampfautos mit Rexgummi runtergeschossen. Das hat ihm irgendwie getaugt. Da hat er gemerkt, dass er da mitspielen kann. Da hat er sich voll amüsiert. Selber, initiativ geblödelt, hat er schon auch—aber immer ein bisschen potschert. Das konnte er nicht so gut.

Er hatte im Auto immer Gewand zum Umziehen mit, weil die Termine ja weit verstreut waren. Tagsüber waren wir in irgendeinem Markt und Abends war dann Anzug angesagt. Wir selbst haben kaum was mitgehabt und sind in feiner Gesellschaft aufgefallen wie rosarote Hasen. Aber ihm hat das getaugt, da hat er uns immer mitgenommen. Er hat immer gesagt „Meine Buabn"—was auch noch ein typischer Spruch von ihm war—„kummts eina, was mitessen."

Er hat immer geschaut, dass uns nichts fehlt. Aber natürlich ist es auch vorgekommen, dass wir gerade erst bestellt und nix gegessen haben, er fertig war und wir alles liegen und stehen lassen mussten. Er war auch ziemlich schnell, deshalb haben wir aufpassen müssen, dass wir ihn nicht übersehen.

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Einmal habe ich es ihm zurückgezahlt. Da waren wir in Wien im Firenze, einem Italiener in der Nähe vom Stephansplatz, und um zehn, elf hat eine Esserei begonnen, ich hab im Auto gewartet und um vier war er noch immer nicht da. Dann war's mir wurscht: Soll er mit dem Taxi heimfahren, habe ich mir gedacht und bin ins Hotel gefahren. Am nächsten Tag in der Früh um acht war ich fest davon überzeugt, dass er erledigt sein und noch immer schlafen wird. Nix da, der ist schon beim Frühstück gesessen, hat ein weiches Ei gegessen und die Zeitung gelesen.

Ich bin ganz schüchtern zu ihm hingegangen, weil ich mich schon gefragt habe, ob er jetzt beleidigt sein wird, weil ich einfach ohne ihn heimgefahren bin. Ganz verwegen habe ich ihn gefragt, ob er gut heimgekommen ist. Er meinte „Ja, ja, ich bin mit dem Taxi gefahren. War ein klasser Typ. Ein Schwarzer, ganz ein lieber. Der war gleich ein Fan von mir."

Übrigens: Damals waren sehr viele Einwanderer um ihn. Die haben eben immer gesagt „Haider mein Freund, dich werde ich wählen, weil dann kommt mein Kollega nicht und ich behalt meinen Job." Beim Strache ist ja ein ähnlicher Effekt vorhanden.

Vor seinem Tod hätte es gut sein können, dass wieder eine große FPÖ entstehen hätte können. Mit Haider und Strache. Aber der Strache hat dem Haider bezüglich Intelligenz ja niemals das Wasser reichen können. Fleißig ist der Strache auch nicht so, wie es Haider war. Auf keinen Fall. Für die heutigen Gegner reicht es halt bei weitem.

Der Strache muss eh nichts tun, weil die Themen machen eh die anderen. Der könnte auch das ganze Jahr auf Ibiza sein und nichts tun, weil die Frage sich ja anders: Könnte der was, wenn der regieren würde? Stell dir vor der wird Wiener Bürgermeister. Der wüsste ja nicht, was er tun soll. Dann würde er gemessen und sofort wieder abgewählt werden, wenn er es schlecht macht.

Wenn ich noch was zu seinem Unfall sagen darf: Das war ganz ein normaler Unfall. Ich weiß, dass er nicht Autofahren konnte. Er hat sich potschert angestellt.

Was Haider am meisten gestört hat, war, wenn jemand zu ihm unehrlich war und ihn jemand beschissen hat. Wenn ihn jemand bewusst hintergangen ist, war er wirklich gekränkt. Da hat er mir schon manchmal leid getan. Er war ein Getriebener. Irgendwann in der Zeit, als der Streit mit dem Strache da war und das BZÖ-Ding war, da hat er schon geszappelt.

Der Wiederaufschwung mit den zehn Prozent oder was sie hatten, war für ihn schon ein Aufwärtstrend, aber ich habe mir nie vorstellen können, wie er in der Politik alt wird oder dass er überhaupt alt ausschauen könnte. Das hat er uns eh alles erspart, indem er frühzeitig gestorben ist.

Wenn ich noch was zu seinem Unfall sagen darf: Das war ganz ein normaler Unfall. Ich weiß, dass er nicht Autofahren konnte. Er hat sich potschert angestellt. Der ist mit gestreckten Händen ganz hinten im Fahrersitz gesessen, wenn da einmal ein bisschen eine Ablenkung war, hat er das Auto verreißen müssen.

Sein Fahrstil war eine Katastrophe. Ständig, wenn er selbst ins und aus dem Bärental gefahren ist, hat er das Auto kaputt zurückgebracht. Irgendwo war immer ein Blechschaden. Egal, ob er beim Ausparken gegen einen Stein gefahren ist, oder sonst was. Aber das war ein Unfall. Meine Vermutung ist, dass irgendjemand in dem Moment angerufen hat, als die Kurve gekommen ist. Das war sein Ende.

Er hat auch zu wenig an sich gearbeitet. Er hat zu wenig im Jetzt gelebt und war zu sehr getrieben. So sehr, dass er keine Möglichkeit mehr gehabt hat, in sich zu kehren, zu meditieren. Irgendwo länger zu bleiben, ohne, dass ihm jemand wie der Petzner ständig nachrennt und ihn treibt. Er hatte keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Auch zu Hause nicht mehr. Ich glaube, er konnte sich nicht mehr positiv aufrichten, um solchen Pannen aus dem Weg zu gehen. Als ein sehr positiv denkender Mensch, bin ich der Meinung, dass man Zeit finden muss, um seine Waage wieder auszugleichen. Alles, was schlecht ist, wieder ins Positive bringen, damit man Luft hat, wenn es einmal nicht so gut läuft.

Die Zeit hatte er am Schluss nicht mehr. Ich hätte aber nicht gedacht, dass er an einem Unfall stirbt. Es gab sicher Menschen, die ihm den Tod gewünscht haben. Haider war kein brutaler Mensch. Im Gegenteil. Sehr zurückgezogen. Er war kein extremer Mensch. Sicher, man hat ihm ständig den „Nazi" angedichtet. Das war er aber in keinster Weise. Da kenn ich ganz andere. Bei uns in Kärnten, da gab es welche, die rot waren und bei der Hitlerjugend gewesen sind.

Dieses letzte „Halte deinen Mund" hat er nicht gekannt. Wenn er gewusst hätte, was er damit anrichtet, wäre er politisch ja viel weiter gekommen. Die Frage ist, ob er das überhaupt wollte. Also wirklich Verantwortung für so ein großes Land zu übernehmen, weil er ja auch wusste, wie schwierig das ist. Irgendwann wäre er so klein geworden und untergegangen. In einem kleinen Land wie Kärnten hat er das Sagen gehabt.

Auch privat. Da hat sich das dann geäußert, indem er sich dazwischengestellt hat, wenn man in einem Lokal mit einer Frau geredet hat, mit dem Spruch: „Das gönn ich dir nicht". Aber im Grunde war er immer sehr kollegial und wollte auch gemütlich mit einem Zeit verbringen. Auch im Hotel oft. Da hab ich ihn in den Lift gestellt und ihm gesagt, dass ich noch was trinken gehe, weil ich einen Absacker brauche, weil er ja den ganzen Tag trinken durfte.

Naja, wir haben seine Getränke immer wegstellen müssen, so dass es niemand sieht. Aber kaum geht die Lifttüre zu, ist er schon wieder rausgestartet und stellt sich neben dich an der Bar. „Ach, ich trink auch noch was." Er hat auch nicht gewollt, dass Beziehungen in die Brüche gehen. Wenn er bei seinen Mitarbeitern gesehen hat, dass da was nicht passt, hat er versucht der Hüter zu sein. Auf der anderen Seite … naja. Blöd irgendwie.