Wer ist Manfred Haimbuchner?

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Politiker

Wer ist Manfred Haimbuchner?

"Wer Teil unserer Gesellschaft werden will, ist willkommen. Außer den Muslimen."

Screenshot aus der "Kochshow mit Manfred Haimbuchner".

Manfred Haimbuchner ist ganz bestimmt ein perfekter Schwiegersohn. Und genauso passt er hinter ein Rednerpult bei einer FPÖ-Parteiveranstaltung, auf einen Rasenmähertraktor in seinen Garten oder hinter ein Rednerpult im oberösterreichischen Landtag. Sein Grinsen beim Rasenmähen wirkt so authentisch wie die Wut, mit der er Parolen gegen Ausländer durch Oberösterreichs Bierzelte schmettert. Nämlich bei genauerer Betrachtung eigentlich nicht sonderlich authentisch. Aber Haimbuchner ist immerhin wandelbar – er weiß, wie er wo aufzutreten hat. Markus Rohrhofer nannte ihn deshalb nach dem Sieg der FPÖ in Oberösterreichauch ein Chamäleon.

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Haimbuchner ist Mitglied der Schlagenden Burschenschaft "Corps Alemannia Wien zu Linz", deren Mitglied auch der SA-Sturmführer Horst Wessel war. Ihm "den Horst Wessel vorzuwerfen" sei jedoch "hetzerisch", erklärte Haimbuchner 2013 in einem Kurier-Interview. Haimbuchner liebt Motorradfahren, Fischen, Lesen, Beethoven, Schweinebraten und Leberkäse. Außerdem wäre er gerne Landwirt geworden, studierte dann aber doch Rechtswissenschaften und trat nach seinem Abschluss 2000 der FPÖ-Ortsgruppe in seiner Heimatgemeinde bei.

Bürgernähe, Bodenhaftung und Handschlagqualität.

Schon der Vater, Lambert Haimbuchner, war FPÖ-Politiker und 24 Jahre lang Bürgermeister in der Heimatgemeinde der Familie, Steinhaus bei Wels. Von ihm habe er die "Wichtigkeit der Bürgernähe, der Bodenhaftung sowie der Handschlagqualität" gelernt. Schlagen habe er seinen Sohn nie müssen, erklärt der Vater in einem Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten. In Steinhaus bei Wels scheint die Welt noch in Ordnung, in den Wirtshäusern darf sogar noch geraucht werden. Und heute wolle halb Wels in die 1800-Einwohner-Gemeinde ziehen, erzählt Vater Lambert:

"Eh klar, da passt alles. Da ist glaub ich nicht einmal ein fremdsprachiges Kind in der Schule. Das nutzt nichts. Das hat sich nunmal so ergeben. Nicht, weil wir einen blauen Bürgermeister haben." Der Sohn ergänzt: "Das Problem ist, in Wels kippt ja die Gesellschaft. Darum kommen viele nach Steinhaus." Deswegen sei es so wichtig, dass sich auch in Wels etwas bewege.

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Und in Wels bewegt sich etwas. Vor zwei Jahren wurde die "Rote Bastion" blau. Zu einer bundesweiten Debatte führte der vom FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl entworfene Wertekodex, der in Kindergärten das Lernen deutscher Lieder und Gedichte vorschreiben soll. Vom Sparprogramm sind zu einem großen Teil auch Sozialmaßnahmen betroffen. Dieser Tage muss sich Bürgermeister Andreas Rabl für sein(e drei) Einkommen rechtfertigen.

"Eh klar, da passt alles. Da ist glaub ich nicht einmal ein fremdsprachiges Kind in der Schule. Das hat sich nunmal so ergeben."

Bei der oberösterreichischen Landtagswahl 2015 gewann die FPÖ mehr als 15 Prozent an Stimmen dazu und ist seither Teil der oberösterreichischen Landesregierung. Es ist die erste schwarz-blaue (quasi) Koalition auf Landesebene, auch wenn bald Ex-Landeshauptmann Josef Pühringer die Koalition anfangs nur "Arbeitsabkommen" nennen wollte. Dieser Euphemismus konnte sich genauso wenig in der österreichischen Medienlandschaft behaupten wie die "Tür mit Seitenteilen".

Die oberösterreichische Landesregierung ist gewiss viel – divers ist sie nicht. ÖVP und FPÖ entsandten 2015 ausschließlich Männer. Erst im Sommer 2016 kam durch die SPÖ doch noch eine Frau in die Regierung. Der Rest besteht nach wie vor ausschließlich aus weißen Männern zwischen 38 und 67 (bald 59). Doch mit dem Rücktritt Pühringers soll nun auch endlich eine Frau in das von ÖVP-Seite bisher rein männlich besetzte Gremium nachrücken.

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Ein dreiviertel Jahr nach Beginn der Zusammenarbeit, im Sommer 2016, beschloss die schwarz-blaue Regierung als erste Landesregierung die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte. Haimbuchner erklärte den Beschluss beim Landesparteitag der oberösterreichischen FPÖ im vergangenen Frühling so: "Wir können nicht das Sozialamt der ganzen Welt sein. Wer als Zugewanderter nicht für sich aufkommen kann, sollte das Land möglichst rasch wieder verlassen."

"Wer als Zugewanderter nicht für sich aufkommen kann, sollte das Land möglichst rasch wieder verlassen."

Für ihn seien Terroranschläge der Beweis, "dass die sogenannte Integration vollkommen gescheitert ist. Liebe Freunde, gescheiterte Migration, Islamismus und Terror hängen naturgesetzlich zusammen." Auch interessant war ein Satz, den Haimbuchner bei einer Wahlkampfveranstaltung von Norbert Hofer sagte: "Liebe Freunde, da gibt es diese Willkommens-Lyriker, diese Fantasten, die glauben, dass jeder Mensch ein unbeschriebenes Blatt ist, wenn er auf die Welt kommt." Je öfter man diesen Satz liest, desto unmenschlicher klingt er.

Schon während des oberösterreichischen Wahlkampfs 2015 hatte Manfred Haimbuchner etwas gefordert, das gerade in den letzten Wochen weltweit als "Muslim-Ban" für Furore sorgt: Im Kurier-Interview antwortete er auf die Frage, ob man die Zuwanderung von Muslimen stoppen solle, mit: "Ein eindeutiges Ja." Und weiter: "Wer aber Teil unserer Gesellschaft werden will, ist willkommen. Außer den Muslimen, für deren Zuzug es einen Stopp geben soll", so Haimbuchner.

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Screenshot via Kurier.at

Nicht immer sind sich Haimbuchner und seine Parteikollegen einig. So forderte er zum Beispiel eine Distanzierung der FPÖ von AfD und Marine Le Pen in Bezug auf deren EU-kritische Haltung und entfachte damit einen Richtungsstreit innerhalb seiner Partei.

Doch sollte es bei der kommenden Nationalratswahl eine Regierungsbeteiligung der FPÖ geben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Vize-FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner Teil der Bundesregierung sein könnte; Parteichef Strache hält ihn für ministrabel. Gegenüber dem Kurier sagte Haimbuchner jedoch, er wolle nicht nach Wien gehen: "Ich bin als Landeshauptmann-Stellvertreter gewählt. Und das werde ich bleiben." Nichtsdestotrotz ist Haimbuchner federführend an der Ausarbeitung eines Regierungsprogramms beteiligt. Die FPÖ will besser vorbereitet sein als das letzte Mal.

In einer 2015 veröffentlichten Broschüre stellte sich Manfred Haimbuchner gemeinsam mit dem ehemaligen Nationalratsabgeordneten Alois Gradauer schon einmal "drängenden Herausforderungen unseres Landes". Unter dem Titel "Mut zur Wahrheit" versuchten verschiedene Autoren Antworten auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu finden. So werden zum Beispiel eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters und niedrigere Pensionen gefordert. Der Autor Andreas Unterberger stellt in der Publikation einen "Katalog der unvermeidlichen Maßnahmen" auf, der unter anderem folgende Punkte beinhaltet:

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  • Es gibt keine beitragslosen Pensionen für Witwen oder Witwer mehr.
  • Der erste Tag jedes Krankenstandes wird als Urlaubstag gewertet. Damit wird das in manchen Betrieben verbreitete Krankfeiern an Montagen oder nach üppigen Festen eingebremst.
  • Auch für Frauen wird der Präsenz-/Zivildienst obligatorisch.
  • Ausgleichszulagen und Mindesteinkommen dürfen höchstens 65 Prozent des niedrigsten Kollektivvertrags-Vollzeitlohns betragen. Nur so kann verhindert werden, dass die soziale Hängematte an Stelle einer Arbeitssuche zu attraktiv ist.

Die SPÖ war schockiert, die FPÖ unterstellte der SPÖ daraufhin eine Schmutzkübelkampagne. So weit, so üblich. Doch die Broschüre war nicht der einzige Aufreger um den blauen Landeshauptmann-Stellvertreter. Im November 2016 feierte die FPÖ der Gemeinde Mettmach in Oberösterreich ihr 60-jähriges Bestehen, als Ehrengast hielt Haimbuchner eine Rede. Hinter ihm hing das schwarzweiße Porträt eines Mannes; konkret das Bild von Anton Reinthaller, dem ersten Bundesparteiobmann der FPÖ.

Vor der Gründung der FPÖ war Reinthaller ab 1938 Minister für Land- und Forstwirtschaft im nationalsozialistischen Anschlusskabinett Seyß-Inquart. 1938 bis Kriegsende war er Reichstagsabgeordneter, ab 1939 Unterstaatssekretär in Berlin. Im selben Jahr trat er der SS bei.

In einer Rede zur Volksabstimmung in Tirol, am 10. April 1938, sprach Rainthaller davon, wie zukünftige Generationen auf die damalige Zeit blicken würden:

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"Glauben Sie mir, Generationen nach uns werden mit Neid auf diese Jahre blicken, die wir heute durchleben durften. Sie werden mit Neid, uns, die heute Lebenden, betrachten. Und uns fragen, wenn wir alte Männer sein werden, um all das, was sich heute abgespielt hat. Denn das wird einmal Geschichtsbücher füllen. Und die Auswirkung in politischer Hinsicht, von der wollen wir gar nicht sprechen. Das ist eine Angelegenheit des Führers und er wird es, wie wir wissen, ja sehr gut machen. Er hat die Politik ja immer gut gemacht."

"Bei uns schaut man natürlich – auch zu Recht – mit Argusaugen auf diesen Rechtsaußen-Rand."

Das Posting zum Event ist bis heute auf der Facebook-Seite der FPÖ Ried im Innkreis zu finden. "Festakt anlässlich des 60. Gründungstages der OG Mettmach und Kranzniederlegung am Grab des 1. Bundesparteiobmannes und Mettmachers Anton Reinthaller mit LHStv. Dr. Manfred Haimbuchner", heißt es da nach dreimaliger Bearbeitung des Postings.

2013 hatte Haimbuchner im Standard-Interview eingeräumt, die FPÖ habe Probleme mit dem rechtsextremen Rand innerhalb der Partei: "Jede Partei hat einen Narrensaum. Die FPÖ hat eben diesen Narrensaum, den gibt es. Bei uns schaut man natürlich – auch zu Recht – mit Argusaugen auf diesen Rechtsaußen-Rand." Er selbst wolle mit "diesen Dingen aber nichts zu tun haben".

Und mit noch etwas scheint der unter anderem für Naturschutz zuständige Manfred Haimbuchner nichts (mehr) zu tun haben zu wollen: Naturschutz.

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Screenshot via YouTube.

"Die Natur ist die äußere Heimat, denn was wäre unser Land ohne Wälder, Flüsse, Wiesen und Felder? Was wäre unser Oberösterreich ohne Berge und Seen, ohne Tiere und Menschen? Die Erhaltung von Arten und Lebensräumen ist untrennbar mit meinem Verständnis von Heimat verbunden", säuselte Haimbuchner 2014 in einem Video, das seine fünf Jahre als Landesrat für Wohnbau und Naturschutz zusammenfasste.

Zwei Jahre später sagte Heimbuchner, Naturschutz gehe ihm "so auf den Keks". Durch den Pariser Weltklimavertrag würde sich der Wohnbau weiter verteuern, betonte der für Wohnbau zuständige FPÖ-Politiker, dem der Spagat zwischen Naturschutz und Wohnbau dann vielleicht doch zu breit wurde. Schon jetzt seien "die Auflagen ein Wahnsinn." Er halte das nicht mehr aus – durch den "Lobbyismus von jenen, die die Welt retten wollen" werde es zu "einer Entindustrialisierung der Welt und Oberösterreichs" kommen.

"Das geht mir so auf den Keks, ich halt das nicht mehr aus."

2016 zeichneten Greenpeace, WWF und Global 2000 Haimbuchner mit dem Black Globe Award aus. Der Preis wird Personen verliehen, die ein Vorankommen beim Klimaschutz verhindern oder die globale Erwärmung leugnen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass Haimbuchner 2017 die Förderprogramme für alternative Heizsysteme einstellen wolle und bekannt gegeben habe, dass das in seiner Zuständigkeit liegende Wohnbauressort nichts zur Umsetzung des Klimaschutzabkommens beitragen werde.

Er werde weiterhin an seinem politischen Markenzeichen arbeiten, sagte der Landeshauptmann-Stellvertreter dazu. Er freue sich über den Preis, die Kritik käme einem "politischen Ritterschlag gleich".

"Das geht mir so auf den Keks, ich halt das nicht mehr aus." – Manfred Haimbuchner über Umweltschutz-Auflagen. Screenshot via YouTube.

All das sei erst der Anfang, so Haimbuchner 2016 in einem Video: "Wir als Freiheitliche sind durch etliche Stahlgewitter gegangen, damit die FPÖ so gut dasteht wie noch nie." Was noch kommen kann, wenn schon am Anfang Stahlgewitter standen, kann wohl nur Norbert Hofer beantworten. Falls der überhaupt selbst wusste, was noch alles möglich sein würde.

Niederlagen scheint Haimbuchner jedenfalls nicht gewohnt zu sein. Das konnte man unter anderem nach der Bundespräsidentschaftswahl sehen: "Pyrrhussieg des Establishments, das ein Retro-Hochamt feiert", schimpfte er am 4. Dezember 2016 über den Wahlsieg, den sich die FPÖ doch so sehr für sich selbst gewünscht hätte.

Der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter gab daraufhin ein Interview in den Oberösterreichischen Nachrichten. "Ist die FPÖ ein schlechter Verlierer?", fragte damals die Journalistin. "Die FPÖ ist weder ein schlechter Verlierer noch hat sie die Bundespräsidentenwahl verloren", entgegnete Haimbuchner. "Gewonnen aber auch nicht." – "Das ist richtig."

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