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Popkultur

Ich habe mithilfe von YouTube-Videos versucht, wie Bob Ross zu malen

Nach stundenlanger Vorbereitung fühlte ich mich dazu bereit, mich an einer Berglandschaft zu versuchen. Ein großer Fehler.

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Nein, Bob Ross ist nicht der Typ, der „Blowin in the Wind" singt, das ist nämlich Bob Dylan. Bob Ross war der etwas seltsame, aber doch sympathische Maler, auf dessen Sendung du stößt, wenn du mal wieder lustlos durch die Unendlichkeit des Fernsehuniversums zappst. Ross war der Kerl, bei dem du dir nicht ganz sicher bist, ob er dich an deinen durchgeknallten Physiklehrer, an einen Obdachlosen mit Ausnahmetalent oder doch einfach nur an einen liebevollen Familienvater erinnert.

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Seine Sendung The Joy of Painting wurde zwischen 1983 und 1994 weltweit ausgestrahlt und auch bei uns war der fröhliche Lockenkopf kein unbekanntes Gesicht. Insgesamt hat der talentierte Robert Norman Ross, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, sage und schreibe 403 Folgen aufgenommen, in denen er uns erklärt hat, wie man mit riesigen Pinseln zarte Landschaften (von Schnee bis Sonnenuntergang) zaubert—und demzufolge auch 403 Mal „God bless" vor laufender Kamera gesagt. Dieser und weitere Sätze wie „We don't make mistakes here, just happy little accidents" ziehen sich wie ein roter Faden durch die Sendung.

Oft habe ich mich selbst dabei ertappt, wie ich „Oh nein, Bob, jetzt hast du das ganze Bild versaut!" dachte. Als hätte er diesen Gedanken gehört, schwang er seine „good old two inch brush" über die Leinwand, besserte den vermeintlichen Fehler aus und zauberte ein wahres Meisterwerk. Auch wenn seine Werke nicht mehr wirklich zeitgemäß sind und eher in Omas Wohnzimmer (oder eine ironisch-spießige Großstadt-WG) passen würden.

Schon als Kind schaute ich Künstlern gerne beim Malen zu und im Urlaub blieb ich oft so lange bei den Straßenmalern stehen, bis meine Mutter kam und mich wegzerrte. Meine unendliche Faszination für The Joy of Painting kommt also nicht von ungefähr. Da ich während der Feiertage mehr als genug Zeit hatte, beschloss ich, mir mal wieder die ein oder andere Folge der Malsendung anzugucken. Nach und nach keimte in mir ein Gedanke auf, den wahrscheinlich jeder Bob-Ross-Fan schon mal hatte: Wie schwer kann es sein, so ein Gemälde nachzumalen? Ich schaute mir so lange seine Videos an, bis ich eines fand, das mir, im Vergleich zu den anderen, fast schon kinderleicht vorkam. Ein Fehler, wie sich später noch herausstellen sollte.

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Nachdem ich in einem Outlet-Center in der Innenstadt zwei breite Pinsel, sieben verschiedene Ölfarben, einen Kuchenuntersatz, den ich als Farbpalette benutzen wollte, und zwei Leinwände erstanden hatte, fühlte ich mich bereit. Zu Hause angekommen improvisierte ich noch ein bisschen, verwandelte einen Stuhl in eine Malstaffelei, lieh mir für alle Fälle noch ein paar weitere Pinsel aus und funktionierte einen Fächerpinsel für Make-up zum Malutensil um. Endlich konnte es losgehen. Das Video „Bob Ross Horizons West" startete.

„Welcome back! I'm awful glad to see you today. Today let's do something that's bright and shiny and puts you in a good mood and do nice things in your heart", begrüßte mich dann auch schon Bob Ross, der Meister himself. Seine Worte ließen mich ein bisschen Dopamin ausschütten und ich fühlte mich wie damals, als ich vor dem Fernseher saß und zum Intro von Spongebob Schwammkopf mitbrüllte. Ich war motiviert. Ich war Bob Ross. Am Anfang jeder Folge präsentiert Bob kurz die Farben, die er verwenden wird, so auch bei „Horizons West". Ich schaute ihm gespannt zu und drückte jeweils kleine Farbkleckse auf den Kuchenuntersatz.

Er begann mit einem Sonnengelb, erklärte, dass man das mit kleinen „X-Bewegungen" auf die Leinwand aufbringen sollte und gab mir das Gefühl, dass es sich bei der bevorstehenden Prozedur um das Einfachste der Welt handelte. Ich hatte gegenüber Freunden im Vorfeld vollmundig behauptet, das Ganze in ebenfalls knapp 30 Minuten hinzukriegen und fühlte mich in meiner Annahme bestätigt. Im Nachhinein kann ich über diesen naiven Gedanken nur herzhaft lachen.

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Ich drückte also meinen Pinsel in das knallige Gelb und versuchte, die Farbe mit derselben Eleganz und Gelassenheit auf den weissen Stoff zu streichen, wie mein großes Vorbild. Ohne den Pinsel zu waschen, nahm er etwas orange-rote Farbe und verblendete sie mit dem Gelb. Wie einfach! Ich mischte mir eine ähnliche Farbe zusammen und folgte seinen Anweisungen. Die Ernüchterung kam schnell. Während sein Bild ziemlich real aussah, so als würde man tatsächlich gerade in den Himmel schauen, glich meines eher einem misslungenen Abbild des Chicago-Bulls-Logos.

„Macht nichts, weiter geht's", dachte ich mir. Noch war nichts verloren. Bob nahm nochmal etwas von der roten Farbe und mischt sie mit einer Dunkelblauen. Bei ihm wurde das Ganze zu einem satten Lila, bei mir eher zu einem Braun. „Was würde Bob jetzt an meiner Stelle tun?!", fragte ich mich. Ruhig bleiben und den Fehler weglächeln! Ich mischte also fleißig weiter, bis ich einen annährend ähnlichen Farbton erhielt. Er verblendete währenddessen bereits die neue Farbe mit dem bereits bestehenden Orange-Rot und schuf somit einen originalgetreuen Sonnenuntergangseffekt. Nach einer gefühlten Ewigkeit und mehreren Zentimetern Farbschicht war auch ich endlich mit dem „Verblenden" fertig—und irgendwo zwischen Heulkrampf und hysterischem Tobsuchtsanfall gefangen.

Das Ergebnis war einfach nur schrecklich. Mein Bild glich einem möchtegern-nachdenklichen Tumblr-Post, wobei der Himmel eher wie das Tor zur Hölle aussah. Meine Billigfarbe ließ sich weder richtig verblenden noch verstreichen, im Allgemeinen verfluchte ich mich für meinen kreativen Größenwahn und war kurz davor aufzugeben. Da erschien vor meinem inneren Auge ein breit lächelnder Bob Ross, der flüsterte: „Hey, das ist kein mistake, sondern nur ein happy little accident!" Ich riss mich zusammen und machte weiter.

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Als kurz darauf ein Freund zur moralischen Unterstützung vorbeikam und mit unterdrücktem Lachen mein bisheriges „Kunstwerk" begutachtete, wurde mir endlich klar, warum das mit dem Verblenden bisher nicht funktioniert hatte: Die Leinwand war gar nicht für Ölfarben geeignet! Während mein Bekannter loszog, um mir neue Farben zu besorgen, kramte ich die zweite Leinwand aus dem Discounter hervor, warf den Kuchenuntersatz mit der Ölfarbe in den Müll und nahm für die neuen Farben einen Teller zur Hand. Das Video begann von vorn, ich war motiviert. Ausgestattet mit geeigneteren Farben malte auch mein two inch brush fast wie von alleine. Ich war zwar noch kein Bob Ross, aber immerhin bekam ich dieses Mal den Hintergrund hin. Die nächste große Herausforderung erwartete mich: der Berg.

VIDEO: Die heilige Kunst des japanischen Tattoos.

Was bei Bob nach wenigen Pinselstrichen schon nach einer Bergspitze aussah, ähnelte bei mir eher einer totgefahrenen Schlange. Trotzdem malte ich euphorisch und auch ein bisschen stolz weiter. Schließlich wusste ich noch nicht, dass mir die nächste große Hürde unmittelbar bevorstand. „Let all these things happen!", sagte Ross, während er mit seinem Fächerpinsel zarten Schnee auf dem Berg strich. Ich wiederholte diesen Satz mehrmals laut, während ich eine halbe Stunde lang weiße Farbe malte, pinselte und tupfte—nur um dann festzustellen, dass es noch immer nicht wie richtiger Schnee aussah. Egal, „let's get crazy!". Als Nächstes mischte er ein dunkles Blau-Lila, um anschließend mit der Ecke des Pinsels mehrere Bäume entstehen zu lassen, die wie ein kleiner Wald in weiter, weiter Ferne aussehen sollten. Auf meiner Leinwand erinnerte das Ganze eher an einen Waldbrand aus nächster Nähe, weswegen ich das kleine Unglück später einfach habe „verschwinden" lassen. Tja, laut Bob Ross ist „painting not always fun!"

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Nach knapp zwei Stunden stellte ich fest, erst bei der Hälfte des Videos angekommen zu sein—und ein Ende schien nicht in Sicht. Weiter ging es mit einem Wald, oder besser gesagt Sträuchern, die das Ufer eines kleinen Sees bilden sollten. Als mein Ufer optisch eher an ein abgerodetes Amazonasgebiet erinnerte, das sich an einen See aus Asphalt schmiegt, wurde ich langsam zynisch. Bob Ross verzierte die Sträucher noch mit passenden Lichteffekten, ich hingegen wartete darauf, endlich ein paar Tannen malen zu können, die das ganze Wald-Malheur irgendwie überdecken würden. Als Bob Ross mit einem flachen, spitzen Werkzeug noch Wasserlinien zauberte, kapitulierte ich endgültig und übersprang den Schritt.

Schließlich kam sie doch noch, die Erlösung: „Let's put a happy little tree right there" sagte Bob Ross und in mir flammte die Hoffnung auf, mein Gemälde doch noch retten zu können. Da mein Bild völlig anders aussah als das von Bob Ross und wahrscheinlich weder die Dimensionen des Berges noch die Schattierungen mit seinen übereinstimmten, kam es auch nicht mehr drauf an, ob ich jetzt dicke oder dünne Tannen malte. „Maybe a big old deer stepped on him when he was little", kommentierte er, während er neben eine Gruppe von drei Tannen eine weitere etwas schräge pinselte. Ich beließ es bei meinen zwei Tannen auf der rechten und auf der linken Seite des „Flussufers." Das Tüpfelchen auf dem I waren eindeutig die Spiegelungen im Fluss. Ich ließ allerdings auch diesen Schritt weg, da ich das Gemälde nicht endgültig versauen wollte.

Überraschenderweise war es mir gelungen, die vorangegangenen happy little accidents durch zwei große Tannen zu retten und auch sonst sah das Ganze gar nicht mal so übel aus. Insbesondere für einen Anfänger, der künstlerisch nicht unbedingt talentiert ist. Stolz malte ich noch ein paar traurige Grashalme um das Ufer herum und tupfte ein bisschen Schnee auf die Tannen. Hach, fast wie eine kleine Beschäftigungstherapie. Trotzdem war das Fazit meines Selbstversuchs eher ernüchternd. Deswegen ein Tipp von mir an euch: Bevor ihr in den nächsten Baumarkt rennt, euch Ölfarben besorgt und euren Mitbewohner rausschmeißt, um euch ein „Kunstzimmer" einzurichten—hold on. Als absoluter Laie, der nie auch nur einen zweiwöchigen Malkurs besucht hat und von Natur aus nicht wirklich talentiert ist, werdet ihr nie im Leben so ein prachtvolles Gemälde wie Bob Ross hinkriegen, sorry. Ich hab es versucht. Ich habe wirklich mein Bestes gegeben, mein ganzes Herzblut in dieses Bild gesteckt und mich mit dem Künstler identifiziert. Es bringt alles nichts. Bob Ross (R.I.P.!) wird wohl eine der auf ewig unerreichten Ikonen der Landschaftsmalerei bleiben.

Weil er seinen Gemälden übrigens immer ganz niedliche Namen wie „Ocean Breeze" oder „Mystic Mountain" gab, wollte auch ich es mir nicht nehmen lassen, mein Ergebnis stundenlanger Tortur zu taufen. Meines heißt schlicht und einfach: „Art is a Bitch". God bless.

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