Die Trans-Frau Jessica Fappit ist eine Pornodarstellerin, die shemale-klischees satt hat, hier in Dessous, Beine gespreizt und Hände im Intimbereich
Jessica Fappit | Foto: bereitgestellt von TSNaturalsXXX​

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Sex

Diese Trans-Porno-Website setzt auf echten Sex anstatt auf Shemale-Klischees

Wir haben mit Luna Loveless, der Schöpferin von "TSNaturalsXXX", und der Trans-Darstellerin Jessica Fappit über OPs, Vorurteile und den Druck in der Porno-Branche gesprochen.

In der Mainstream-Pornografie gibt es nur eine Art Trans-Frau: die mit großen Brüsten und einem großen Schwanz. So sieht es zumindest Luna Loveless, Model und Unternehmerin aus Montreal.

Weil diese eindimensionale Darstellung ihr sauer aufstieß, entschied sich Loveless dazu, eine eigene Porno-Produktionsfirma zu gründen. Ihre erste Website "TSNaturalsXXX" zeigt nun Trans-Frauen und nicht-binäre Menschen, die keine großen angleichenden Operationen hinter sich haben. Diese Voraussetzung soll ein Mittel gegen die laut Loveless unrealistischen Standards sein, die in den meisten Trans-Pornos gang und gäbe sind.

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Operationen würden hier aber nicht allgemein verteufelt, so Loveless. Das Ziel sei stattdessen, eine breite Palette an natürlichen Transgender-Körpern zu normalisieren, ein positives Körperbild voranzutreiben und gegen die Fetischisierung von Trans-Frauen und nicht-binären Menschen in der Porno-Industrie vorzugehen. Die Seite lässt den Darstellerinnen außerdem kreativen Freiraum und vermeidet damit das immer gleiche Schema der Mainstream-Porno-Unternehmen. So entsteht ein differenzierter und realistischer Blick auf die Trans-Sexualität.

Wir treffen uns mit Loveless, als sie gerade ein Shooting mit dem Model Jessica Fappit beendet. Bei unserem Gespräch geht es um Sex, Stigmata und die Rolle, die Trans-Pornos ihrer Meinung nach in der Toiletten-Debatte spielen.

 Luna Loveless, Model und Unternehmerin aus Montreal

Luna Loveless

VICE: Wie stehst du zu OPs? Warum sind Menschen mit größeren angleichenden Operationen auf deiner Seite nicht erlaubt?
Luna Loveless: Alles, was mit großen Brüsten oder rekonstruierten Gesichtern zu tun hat, will ich nicht auf meiner Seite haben. Viele Leute aus der Industrie sind der Meinung, dass die Darstellerinnen sich OPs unterziehen müssen. In Wahrheit reicht es den meisten Trans-Frauen aber, ihre Hormone zu nehmen und ein paar kleinere OPs durchführen zu lassen.

Meiner Meinung nach vermittelt das ein unrealistisches Bild von Geschlechtsangleichung. Es geht dabei nicht um Operationen und Erfüllungen von Erwartungen, sondern darum, sich in seinem Körper wohlzufühlen. Trans-Frauen sind Frauen, kein Zweifel. Sie müssen in ihrer natürlichen Form dargestellt werden. Das hilft dabei, sie in unserer Gesellschaft zu normalisieren.

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Es geht also darum, diesen Frauen mehr Selbstbestimmung zu geben?
Auf jeden Fall. Bei den Shootings können unsere Darstellerinnen das machen, worauf sie Lust haben. Sie dürfen sich so darstellen, wie sie das wollen.

Willst du damit ein Problem lösen, das in der Industrie vorherrscht?
Ich glaube, dass viele Menschen ihre Neugier in Bezug auf andere Leute und sexuelle Minderheiten mithilfe von Pornografie befriedigen. Die Trans-Porno-Industrie erlebt gerade einen Boom. Deshalb ist es auch so wichtig, Trans-Frauen realistisch darzustellen. Das geht über die Genitalien und Fetische hinaus.


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Jessica, du arbeitest ja auch in der Industrie. Wie hast du die Entwicklung von Trans-Pornos wahrgenommen?
Jessica Fappit: Das, was die Industrie als Trans-Pornos verkauft, sind in Wahrheit Shemale-Pornos. Die Produzenten wollen ein bestimmtes Schema. Wenn du nicht nach diesem Schema agieren willst, dann wirst du nicht engagiert. Ich selbst werde zum Beispiel nur sehr unregelmäßig gebucht, weil ich viele Dinge nicht mache, um kein schlechtes Licht auf die Trans-Community zu werfen. In anderen Worten: Ich habe zwar einen Penis, benutze ihn aber in keinem meiner Pornos. Bei den meisten Produktionsfirmen müsste ich mir jedoch mindestens einen runterholen, mir einen blasen lassen oder einen Typen in den Arsch ficken.

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Fast alle Trans-Frauen, die ich kenne, wollen nicht auf ihre Penisse reduziert werden. Und viele von ihnen stehen auch nicht darauf, ihn beim Sex zu benutzen. Die meisten Trans-Darstellerinnen machen das Ganze nur des Geldes wegen.

Wie verändert die Porno-Industrie das öffentliche Bild von Trans-Menschen?
Jessica: Alle berühmten Trans-Darstellerinnen haben viele OPs hinter sich: Ihren Gesichtern wurden weibliche Züge verpasst und sie haben vergrößerte Brüste und manchmal sogar vergrößerte Hintern. Die Industrie fördert auf jeden Fall eine bestimmte Art von Darstellerin.

Die Trans-Frau Jessica Fappit ist eine Pornodarstellerin und hat Shemale-Klischees satt

Jessica Fappit | Foto: bereitgestellt von TSNaturalsXXX

Diese Standards sind aber unerschwinglich. Ich meine, solche OPs kosten ja unglaublich viel Geld.
Jessica: Ja. Dadurch fühlen sich viele junge Trans-Frauen total verunsichert.
Luna: Vergangenes Jahr sind auch viele Leute aus der Industrie ausgestiegen, weil sie da nicht mehr Die Trans-Frau Jessica Fappit ist eine Pornodarstellerinmitmachen wollten.
Jessica: Eine der wichtigsten Operationen für Trans-Menschen ist die Geschlechtsangleichung. Danach ist man als Darstellerin in der Porno-Branche jedoch nicht mehr gefragt. Viele Frauen haben keine Karriere mehr, weil sie ihr Geschlecht umwandeln ließen.

Wie war es, als Luna dich kontaktiert hat? Wie denkst du über ihr Vorhaben?
Jessica: Ich glaube, viele Produzenten sind sich nicht bewusst, dass der Markt für Trans-Pornos nicht ausschließlich aus Typen besteht, die heimlich auf Schwänze stehen. Luna hat ja bereits gesagt, dass man durch Pornos neue Dinge entdeckt und dass Trans-Pornos gerade so angesagt sind wie nie zuvor.

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Ich habe im Laufe meines Lebens schon so oft erlebt, dass heterosexuelle Männer bei mir nicht weiterwissen. Sie glauben, nicht auf mich stehen zu können, weil ich ja einen Penis besitze. Bisexuelle und schwule Typen finden mich hingegen perfekt. Für die interessiere ich mich aber nicht. Aufgrund der Pornos haben Heteros einfach eine falsche Vorstellung. Vor ihrem geistigen Auge sehen sie eine körperlich komplett veränderte und auf weiblich getrimmte Trans-Frau, die einen Typen in den Mund oder in den Arsch bumst.

Nachdem ich eine Pause eingelegt hatte, stieg ich mit folgender Bedingung wieder in die Porno-Branche ein: Wenn ich vor der Kamera stehe, dann nur als Frau. Und Frauen holen sich keinen runter und ficken keine Männer in den Arsch. Ich will einfach ganz natürlich auftreten. Eine Tatsache wird immer unter den Teppich gekehrt: Viele Darstellerinnen wollen nicht heimlich fetischisiert oder ihrer Weiblichkeit beraubt werden.

"Viele Trans-Frauen fühlen sich dazu genötigt, ihr Geschlecht anzupassen, nur damit die Männer sie nicht mehr auf ihren Schwanz reduzieren. Das ist echt frustrierend."

Haltet ihr die gängige Darstellung von Trans-Menschen in Pornos für gefährlich?
Jessica: Was daran wirklich gefährlich ist? Wir stehen wie sexuell aggressive Menschen da, die ständig nur ficken wollen. Auf solchen falschen Annahmen basiert auch die ganze Toiletten-Diskussion. Aber schau mich an: Ich nehme die Bottom-Rolle ein. Ich will große, starke Männer daten, die mir erst Komplimente machen und mich dann ordentlich rannehmen. Aber auf Toiletten gehen und mich an Frauen ranschmeißen? Vergiss es!

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Wie wirkt sich das alles auf eure Interaktionen im echten Leben aus?
Jessica: Ich bin jetzt seit Längerem auf Tinder und die Männer dort sagen mir immer, dass sie hetero seien. Alles klar, ich will ja auch nicht, dass du meinen Penis berührst. Du sollst einfach nur Sex mit mir haben – wie mit einer normalen Frau, halt nur in ein anderes Loch. So etwas kommt den Leuten aber gar nicht erst in den Sinn, weil sie es aus den Pornos nur anders kennen.

Viele Trans-Frauen fühlen sich dazu genötigt, ihr Geschlecht anzupassen, nur damit die Männer sie nicht mehr auf ihren Schwanz reduzieren. Das ist echt frustrierend. Man will einfach nur weiblich sein, aber das ist nicht möglich, weil man nicht so sexualisiert wird wie normale Frauen. Ich kenne viele Trans-Darstellerinnen, die eine Zeit lang all die Dinge getan haben, die man in der Porno-Branche von ihnen erwartet hat. Dabei hatten sie aber immer folgenden Gedanken im Hinterkopf: "Ich hasse das und kann es kaum erwarten, eine Vagina zu haben."

Welchen Einfluss soll TSNaturalsXXX auf das Publikum haben?
Luna: Ich hoffe, dass den Trans-Porno-Fans eine Sache klar wird: Die Darstellerinnen sind vielschichtig. Es ist wichtig, sich damit zu befassen, wer diese Frauen sind und um was es ihnen geht. Und die Leute, die sich erst jetzt für Trans-Pornos interessieren, sollen wissen, dass es in Ordnung ist, Dinge durch Erotikfilme zu normalisieren. Man sollte bloß sichergehen, dass dabei alles richtig dargestellt wird.

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