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Eine kritische Liebeserklärung an Basel, die beste Stadt der Welt

Die Stadt am Rheinknie ist wohl die lebenswerteste Stadt der Schweiz. Das war aber nicht immer so – und das sollten wir nicht vergessen.
Bild von Pixabay

Ausgerechnet Basel. Als wir erfuhren, dass das Ziel unserer Klassenfahrt Basel hiess, konnten wir unsere Enttäuschung nicht verbergen. Die Klassenfahrt wurde dann auch tatsächlich kein wirkliches Highlight. Unser Lehrer führte uns, einen Schirm schwenkend, durch die Altstadt, und erzählte von mittelalterlichen Stadttoren. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich einmal hier landen würde, ich hätte pubertär den Mund verzogen.

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Meine ganze Kindheit und Jugend lang hatte ich in der Peripherie Zürichs gewohnt: erst in der SVP-Hochburg Bülach, dann im Fluglärm-Ghetto Rümlang und schliesslich im aargauischen Freiamt. Mehr als zwanzig Kilometer Luftlinie war ich nie vom Sechseläutenplatz und von Leuten, die sprechen wie auf Globi-Kassetten, entfernt. Schlimmer noch: Ich hielt den Zürcher Dialekt—oder seinen Bastardbruder, den Aargauer Dialekt—für normal.

"Drämmli, Drämmli, Drämmli, uff di waarti nämmli" | Bild von Pixabay

Erst mit 21 zog ich in ein Basler Studentenheim, mit dem Velo bloss zwanzig Minuten von Frankreich entfernt. Dorthin hatte es mich eigentlich bloss verschlagen, weil man an der Uni Basel kein Latinum brauchte. Und auch, weil ich ahnte, dass ich bei einem Studium in Zürich wohl noch bis 28 zuhause leben würde. Dann lieber in die Nordwestschweiz.

Doch Basel erwies sich als Lichtblick. Bereits nach einem Semester fühlte ich mich zum ersten Mal richtig zuhause. Als es dann auch noch Sommer wurde und ich mich mit Freunden den Rhein entlang und unter sämtlichen Brücken hindurch treiben liess, wusste ich, dass ich in die beste Stadt der Welt gezogen war. Basel fühlt sich im Sommer dank des besonderen Klimas an wie eine Stadt am Mittelmeer. Vor allem abends am Kleinbasler Ufer, wenn gefühlt die halbe Nordwestschweiz sich versammelt, um zu grillieren, zu kiffen und Dosenbier zu trinken.

Basel ist aber nicht nur durch sein Klima gesegnet, sondern auch durch die Lage nördlich des Juras. Das Mittelgebirge umgibt Basel wie eine Mauer und schützt uns vor dem verderblichen Einfluss der Restschweiz—und das, ohne dass orangefarbene Populisten sie hätten bauen lassen. Schade nur, dass Basels (vorerst noch) grösste Zeitung, die BAZ, mit Markus Somm seit sechs Jahren von einem Chefredakteur geleitet wird, der noch nie in Basel gewohnt hat und die Stadt, so Gabriel Vetter, für ein "von linken Velochaoten regiertes Gotham City am Rhein" hält. Aber früher oder später wird auch der aufgeben. Eric Weber, ein noch viel weiter rechts stehender Wirrkopf mit einer Vorliebe für Emirate auf der Arabischen Halbinsel, wurde schliesslich auch abgewählt. Inzwischend darf man den selbsternannten "Volkshelden Basels" sogar offiziell "Nazi" nennen.

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Während wir uns geografisch gegen die Restschweiz abgrenzen, sind wir gegen Norden und Westen offen. Basel liegt am äussersten Rand der Schweiz—weshalb die Basler Agglo sich auf drei Länder verteilt. Wer in Weil am Rhein (D), Lörrach (D) oder Saint-Louis (F) lebt, ist quasi Ehren-Basler. In Basel nennen einen die elsässischen Coop-Kassierer "Monsieur" und die Barkeeper schwatzen Badisch. Die Grenze ist so nahe, dass ich das Land innert fünfzehn Minuten verlassen kann. Das beruhigt.

Blick von der Dreiländerbrücke über den Basler Hafen auf den Roche-Turm| Foto von Andreas Schwarzkopf | Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Weil der Kanton Basel-Stadt fast nur aus, nun ja, Stadt besteht, hat die Linke hier "die Alleinherrschaft", - jedenfalls im Weltbild von Markus Somm. Der Linken ist es gelungen, Basel in den letzten Jahren in eine offene Stadt mit einer enormen Dichte an Kulturveranstaltungen zu verwandeln. Woher das Geld dafür stammt, offenbart ein Blick auf die Basler Skyline: Novartis und Roche dominieren mit zahlreichen Statusbauten. Überhaupt, Basels Reichtum: Ähnlich wie das Hotel in Shining, das über einem Indianerfriedhof gebaut wurde, baut Basel auf dem Wohlstand auf, den eine nicht immer ganz saubere chemische Industrie erzeugt hat. Früher, so erzählen ältere Basler, hätte es in den Kleinbasler Quartieren noch regelmässig nach faulen Eiern gestunken. Und immer mal wieder geknallt. Wie zum Beispiel am 23.

Dezember 1969, als bei einer Explosion in der Farbstoffproduktion drei Menschen starben und zweiunddreissig verletzt wurden. Ciba-Geigy, heute ein Teil von Novartis, sprach damals von einem "musterhaften" Einsatz der eigenen Feuerwehr. Inzwischen hat sich die Chemie grösstenteils aus der Stadt zurückgezogen und produziert jetzt im Ausland unter noch schlechter reglementierten Bedingungen. Ein guter Deal für die Basler: Sie haben die saubere Luft, den Reichtum und einen Fluss, in dem man schwimmen kann, die Menschen in China die Umweltprobleme. Bei der Fasnacht wurde das bis jetzt nicht thematisiert.

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Doch auch, was die Pharma und die Chemie angeht, scheint ein Bewusstseinswandel einzusetzen. Denn immerhin wurde Heidi Mück von Basta!, einer links der SP stehenden Partei, beinahe in den Regierungsrat gewählt—obwohl sie Pharma und der Chemie gegenüber weit kritischer ist als ihre SP-Kollegen.

Wer weiss, ob ich in fünf Jahren noch in Basel leben werde. Manchmal hat man den Eindruck, alle Jobs wären nach Zürich abgewandert. Viele Freunde sind bereits umgezogen oder pendeln notgedrungen an die Limmat.

Trotzdem: Eigentlich würde ich am liebsten gemeinsam mit Basel alt werden. Selbst wenn Markus Somm dem Vorbild Roger Köppels folgen und für den Basler Regierungsrat kandidieren würde. Aber dazu müsste er wohl erst nach Basel ziehen. Was er wohl nicht tun wird.

Er weiss nicht, was er verpasst.

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Titelbild von Pixabay