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Das "Denkmal der Schande" kommt vor Björn Höckes Haustür

Die Künstlergruppe "Zentrum für Politische Schönheit" errichtet einen "Ableger des Holocaust-Mahnmals" in Höckes Wohnort.
Das "Denkmal" vor Björn Höckes Wohnhaus | Foto: Patryk Witt | Zentrum für Politische Schönheit

"Die Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Das sagte Björn Höcke im Januar dieses Jahres in Dresden über das Berliner Holocaust-Mahnmal. In derselben Rede forderte der thüringische AfD-Vorsitzende auch eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Für Höcke ist offenbar nicht der Holocaust die Schande, sondern dass wir Deutsche uns noch immer an ihn erinnern. Die Berliner Künstlergruppe "Zentrum für Politische Schönheit" bringt nun die "Schande" vor Höckes Haustür. Direkt vor seinem Grundstück in Bornhagen errichten sie, das zeigen Fotos, die die Künstler veröffentlichten, ein weiteres Holocaust-Mahnmal.

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Bornhagen ist eine Thüringer Gemeinde mit 300 Einwohnern an der Grenze zu Hessen. Es gibt hier ein Wurstmuseum und eine jahrhundertealte Burgruine. Eine ideale Kulisse für Björn Höcke also, der gerne mal von "1.000 Jahren Deutschland" tönt. Vor einigen Jahren zog er mit seiner Familie aus Hessen in das Dorf. Anscheinend hat er sich dort gut vernetzt: Bei der letzten Landtags- und Bundestagswahl stimmte mehr als jeder dritte Wähler im Dorf für die AfD.

Bereits im Mai vergangenen Jahres demonstrierten hier Linke und Antifaschisten gegen Höcke. Jetzt zieht das Zentrum für Politische Schönheit nach. Auf einer am heutigen Mittwoch veröffentlichten Webseite und in einem dazugehörigen Video erklären die Künstler, sie hätten Anfang des Jahres ein Nachbargrundstück der Höckes angemietet. Am Mittwoch um 6 Uhr hätten sie mit dem Bau einer Replik des Holocaust-Mahnmals begonnen, kurze Zeit später veröffentlichten sie erste Fotos vom Bau. Darauf zu sehen: 24 Stelen, gegossen aus Beton, die man dem "Rechtsradikalen" und "Shootingstar des Rechtsextremismus" als persönliches "Denkmal der Schande" direkt vor die Nase gestellt hat. Die thüringische Polizei bestätigte auf Anfrage von VICE, dass das Zentrum sie über die Aktion informiert habe.

Auf der Aktionswebsite wirbt das Zentrum für Geldspenden und Unterstützer für das Projekt. Zudem drohen sie dem Thüringer AfD-Chef: Sollte Höcke nicht vor dem Berliner oder Bornhagener Mahnmal auf die Knie fallen, werde das Zentrum mehrere "aufschlussreiche Dossiers" über Höcke veröffentlichen. Weil der thüringische Verfassungsschutz Höcke trotz seiner Reden nicht beobachtet, behaupten die Mitglieder des Zentrums, den AfDler und seine Gäste seit zehn Monaten observiert zu haben und die Fortsetzung der selbsternannten "zivilgesellschaftliche Überwachung" zu planen.

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Kritik an diesem Erpressungsversuch will Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit nicht gelten lassen. "Gegen Nazis wenden wir nur Nazi-Methoden an", sagte der Künstler gegenüber Spiegel Online . Man mache in Bornhagen "aggressiven Humanismus". Das Zentrum hat sich außerdem die URL landolf-ladig.de gesichert. Unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" soll Björn Höcke für die rechtsextreme NPD geworben haben. Zu dem Schluss kam nicht nur der Soziologe Andreas Kemper, sondern auch ein Anwalt, den der AfD-Bundesvorstand mit einer Überprüfung des Vorwurfs beauftragt hatte.

Am Mittwochnachmittag erklärte Stefan Möller, Landessprecher der Thüringer AfD, in Bornhagen werde "gerade eine Schwelle überschritten". In der dafür eigens einberufenen Pressekonferenz sagte Möller weiterhin, die Künstler hätten die Kinder von der Familie Höcke durch ihre Aktion eingeschüchtert. "Solche Menschen, die einer Familie Angst machen, die Menschen stalken, das sind keine Künstler, das sind Täter." Einen Kniefall Höckes vor dem Denkmal solle niemand erwarten. Björn Höcke selbst werde sich vorerst nicht zu der Aktion äußern.

Zuvor hatte bereits der Thüringer AfD-Pressesprecher, Torben Braga, das Zentrum für Politische Kunst auf Twitter als "Verbrecher" bezeichnet. Der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier schrieb auf Facebook, er habe eine Strafanzeige gegen das Zentrum für Politische Schönheit und Philipp Ruch gestellt. Maier bezeichnete sich selbst mal als "kleiner Höcke". Auf eine Anfrage von VICE hat die AfD Thüringen bislang nicht reagiert.

VICE hat auch die Stiftung "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" kontaktiert, die das Holocaust-Mahnmal in Berlin pflegt. Sie will sich vorerst nicht äußern. Die Journalistin Lea Rosh, die die Errichtung des Mahnmals in Berlin mitinitiiert hatte, sagte der dpa, die Replik vor dem Haus Höckes sei "eine wunderbare Idee".

Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert.

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