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Und jetzt das Wichtigste: Ein Pressefoto

Die Identitären sind eine Mischung aus rechten Schlägern und Marketing-Gag.
Gruppenfoto von David Prokop, Fotomontage von VICE Austria

Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir begonnen, über die Identitären zu berichten. Wie Pegida, die Montagsdemos und andere Bewegungen sind sie rund um die 10er-Jahre als eine Reaktion auf die Wirtschaftskrise entstanden und wären ohne das Internet nicht möglich. Doch während sich schon fast niemand mehr für Ken Jebsen interessiert und auch die Pegida sofort wieder verschwunden ist, geben die Identitären nicht so schnell auf.

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Das liegt hauptsächlich daran, dass sie ein Logo und gutes Marketing haben, und mit dem Internet aufgewachsen sind—sie stellen sich also einfach weniger idiotisch an als ihre peinlichen Pedants. Dazu kommt auch eine im Vergleich etwas differenziertere Ideologie—die aber natürlich genauso anachronistisch ist.

Denn während Pegida ganz offen mit Neonazis sympathisiert, besteht die Grundidee der Identitären darin, dass alle Völker gleichwertig sind—aber aus irgendeinem Grund die Vermischung dieser Völker schlecht wäre. Das gibt auch der Demo sein Motto: „Der große Austausch". Auch ohne ein Psychologe zu sein, wird man recht schnell zu dem Schluss kommen, dass hinter dieser Angst vor Identitätsverlust ein ordentlicher Minderwertigkeitskomplex steht.

Genau wie Pegida und die Friedensdemo sind auch die Identitären ein Zeichen unserer Zeit, das wir uns aus der Nähe anschauen müssen—gerade, weil es uns nicht passt. Sonst bleiben wir weiterhin in unserer Blase und werden uns nach der Wien-Wahl im Herbst wieder wundern, wer all die Menschen sind, die FPÖ wählen.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Identitären vieles sind, aber eines mit Sicherheit nicht: nämlich die Bürgerbewegung und das Massenphänomen, das sie immer wieder zu sein behaupten.

Wenn Martin Sellner davon spricht, dass bald „Zehntausende vor dem Parlament stehen und demonstrieren werden", wacht er im nächsten Moment auf und merkt, dass seine Unterhose ganz nass und klebrig ist. Denn auch wenn sie sich etwas geschickter anstellen, sind diese Handvoll Typen genauso armselig wie Nagel und seine Pegida-Helfer.

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Abgesehen von ein paar Äußerlichkeiten sind die Identitären und Pegida in Österreich nämlich ziemlich ähnlich, weil sie exakt dieselbe Klientel anziehen. Das wird zwar geschickt durch einen pompösen Auftritt und guter Organisation kaschiert. Aber wenn die Kollegen, die hauptsächlich aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz und ein paar anderen Ländern stammen, abziehen, bleibt genau der gleiche traurige Kern wie bei Pegida: Mitläufer, Globalisierungsverlierer, ein paar alte Irre und auftrainierte Rechte, für die es egal ist, ob sie sich nach dem Fußballspiel oder bei der Demo prügeln.

Die Identitären hatten eine Unmenge an Ordnern, die alle Hände voll zu tun hatten, diese Schläger in Zaum zu halten. Die Reden und die Idee der Identitären interessieren diese Typen nicht. Deshalb war es auch unwichtig, dass bei der Abschlusskundgebung am Reumannplatz niemand mehr Martin Sellner verstanden hat, als er seinen Traum ins Mikrofon gekrächzt hat. Für diese Typen zählt die Action, genau wie für die Identitären der Look und das Branding am wichtigsten ist.

Kurz nach dem Gruppenfoto gehen Identitäre auf ein paar Antifas los. Foto von David Prokop.

Treffender als am Ende der Demo hätte das nicht herauskommen können. Martin Sellner scheucht alle noch einmal für den wichtigsten Programmpunkt des Tages zusammen: das Gruppenfoto. Aber kaum haben alle vor der Kamera posiert, tauchen ein paar provozierende Antifas auf und die Situation eskaliert. Zuerst noch von eigenen Leuten zurückgehalten, verprügelte ein wildgewordener Mob aus Rechten die Antifas. Und auch, wenn das furchtbar pathetisch klingt, zeigte sich genau hier das wahre Gesicht der Identitären.

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Die Identitären sind nicht mehr als stinkender Puh unserer Gesellschaft—aber auch ein Zeichen dafür, dass es in unseren Eingeweiden rumort.

Aber was bedeutet das jetzt für die Medien? Gehen wir den Identitären und ihren Marketing-Schmähs auf den Leim, wenn wir überhaupt über sie schreiben? Wie immer im Leben: Ja und nein. Die Herausforderung ist, in jedem Fall abzuwägen, ob eine Geschichte berichtenswert ist.

Stürmen die Identitären eine Lesung oder wollen mit der Besetzung eine Balkons Promotion für ihre Demo machen, ignorieren wir das. Marschieren sie durch den 10. Bezirk und schreien ihre Parolen durch die Straßen und in Migrantenwohnungen, ist das eine Sache, die wir uns anschauen müssen. Vielleicht auch zum letzten Mal.

Denn die Identitären sind nicht mehr als ein stinkender Puh, den unsere Gesellschaft ab und zu von sich gibt—aber leider auch eines von vielen Zeichen dafür, dass es in unseren Eingeweiden rumort.

Hier könnt ihr die Live-Berichterstattung über die Identitären-Demo im 10. Bezirk nachlesen.