10 Fragen an eine Fahrkartenkontrollorin, die du schon immer mal stellen wolltest
Foto: Johannes Zinner / Wiener Linien

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10 Fragen

10 Fragen an eine Fahrkartenkontrollorin, die du schon immer mal stellen wolltest

Drückst du auch mal ein Auge zu? Bist du selbst schon mal schwarzgefahren? Freust du dich, wenn du jemanden erwischst?

Drei Worte, die unter die Haut gehen: "Die Fahrscheine, bitte." Wiener FahrkartenkontrollorInnen sind ungefähr so beliebt wie die Dementoren aus Harry Potter und werden von Einwohnern liebevoll "Schwarzkappler" geschimpft. Selbst wenn man sein Ticket stets gewissenhaft bei sich trägt – der bloße Anblick der neongelben Warnwesten am Ende einer Rolltreppen-Auffuhr reicht schon aus, um jedem Fahrgast einen Mini-Herzinfarkt zu verpassen.

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In Wien gibt es eigene Apps und Hashtags, die ganz rebellisch vor den Ticket-Kontrollen warnen sollen – obwohl die Wiener Linien die anstehenden Linien der KontrollorInnen auszugsweise sogar selbst veröffentlichen. Sylvie, 38, arbeitet seit nunmehr 11 Jahren als eine von rund 200 FahrscheinprüferInnen in Wien und merkt laut eigenen Aussagen genau, wenn ihr sie anlügt. Wir haben sie gefragt, ob sie schon mal schwarzgefahren ist und wann sie ein Auge zudrückt.

Warum wird man überhaupt Fahrkartenkontrollorin?
Der Grund, warum ich mich beworben hab, war mein Vater. Der hat jahrelang als Fahrer, Kontrollor und Revisor gearbeitet. Ich war dann zuerst lange bei der Stationsüberwachung, weil ich mit 19 noch zu jung war für die Fahrerei – fahren darf man erst ab 21. Irgendwann hab ich dann gesagt, ich schau mir mal an, wie das so ist, als Kontrollorgan zu arbeiten. Das hat mir dann so gefallen, dass ich es weitergemacht habe.

Bist du stolz auf deinen Beruf?
Schon, ja. Es ist auf jeden Fall ein abwechslungsreicher Job. Viele sagen natürlich: "Wie kannst du das bloß machen?" Aber ich meine – wie kann man Polizist sein? Wie kann man Parksherrif werden? Du nimmst eine Dienstleistung in Anspruch und musst dafür zahlen. Es heißt immer, wir sind die bösen Schwarzkappler – aber wo ich was nehme, muss ich eben auch was zahlen. Das ist einfach so. Darum finde ich meinen Beruf auch nicht so schlimm. Und immerhin kannst du auch nicht zum Billa reingehen, dir drei Semmerl nehmen und dann nicht dafür zahlen.

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Was sind die besten Ausreden, die du schon gehört hast?
"War heute so verwirrt, hab den Fahrschein vergessen", "Der Entwerter hat das Ticket gefressen", "Meinen Fahrschein hat der Hund geschluckt", "Ich wusste gar nicht, dass ich hier einen Fahrschein brauche", "Der Automat ist kaputt", "Ich wusste nicht, wo ich den Fahrschein zwicken soll" – Es gibt Millionen solcher Ausreden. Aber man kriegt mit der Zeit ein gewisses Know-how für die Leute. Es ist ein zwischenmenschliches Ding. Du spürst, wenn dir jemand ins Gesicht lügt.

Wo drückst du am ehesten ein Auge zu?
Einmal hatte ich zum Beispiel eine ältere Dame mit einer Parte in der Hand. Und die hat auch gar keine Ausrede gesucht. Sie meinte nur: "Ja, meinen Fahrschein habe ich vergessen. Aber mein Mann ist kürzlich gestorben, ich komme gerade vom Bestattungsunternehmen, schauen Sie, das hier sind alle Unterlagen." Und da weiß man dann, die hat im Moment andere Sorgen. Wie gesagt, dafür entwickelt man ein Fingerspitzengefühl.

Für mich persönlich ist es aber am schlimmsten, wenn die Leute anfangen, zu betteln – das wirkt dann immer so, als würden sie einfach die Mitleids-Tour fahren. Aber das zieht bei mir nicht. Natürlich könnte ich ein Auge zudrücken – ich könnte auch zwei Augen zudrücken, aber dann sehe ich gar nichts mehr. Auch, wenn jemand offensichtlich obdachlos ist und vielleicht streng riecht, gehe ich trotzdem hin und fordere den zum Aussteigen auf. Was man aber nicht ahnt: Die meisten haben sogar eine Jahreskarte, weil die einen Sachwalter haben. Andererseits gibt es aber auch wiederum viele Anzugträger, die keine Karte haben. Es gibt also keine soziale Schicht, die man pauschal als Schwarzfahrer einteilen kann.

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Freut man sich insgeheim, wenn man jemanden erwischt?
Nein. Freuen tut man sich überhaupt nicht. Also, das fände ich schlimm, wenn ich mich freuen würde – wenn es mich freuen würde, jemanden zu bestrafen, dann wäre ich im falschen Beruf. Ich glaube auch nicht, dass es Kollegen gibt, die sich darüber freuen. Was glaubst du denn, was wir uns nicht alles anhören dürfen? Die schimpfen uns teilweise von A bis Z. Also nein, schadenfroh sind wir sicher nicht. Ein Polizist freut sich auch nicht, wenn jemand zu schnell fährt.

Ab wie vielen Strafen war ein Arbeitstag erfolgreich?
Das ist egal. Es geht nicht um die Quote. Das ist ja keine Trophäenjagd. Einen guten Arbeitstag hatte ich dann, wenn ich gesund heimgehe. Und ohne viel Grant. Viele Leute fassen eine Fahrscheinkontrolle so persönlich auf, obwohl ich ja nichts gegen sie habe. Und natürlich nimmt man sich das zu Herzen, wenn einen jemand Fremdes schimpft, nur weil man seinen Job macht. Das war dann schon ein guter Tag, wenn man sich denkt: "Puh, heute waren's aber alle freundlich." Ich wünsche mir da generell einen respektvolleren Umgang miteinander. Wir kommen ja auch nicht unfreundlich auf die Fahrgäste zu.

Was muss man sich als Schwarzkapplerin alles gefallen lassen?
Grant – vor allem in der Früh. Manche haben halt einen schlechten Tag und das muss man hinnehmen. Wenn es jemandem auf den Nerv geht, dass er zehn Sekunden lang seine Fahrkarte herauskramen muss, dann soll er am besten nicht einsteigen. Und wenn man was zurück sagt, werden sie meistens noch grantiger – deshalb einfach zickig sein lassen. Einmal wurde ich auch von einer Dame körperlich angegriffen, die hat mich richtig umgestoßen. Als Frau kann es auch manchmal passieren, dass Männer einen als Kontrollorin nicht akzeptieren wollen oder einen erst gar nicht anschauen.

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Bist du selbst schon mal schwarzgefahren?
Nein, niemals. Ich schwöre. Dadurch, dass mein Papa bei den Wiener Linien war, hatte ich immer die Angehörigenkarte, als Lehrling hatte ich dann meinen Lehrlingsausweis und jetzt eine Jahreskarte. Dafür zahle ich aber umso mehr Strafe für Parktickets. So hat wohl jeder sein Laster.

Nennt ihr euch selbst Schwarzkappler?
Nein, das ist ja eine uralte Bezeichnung. Das kommt von den schwarzen Hüten, die die Kontrollore früher hatten. Aber wir untereinander verwenden das gar nicht. Wir sagen Kontrollorgan oder Fahrscheinprüfer.

Wie entkommt man dir am besten?
Gar nicht. Wir sind alle erwachsene Leute – wenn du keinen Fahrschein hast, steh dazu und lauf nicht weg. Die, die weglaufen, kriegen aber meistens eh so einen Schub, dass es sie letztendlich auf die Goschn haut.

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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