Popkultur

Instagram-Verbot: So schwer ist Schwesta Ewas Alltag im Knast

Jeden Morgen um 6 Uhr wird kontrolliert, ob Ewa noch lebt.
Schwesta Ewa vor einem Gefängniszaun
Fotos: imago images | Jan Huebner || Jürgen Ritte

Bis vor Kurzem konnte man zu fast jedem Zeitpunkt an einem beliebigen Tag sagen, was Schwesta Ewa macht. 9. Januar 2020: Ewa feiert mit ihrer Tochter Jeyla Aaliyah den ersten Geburtstag mit einem Ausflug ins Kinderparadies, inklusive Bällebad und Riesentrampolin. 12. Januar, Sonntagmittag: Die Rapperin macht ihre Wohnung kindersicher, bringt ein Gitter vor der Treppe an. 12. Januar, 20.59 Uhr: Eine Minute vor der Frist erreicht Ewa die nordrhein-westfälische JVA Willich II, auf dem dunklen Gefängnisparkplatz verabschiedet sie sich von ihrer Tochter, dann tritt die Rapperin ihre Haftstrafe an.

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Im Februar 2019 wurde das Urteil nach mehreren Gerichtsverfahren rechtskräftig: Zweieinhalb Jahre Haft für Ewa Malanda wegen Steuerhinterziehung, 35-facher Körperverletzung und der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger. Am Sonntagabend ging sie ins Gefängnis, und seither verrät Instagram nichts mehr über Ewas Leben. Ihr Label "Alles oder Nix" hat den Account übernommen – das Profilbild zeigt bloß noch ein "Free Ewa" auf schwarzem Grund.

Handy, Schmuck, fast alles Persönliche musste Ewa an der JVA-Pforte abgeben. Keine Insta-Stories mehr, kein Interview. Das Gefängnis erlaubt nur antiquierte Kommunikationsformen wie Telefonate und Briefe. Gefängnispost von Ewa ist bislang aber nicht aufgetaucht. Und so bleiben bloß ein paar Fakten über Ewas neuen Knastalltag – vor allem aber qualifizierte Spekulationen, wie sie drinnen die Zeit rumbringt.

Promi-Bonus: In der Hierarchie ganz oben?

"Prominente Gefangene haben einen gewissen Bonus und stehen in der Hierarchie tendenziell weiter oben", sagt Marco Bras dos Santos von der "Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation". "Je nach Anstaltsleitung könnten Schwesta Ewa ihre stark kritischen Texte aber auch Probleme machen. Dass sie die Haftstrafe nicht mit ihrer Tochter in einer Einrichtung für Mütter absitzen durfte, hat vermutlich damit zu tun."


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Sicher ist: Früh um 6 Uhr in der JVA Willich II öffnen die Vollzugsangestellten die Zellen zur sogenannten Lebendkontrolle. 6 Uhr? Lebendkontrolle? Das ist eine Kombination, mit der man nicht unbedingt den Tag beginnen will. Aber eine Frau wie Ewa wird das selbstverständlich nicht kleinkriegen. Ein paar Tage, Quatsch: Wenige Minuten wird sie grübeln, was sich auf Lebendkontrolle reimt. Dann wird sie die Beamten mit dieser Line begrüßen, Morgen für Morgen. "Ihr platzt rein und wollt von Ewa Lebendkontrolle/was Lebendkontrolle? Ewa schüttelt Hater ab – Frau Holle."

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Abends um 21 Uhr ist Einschluss, und natürlich könnte man auch Bettruhe sagen, aber Einschluss klingt krasser. Davor um 17:15 Uhr Abendessenausgabe, und davor, von 12:45 bis 13:30 Uhr, steht das Mittagessen bereit. Was aber tut Ewa in all den Stunden dazwischen? Wie vertreibt sie sich die Zeit?

Können wir im Knastshop bald eine Modekollektion von Ewa kaufen?

Eine Option, und von einer Businessfrau wie Ewa erwarten wir nichts anderes, ist: arbeiten. Je nach "individuellen Fertigkeiten und Neigungen", wie es auf der Website der JVA heißt, kommen die Inhaftierten zum Einsatz. Draußen trug Ewa in letzter Zeit immer mal wieder Kleidung mit dem Aufdruck "Malanda Exklusive", und falls die Rapperin wirklich eine eigene Kollektion plant, könnte sie sich jetzt im Knast zur Modenäherin weiterbilden. Weitere Betätigungsfelder wie die moderne Bürokommunikation oder der Garten- und Landschaftsbau stehen Ewa ebenfalls offen. Vielleicht dürfen sich Fans sogar bald auf eine limitierte Kollektion "Ewa x JVA Willich" freuen: Der Holzschmuck aus dem Gefängnisshop jedenfalls würde von einem, nun ja, modernen Neudesign by Schwesta Ewa garantiert profitieren.

"Der durchschnittliche Tagessatz beträgt 13 Euro", sagt der JVA-Sprecher Tim Michels. Das dürfte Ewas bisherige Tagessätze unterschreiten. Andererseits ist im Gefängnis für Kost und Logis gesorgt. Ihren Verdienst können die Gefangenen in Konsumgüter investieren oder sich zum Beispiel einen Fernseher in die Zelle stellen. "Der Haftraum darf in angemessenem Umfang ausgestattet werden", erklärt Michels. Er setzt noch einen Zusatz dazu, der auch Schwesta Ewa betreffen könnte: "Sie können jetzt aber nicht anfangen, da Ihre Prada-Kleidung aufzuhängen.”

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Zum Rap-Workshop kommt ein Deeskalationstrainer

Das Leben ist ein ständiger Hustle. Manchmal ist das Leben aber auch bloß das Leben. Und nach getaner Arbeit in einer Gefängniswerkstatt darf man sich ruhig mal was gönnen. Dass ein Spaziergang auf dem Hof oder eine Runde Völkerball mit den Mitinsassen Ewas Vorstellung von Freizeit entspricht, bezweifeln wir. Doch die JVA Willich II verfügt durchaus über ein Kulturleben. Ein Highlight ist die Knastkulturwoche, die auch mal einen Rap-Workshop mit einem Deeskalationstrainer anbietet – die Chance für die gut 200 weiblichen Gefangenen auf ein spannendes Battle, Deeskalationstrainer vs. Eskalations-Ewa. Eine Einschränkung aus Erziehungsgründen: Erlaubt sind dann wahrscheinlich maximal Beleidigungen aus dem Tierreich, etwa "Du Vogel", "Sau" oder auch "Mikrorüssler".

Mit etwas Glück muss sogar das Publikum draußen auf Ewas Gesicht und Stimme nicht völlig verzichten. Noch sieht der "Podknast – wie es wirklich ist" der nordrhein-westfälischen Gefängnisse zwar nicht ganz so actionreich wie Orange Is the New Black aus. Mit Ewa als Star könnten aber endlich Folgen entstehen, die den Podknast einem größeren Publikum bekannt machen.

"(Zellen-)Aufräumen mit Schwesta Ewa", "Die Gitter-Skin-Routine" oder ein "Knastfraß-React-Video" – bloß ein paar Ideen, um den Gefängnisalltag erlebbar zu machen. Alternativ veranstaltet die JVA Willich II auch eine Malgruppe mit einer Kunsttherapeutin.

Von da dürfte es nicht mehr lang dauern, bis Ewa das Tor zur Freiheit durchschreitet und einen Comeback-Song performt. Ewa war weg? Bitte. Ewa ist back!

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