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The Cultural Atrocities Issue

Snowboarding in Lesotho

Afriski in Lesotho, dem abgelegensten Snowboardresort der Welt, habe ich außer Graham Sepatla, einem 12-jährigen Jungen, der große Hoffnungen in den Sport steckt, nur drei Einheimische in dem Resort gesehen, die alle drei am Lift arbeiteten.

Graham auf dem Weg ins Resort.

Vor Jahren hörte ich zum ersten Mal von einem Skigebiet in Lesotho, und spätestens, als ich 2010 bei einem Snowboard-Contest in Peking Lebogang Rasethaba aus Johannesburg kennenlernte, der mir wieder davon vorschwärmte, war klar, dass ich da hin musste. Ich drehe seit 2006 Snowboarddokus in Ländern, in denen dieser Sport kaum verbreitet ist. Ich bin daher ziemlich viel in der ganzen Welt unterwegs, um in eher abseitigen Gebieten zu filmen. Die Idee, in einem Königreich, das auf Platz 160 von 187 auf dem Human Development Index steht und somit eins der ärmsten Länder der Welt ist, zu snowboarden, war also ziemlich reizvoll. Afriski ist ein beliebtes Ziel für südafrikanische Snowboardtouristen aus Johannesburg. In meiner ganzen Zeit vor Ort habe ich außer Graham Sepatla, einem 12-jährigen Jungen, der große Hoffnungen in den Sport steckt, nur drei Einheimische in dem Resort gesehen, die alle drei am Lift arbeiteten. Natürlich trifft man auf der Straße aber überall Leute, die betteln und einfach mal gar nichts haben. Wirklich fasziniert sind die Einwohner vom Schnee nicht. Graham erzählte mir, seine Lehrerin habe sie immer vor Schnee gewarnt und ihnen gesagt, dass man damit nichts anfangen könne, außer, dass man nass wird und friert. Grahams Oma, Maskoko, lebt in einer Hütte in der Nähe des Resorts, neben zwei Containern eines südafrikanischen Skiclubs und arbeitet dort als eine Art Hausmeisterin zusammen mit ihrem Mann. Graham hat sich nach und nach mit ein paar Snowboardern angefreundet, die praktisch ausschließlich aus Johannesburg anreisen. Mittlerweile hat er ein eigenes Snowboard und eine Ausrüstung, die ihm seine Freunde geschenkt haben, und er ist ständig unterwegs zur Piste. Von der Hütte seiner Oma aus braucht er für den Weg zu Fuß zwischen zwei und drei Stunden. Die Touristen aus Johannesburg brauchen für ihre Anreise nur unwesentlich länger. Die Skyline von Johannesburg.

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Das Resort wurde nur deshalb erschlossen, weil sich ganz in der Nähe, in Letseng-la-Terae, eine Diamantenmine befand, was dazu führte, dass eine Straße gebaut wurde. Die Straße ist heute ziemlich unwegsam und führt an einigen Abhängen und ausgebrannten Wracks im Straßengraben vorbei. Gleichzeitig ist aber die Reise von Johannesburg bis ins Resort schon Teil des Erlebnisses.

Johannesburg ist ein riesiger Moloch, in dem es praktisch unmöglich ist, irgendeine Form von Natur zu sehen und zu genießen. Die hohe Kriminalität führt dazu, dass man sich immer hinter Zäunen aufhält, egal wohin man geht. Die Stadt ist sowas wie das wirtschaftliche Zentrum Afrikas, und das ganze Leben scheint sich ums Geldverdienen zu drehen. Deswegen ist es kein Wunder, dass, wer die Kohle dazu hat, versucht, so oft wie möglich rauszukommen. Auch wenn es wie ein verdammt abgedroschenes Klischee klingt, aber in Lesotho siehst du viel mehr Sterne am Nachthimmel, als du es in Johannesburg je tun könntest. Ich habe in Yeoville, einem der übleren Viertel der Stadt, von dem aus man aber einen der schönsten Ausblicke hat, ein Interview mit Snowboardprofi Arthur Longo geführt. Diese Gegend ist voll von Leuten, die gerade erst nach Südafrika geflüchtet sind, die meisten kamen über den Krüger-Nationalpark ins Land und sahen sich auf ihrer Flucht unter Umständen echten Löwen gegenüber. Vermutlich ist es schwierig, sie noch auf irgendeine Art und Weise einzuschüchtern. Während des Interviews schlichen sich ein paar Leute durch die Büsche an, was Lebogang Gott sei Dank bemerkte, woraufhin er mich schnell Richtung Auto zog. In Lesotho fühlte ich mich im Gegensatz dazu sicher. Dieses Land ist zwar extrem arm und die Menschen besitzen praktisch nichts, aber ich habe mich dort von Anfang an willkommen gefühlt. Graham mit seiner Oma Maskoko, die für Afriski arbeitet.

In Afriski herrscht eine Art Utopie. Durch die Abgelegenheit des Ortes kommt hier tatsächlich niemand hin außer den Leuten, die sich für Sport interessieren. Das heißt zwar einerseits, dass es nirgendwo Polizisten gibt, und dass du so viel kiffen und trinken kannst, wie du willst, aber andererseits heißt es auch, dass du, wenn was passiert, komplett auf dich allein gestellt bist. Wenn du dir zum Beispiel auf der Piste ein Bein brichst, gibt es keinen Krankenwagen, der kommt. Du musst selbst dafür sorgen, das circa drei Stunden entfernte Krankenhaus zu erreichen.

Graham braucht etwa drei Stunden zu Fuß, um zum Resort zu kommen.

Renés Film, den er aus Lesotho mitgebracht hat, könnt ihr euch auf seiner Seite www.blickinsfreie.de anschauen.