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Wir haben mit einem Anwalt gesprochen, der Syrien-Heimkehrer vor Gericht vertritt

Wolfgang Blaschitz hat sich als Vertreter sogenannter „Austro-Dschihadisten" einen Namen gemacht. Wir wollten von ihm wissen, wie es dazu kam und warum „Burka der neue Punk" ist.

Foto: Metropolico.org | flickr | CC BY-SA 2.0

Spätestens als die IS-Terrormiliz im Sommer 2014 ihr sogenanntes Kalifat ausrief und durch militärische Erfolge ihr Gebiet massiv ausweitete, strömten Tausende ausländischer Möchtegern-Dschihadisten in das Kriegsgebiete im Irak und in Syrien. Aus Österreich sollen es bisher rund 250 Personen gewesen sein. Gut 40 seien dort bisher ums Leben gekommen, zirka 70 wieder nach Österreich zurückgekehrt, heißt es aus dem Innenministerium.

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2015 folgte dann eine Welle an Prozessen gegen Syrien-Heimkehrer und solche, die die mit der Terrororganisation aktiv sympathisieren. So gab es seit Jahresbeginn laut Justizministerium bisher 23 Verurteilungen nach dem Terrorismus-Paragraphen 278. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 gab es gar keine, im Jahr 2014 genau eine Verurteilung.

Als Verteidiger sogenannter „Austro-Dschihadisten" tauchen dabei immer wieder die selben Namen auf. Der Anwalt Lennart Binder hat etwa bereits Mohammed Mahmoud im Jahr 2008 vertreten und leistet aktuell im anstehenden Prozess rund um Mirsad O Rechtsbeistand. Auch Wolfgang Blaschitz fällt als Strafverteidiger in dem Zusammenhang immer wieder auf. Er ist sowohl der Anwalt des zu fünf Jahren verurteilten Magomed Z. und vertritt auch den 17-Jährigen Oliver N., der in Syrien schwer verletzt wurde, nach Österreich zurückkehrte und sich seither geläutert gibt. Im Gespräch erzählt er uns, warum viele seiner Fälle noch nicht abgeschlossen sind, was seine Kritik an der heimischen Justiz ist und warum „Burka der neue Punk" sein soll.

VICE: Wie kam es dazu, dass Sie vermehrt Syrien-Heimkehrer vertreten?
Wolfgang Blaschitz: Das ist sozusagen Mundpropaganda und hat sich offenbar unter den Angehörigen und Familien herumgesprochen. Die Leute wissen mittlerweile, dass ich mich mit der Thematik befasse—das bewirkt, dass ich da immer wieder Anrufe in die Richtung bekomme. In Wahrheit machen diese Fälle ja nur ein minimales Segment meiner Arbeit aus. Es mag zwar den Eindruck machen, dass ich mich mit nichts anderem als mit Dschihadismus befasse, aber dem ist nicht so. Strafrecht ist fast mehr ein Hobby.

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Aber finden Sie das Thema auch persönlich spannend?
Es ist vielleicht die rechtliche Spannung, die mich interessiert. Ich finde alles spannend, wo eine Auseinandersetzung mit gewissen Strömungen und Tatbildern stattfindet. Genauso wie bei Mord in einem Beziehungsstreit, da muss man auch über den Tellerrand schauen. Deswegen gibt's ja auch Strafrahmen.

Wie kamen Sie zu Ihrem ersten Fall in Verbindung mit Dschihadismus?
Das waren im Sommer 2014 eigentlich ziemlich gleichzeitig die Fälle der Wiener Dschihadisten, die am Weg nach Syrien gestoppt worden sind und der Fall des Rückkehrers Magomed Z. Da gab es irgendwelche familiären Überschneidungen und eine Angehörige hatte von mir durch den Prozess über eine Spielmafia in Graz gehört.

Magomed Z. ist ja heuer schon zu fünf Jahren verurteilt worden.
Ja, aber endgültig ist das Urteil noch keinesfalls. Mich würde sehr wundern, wenn der Oberste Gerichtshof das nicht kippt. Ich hab Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht. Da ich langjährige Erfahrung habe, weiß ich auch genau, wie die Chancen da stehen. Sollte dem nicht so sein, bin ich sofort in Straßburg.

Worum geht es da konkret? Darum, dass Magomed Z. vorgeworfen wurde, sich der IS-Miliz angeschlossen zu haben, die es im Jahr 2013 in Syrien aber noch gar nicht gab?
Da ist die Anklage ja da schon während des Prozesses umgeschlagen. Zuerst hieß es, Magomed Z. wäre beim IS gewesen. Als ich dann darauf aufmerksam gemacht habe, dass der IS in Syrien zu dieser Zeit gar nicht existiert hat, hieß es, dann war's halt die al-Nusra-Front. Als dann auch klar wurde, dass es diese Gruppierung ebenfalls nicht gewesen sein konnte, wurde letztlich die Ansar al-Sham-Miliz daraus. Die ist aber international auf keiner Terrorliste zu finden—weder bei den Vereinten Nationen, noch beim State Department der USA. Aber das wurde ignoriert. Im Urteil wurde dann eine Quelle aus dem Internet zitiert, die das beweisen soll. Diese Quelle wurde aber während der Hauptverhandlung nie verlesen. Also auch ein formaler Fehler, deshalb die Nichtigkeitsbeschwerde.

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„Wenn jemand einfach nur in Syrien gegen Assad kämpfen will, geht uns das rechtlich gar nichts an."

Auch beim Fall Oliver N. sehen Sie das letzte Wort noch nicht gesprochen?
Ich gehe davon aus, dass die Strafe heruntergesetzt wird. Im Sommer gab es das erstinstanzliche Urteil zu 2,5 Jahren Haft. Oliver hat sich ja schuldig bekannt. Aber gegen die Strafhöhe habe ich Berufung beantragt. Seitdem ward vom Gericht aber nichts mehr gehört. Auch da werden sie sich in Straßburg freuen. Das ist eine überlange, nicht zu rechtfertigende Verfahrensdauer. Es steht im Gesetz, dass die das Urteil binnen vier Wochen auszufertigen hat. So schwierig ist das nicht.

Sie gehen da mit der heimischen Justiz hart ins Gericht. Sehen Sie da eine Überforderung?
Naja, es herrscht halt ein allgemeiner „Volkszorn" im ganzen Land, was die Thematik betrifft. Das schlägt auf Politik und Gerichte über. Man muss aber jeden Fall sehr differenziert betrachten. Das Problem ist oft, dass die ganzen gesetzlichen Bestimmungen nicht auf das passen, was es oftmals zu beurteilen gibt. Wir haben es da oft nicht mit einer Terrororganisation im engen Sinn zu tun, sondern mit einem gesellschaftspolitischen Phänomen. Und wir haben es mit einer Gesinnugstäterschaft zu tun, die anfänglich mit Terror und Terrorismus noch nichts zu tun hat. Wo man die Grenze zieht, ist rechtlich sehr schwierig zu fassen.

Zum Beispiel, wenn man in Syrien gekämpft hat?
Zunächst geht uns das ja fürs Erste gar nichts an, wenn einer meint, gegen das Regime des Herren Assad kämpfen zu müssen, weil das eine hehre Sache ist. So nach dem Motto „Im Mittelalter hat es auch Kreuzzüge gegeben, jetzt mach ich das halt auch". Rein rechtlich geht das eigentlich niemanden was an. Es gibt nach österreichischer Strafrechtslage auch keine Handhabe, um das zu verhindern. Wenn es aber erwiesen um eine terroristische Gruppe wie die IS-Miliz geht, wo gemordet und die Zivilbevölkerung massakriert wird und wenn man dann plant, zurückzukehren und in einem Rockkonzert wild um sich zu schießen, dann geht uns das natürlich sehr wohl was an—und auch alle zu wehrenden Anfänge.

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„Eine ehemalige Mandantin sitzt mittlerweile im Minirock im Volksgarten und lässt den Mohammed den Mohammed sein."

Sie haben in einem Prozess einmal gesagt, „Burka ist der neue Punk"—wie ist das zu verstehen?
Das hat schon was für sich. Experten sehen das alles ja schon länger als ein „zeitgeistiges" Phänomen. Da gibt es klare Ansätze eines Persönlichkeitskults. Cuspert oder der ungustiöse Mohammed M., die haben ja fast einen Popstar-Kult. Mit der Ausnahme, dass die im strengen Islam ja nicht singen dürfen. Bestimmte Agitatoren wissen genau, welche Art von Jugendlichen dafür anfällig sind.

War der „ungustiöse Mohammed M." dann nicht auch einmal so ein Jugendlicher?
Jein. Wenn man sich anschaut, wie der sich schon in seinem ersten Prozess aufgeführt hat—was der von sich gegeben hat und wie der Verteidiger fast hilflos war. Jeder, der sich auskennt und ein bisschen anwaltliche Erfahrung hat, konnte absehen, dass der beim Türl raus- und wieder in die entsprechende Community reingehen wird. Auf der anderen Seite hab ich erst dieses Jahr das Mädchen vertreten, das sich trotzig mit Burka ins Gericht gesetzt hat und die beschuldigt wurde, sich dem Islamischen Staat anschließen zu wollen. Das war Möchtegern-Dschihadismus. Sie ist freigesprochen worden und sitzt mittlerweile im Minirock im Volksgarten oder vor der Grellen Forelle und lässt den Mohammed den Mohammed sein.

Haben Sie schon einmal Drohungen aufgrund Ihrer Arbeit bekommen?
Nicht wirklich. Einmal hat mir jemand geschrieben, ich solle mich vom Acker machen und das war's. Ich kann Dschihadisten vertreten, ohne dass ich mich rechtfertigen muss. Die Vermengung der Ideen des Mandanten mit denen des Vertreters lass ich nicht einmal aufkommen. Ich vertrete demnächst einen tonnenschweren Drogenschmuggler. Den ersten und letzten Joint meines Lebens hab ich mit 16 durchgezogen. Ich trinke nicht und ich rauche nicht. Solche Anschuldigungen sind lächerlich.

Thomas auf Twitter: @t_moonshine