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Welche Drogen machen die Menschheit high?

Menschen aus allen Gesellschaftsschichten greifen zu Drogen. Die Global Drug Survey von Dr. Adam Winstock will deshalb vor allem die Leute erreichen, die Drogen zu ihrem Alltag zählen und damit glücklich sind. Erstmals wird auch erhoben, was die...

Foto: Raquel Baranow | flickr | CC BY 2.0

Menschen aus allen Gesellschaftsschichten greifen zu Drogen. Die Global Drug Survey von Dr. Adam Winstock will deshalb vor allem die Leute erreichen, die Drogen zu ihrem Alltag zählen und damit glücklich sind und herausfinden, ob sie sich ihr High eher von Bier, MDMA oder Crack holen.

Die Global Drug Survey ist eine seit 2011 alljährlich durchgeführte Studie unter der Leitung des britischen Suchtexperten Dr. Adam Winstock, die sich vor allem an die Konsumenten richtet und diese nicht, wie es bei anderen klinischen Studien häufig passiert, an den Rand der Gesellschaft drängt.

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Ziel ist es, eine Momentaufnahme des alltäglichen Drogenkonsums von Menschen ab 16 Jahren zu erstellen, um so dazu beizutragen, Menschen vor den negativen Folgen von Drogen zu schützen, aber auch Politiker dazu zu bringen,die derzeitige Drogenpolitik zu überdenken.
Ohne mit dem moralischen Zeigefinger herumzufuchteln, soll in Erfahrung gebracht werden, wie Menschen aus aller Welt zu Drogen stehen, welche Drogen sie bevorzugen, wie oft und aus welchen Gründen sie sich etwas reinziehen, um die positiven wie negativen Folgen von Drogen objektiv und mit dem Konsumenten im Fokus aufzuklären.

Das Hauptaugenmerk der Studie liegt hierbei auf Marihuana, da keine illegale Substanz in Österreich und der Schweiz häufiger konsumiert wird als das gute, alte Cannabis.

VICE: Was ist Ihre Meinung zum merkwürdigen Verhalten des wohl derzeit berühmtesten Drogenkonsumenten, dem Bürgermeister von Toronto, Rob Ford? Würden Sie sagen, das ist das typische Verhalten eines Drogenkonsumenten?
Dr. Adam Winstock: Nein, das ist definitiv nicht das typische Verhalten von jemandem, der Drogen konsumiert. Dafür gibt es drei Gründe. Der erste ist, dass Menschen, die Drogen nehmen, sehr vorsichtig sind, was sie von sich preisgeben. Viele Leute achten darauf, wo sie Drogen nehmen und mit wem, und ich denke, dass Leute, die Drogen nehmen und dabei Probleme bekommen, viel schneller ihr Verhalten ändern. Aber ich glaube auch, dass er gerade in einer schwierigen Situation steckt, da ihm niemand mehr etwas glaubt. Das ist eine Gemeinsamkeit, mit der viele Drogenkonsumenten konfrontiert werden. Kann man Drogen nehmen und dennoch eine smarte, sensible und verantwortungsvolle Person sein? Ja, das geht. Sollte man sich äußerst heftig betäuben und dabei versuchen, eine Großstadt zu managen? Das ist eher die Frage …

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Was bringt Leute dazu, Drogen zu nehmen? Sind alle süchtig oder nach was suchen sie dabei?
Ich bin der Meinung, dass die große Mehrheit der Menschen Drogen zum Vergnügen nimmt. Nur eine Minderheit endet damit, dass sie Drogen nimmt, weil sie muss. Ich bin mir sicher, dass die Leute, die an der Umfrage teilnehmen, zur großen Masse von Konsumenten gehören, die nicht vom Justizsystem oder medizinischen Stellen erfasst werden. Es sind Leute, die Drogen als einen Lifestyle ansehen, so wie einige ins Kino, ins Fitnesscenter oder ins Theater gehen. Manche nehmen eben Drogen.

Haben Sie in den letzten Jahren einen Wandel der Konsumgewohnheiten beobachten können?
Ich bin der Ansicht, dass die mangelnde Reinheit bei MDMA sich in den Jahren 2008 bis 2010 rückläufig auf die Verbreitung von Ecstasy in Europa und in vielen Teilen der Welt ausgewirkt hat. Im vergangen Jahr hat Ecstasy jedoch wieder einen Aufschwung erlebt. Nicht nur in der Anzahl der Menschen, die es nehmen, sondern auch in der Qualität. Außerdem gibt es einen Wechsel von Pillen zu MDMA in Pulverform. Das Pulver wird im Grunde sogar als neue und bessere Droge vermarktet.

MDMA | Foto: Coaster420 | Wiki Commons | CC BY-SA 3.0

Welche neuen Drogen erobern gerade Europa?
Im Laufe der letzten fünf Jahre waren die einzigen Drogen, die auf dem illegalen Drogenmarkt in Europa wirklich Bedeutung hatten, Mephedron und einige der synthetischen Cannabis-Produkte. Aber es gibt zweifelsohne Hunderte neue Drogen, die meistens jedoch nur von einer kleinen Gruppe genommen werden. 2CB, AMT, Foxy und Moxy, diese ganzen verschiedenen Sachen eben. Jedoch hat es keine davon wirklich geschafft, die drogennehmende Bevölkerung für sich zu gewinnen. Mephedron war nah dran, aber ich glaube, dass das vor allem mit der damals schlechten Qualität von MDMA und Kokain zusammenhängt. Da nun die Qualität dieser Drogen wieder besser ist, frage ich mich, was von diesen neuen Drogen übrigbleiben wird.

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Synthetische Drogen, die teilweise nicht vom Gesetz erfasst sind, befinden sich also wieder auf dem Rückzug?
Die Anzahl an synthetischen Drogen, die online angeboten werden, steigt Jahr für Jahr. Aber nur weil sie online erhältlich sind, bedeutet es nicht, dass viele Menschen sie auch konsumieren. Ich glaube, für Menschen, die bekifft sein wollen, gibt es keine bessere Droge als Cannabis. Wenn man fortgehen, sich Menschen verbunden fühlen und eine Menge Energie haben will, dann ist MDMA eine gute Droge dafür. Wenn man halluzinieren will, dann sind LSD und Magic Mushrooms sehr gute Drogen, um diesen Effekt zu erzielen. Ich glaube auch, dass Drogen die ultimativen kapitalistischen Konsumwaren sind und Leute natürlich neugierig auf andere Drogen sind, doch der Hauptgrund, weshalb Leute auf neue Chemikalien zurückgreifen, ist, dass andere Drogen entweder nicht erhältlich sind, die Qualität nicht gut ist oder das Preis-Leistungs-Verhältnis und die einfache Verfügbarkeit über das Internet dafürsprechen.

Was haben Sie in der Studie über den Online-Drogenmarktplatz Silk Road erfahren?
Viele dachten, dass Silkroad der Ort sei, an dem die Leute all die verrückten und seltsamen Drogen kaufen würden, aber unsere Arbeit zeigte, dass die Menschen Silkroad genauso wie Amazon benutzen. Sie kaufen dort Ecstasy und Gras. Der Grund dafür ist, dass sie dort ein besseres Angebot finden, das Preis-Leistung-Verhältnis besser ist und sie ihre Sachen per Post zugestellt bekommen. Es ging also nicht um die Drogen, sondern um den E-Commerce-Aspekt.

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Wie sicher ist es, an der Umfrage teilzunehmen? Wir leben in einem Zeitalter der Cyber-Paranoia, und ich gehe davon aus, dass niemand seine persönlichen Drogengewohnheiten offen im Internet sehen möchte …
Wir nehmen die Sicherheit der Umfrage sehr ernst. Alles läuft über eine verschlüsselte Website, wir sammeln keine IP-Adressen oder stellen fest, welchen Browser die Teilnehmer verwenden, auch persönliche Daten werden nicht erfasst. Am Ende der Umfrage kann man auf freiwilliger Basis Kontaktdaten angeben, um über zukünftige Studien und Umfragen informiert zu bleiben, aber diese werden auf einem separaten Server gespeichert, der keine Verbindung zu den Informationen zum Drogenkonsum hat.

Wie profitieren die Konsumenten selber längerfristig von der Studie?
Die Leute, die sich an der Studie beteiligen, werden sogar kurzfristig profitieren, denn wir werden die Informationen, die wir erhalten, binnen vier Monaten wieder an die Öffentlichkeit zurückgeben. Und das sind Informationen, die für Drogennutzer sehr interessant sind. Dieses Jahr werden wir die bislang weltweit umfangreichste Studie über Schadensvermeidung und Drogenkonsum erstellen. Wir können Leuten, die konsumieren, also sagen: „Das machen Leute, die Drogen nehmen, um sicher und gesund zu bleiben." Wenn man mit Leuten, die Drogen nehmen, in einen Dialog treten will, dann muss man ihnen erstmal sagen: „Wir wissen, dass ihr Drogen nehmt, um eine gute Zeit zu haben, und das ist OK, hier ist etwas, das euch und eure Freunde vor Schaden bewahrt."
Abgesehen davon, wollen wir von den Leuten in Erfahrung bringen, wie sie sich das perfekte Cannabis vorstellen. Die Sorten, die im Moment den europäischen und amerikanischen Markt dominieren, sind sehr potent und dadurch führen sie verstärkt zu Paranoia und Gedächtnisschwund. Mit Hilfe von ungefähr 50.000 Cannabis-Konsumenten werden wir in der Lage sein, den perfekten und von den Leuten gewünschten Effekt zu beschreiben. Diese Information werden wir mit denjenigen teilen, die Cannabis anbauen, und vielleicht schaffen die es ja, etwas anzubauen, das weniger schädlich aber gleichzeitig viel ansprechender für die Konsumenten ist.

Drogenkonsumenten sind im Grunde weder direkt noch indirekt in die Gesetzgebung involviert. Glauben Sie, dass die Studie da etwas ändern kann?
Regierungen haben große Sorgen, die Gesetzgebung zu ändern und zu liberalisieren, da sie fürchten, dass die Bürger mehr Drogen nehmen, und diejenigen, die sie zuvor nicht angefasst haben, dann damit beginnen. Dieses Jahr fragen wir also Menschen aus der gesamten Welt, welche Gesetzesänderungen ihre persönlichen Drogengewohnheiten beeinflussen würden. Dieser Teil der Studie kann also von Regierungen genutzt werden, damit sie verstehen, wie Drogengesetzgebung verschiedene Menschen verschiedenartig beeinflusst.

Was für Erfahrungen mit Drogen haben Sie? Können Sie selber etwas zu der Umfrage beisteuern?
Ich nehme jedes Jahr an der Umfrage teil. Ich bin aber auch in meinen Mittvierzigern, ein Psychiater mit zwei kleinen Kindern, und wenn ich etwas beisteuern kann, dann nur im Alkohol- und Kaffeeabschnitt. Aber als Folge der Studie entwickelte ich den „drinksmeter". Diese App zeigt einem, wie viel Alkohol man konsumiert, wie viele Kalorien das sind und umgerechnet wie viele Cheeseburger und Schokoriegel, aber vor allem zeigt es einem die eigenen Trinkgewohnheiten im Vergleich anderer Menschen und ob man ein Problem hat. Als ich diese App entwickelte, dachte ich mir nur: „Oh, das ist also der Grund, weshalb ich fett bin."

Hier könnt ihr an der Global Drug Survey teilnehmen.