Wir haben die Wiener Autoszene zur Forstinger-Pleite befragt
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Auto-Tuning

Wir haben die Wiener Autoszene zur Forstinger-Pleite befragt

Von "Tja, Pech gehabt" über "Ich war schockiert" bis zu "Forstinger-Tuning" als Schimpfwort war alles dabei.

Das Autogeschäft Forstinger ist pleite. Wie so oft im Fall von Insolvenzen bedeutet das zwar nicht das totale Aus – 700 der 823 Mitarbeiter sollen ihre Jobs behalten und das Unternehmen weitergeführt werden –, aber es ist zumindest ein Moment des Innehaltens und der Reflexion für viele, die mit Forstinger in seiner bisherigen Form aufgewachsen sind.

Die schwarz-gelbe Kette hatte schon immer einen recht eigenwilligen Produkt-Mix aus Werkstatt-Service, Do-it-Yourself-Tuning-Teilen, Aufklebern und Duftbäumen. Und nicht nur das: Viele in Wiens Autoszene haben hier ihre allerersten Erfahrungen mit Tuning und KFZ-Service gemacht.

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Für uns haben sie sich zurückerinnert, ihre Erfahrungen noch mal Revue passieren lassen und das gescheiterte Geschäftsmodell analysiert (so gut das ohne die Expertise eines Wirtschaftsprofessor eben möglich ist; dass es sich daher um Einzelmeinungen handelt, müssen wir hoffentlich nicht extra dazusagen).


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Dafür waren wir an einem Samstagabend zur Primetime auf der Triester Straße und bei der IQ-Tankstelle in Simmering auf der Suche nach denen, die an der Ampel ein bisschen schneller weg starten als du und für uns trotzdem ein paar Minuten angehalten haben. Spoiler: Es war nicht ganz wie bei der Fast and Furious-Reihe, aber schon ein bisschen.

Berkan

(BMW mit eingebauter Leuchte in der Fahrertür, die das Logo auf den Straßenboden projiziert.)

VICE: Wann ist Forstinger zum ersten Mal in dein Leben getreten?
Berkan: Mit 12 habe ich mir zum ersten Mal Sticker für die Felgen von meinem Vater gekauft. Wir haben immer auch Tuning-Teile gekauft. Damals, so 2008, war das echt beliebt. Heckleuchten, Felgen, Lenkradbezüge, solche Sachen. Wir haben selber eine Werkstatt und deshalb immer schon viel geschraubt.

Was ist deiner Meinung nach bei Forstinger falsch gelaufen?
Die haben ihre Mitarbeiter viel zu frei herumlaufen lassen. Die meisten Mechaniker haben gemacht, was sie wollen. Viele von denen haben angeblich in der Forstinger-Werkstatt zusätzlich private Aufträge angenommen und schwarz gepfuscht. Aber man kann da natürlich nicht alle in einen Topf werfen. Auch die Beratung in den Shops selbst war sehr unzuverlässig – die waren entweder gar nicht da, oder dauernd am Handy und unfreundlich. Außerdem hatte Forstinger nie die wirklich coolen Sachen, für die du extra hinfahren würdest.

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"Wenn man ein schlecht getuntes Auto sieht, sagt man: 'Schau, der hat Forstinger-Tuning'."

Welchen Ruf hat Forstinger in der Autoszene?
Wenn man ein schlecht getuntes Auto sieht, sagt man: "Schau, der hat Forstinger-Tuning", als wäre es ein Schimpfwort. Denn gute Produkte, wie meine Auspuffrohre von M-Performance, findest du dort nicht – zumindest nicht in der letzten Zeit.

Aber es gab eine Zeit, wo Forstinger "in" war, oder?
Schon. Aber ich würde sagen, so ab 2010 ist es bergab gegangen. Das Sortiment wurde kleiner und das Personal war auch nicht mehr das Beste. Die haben sich selber nicht ausgekannt. Ab 2014 wurde es dann wirklich schlecht, ab da hatten sie gar keine guten Produkte mehr lagernd.

Wirst du Forstinger vermissen?
Ich glaube, es ist besser für sie, wenn sie von der Bildfläche verschwinden. Es gibt schon viele Bessere am Markt. Durch die neuen Tuning-Firmen, die nach Österreich gekommen sind, hat Forstinger starke Konkurrenz bekommen. Da gibt es jetzt kleine, auf Marken spezialisierte Shops, wo viele hingehen. Mit meinem BMW geh ich zum Beispiel zu DMV im Zwölften. Oder ich fahr zur Magic Box. Forstinger hatte immer nur Universalteile, zum Beispiel eine Mittelarmlehne, aber das ist alles Standard – heutzutage willst du etwas Besonderes.

Yassin

(Audi A6 mit selbst angebrachtem Heckspoiler, Sportluftfilter, Beleuchtung und getönte Scheiben, "aber vom Motor her nix gemacht".)

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VICE: Hast du Erfahrungen mit Forstinger?
Yassin: Das erste Mal war ich vor zwei Jahren dort, aber seitdem oft.

Was schätzt du daran?
Wenn man etwas sucht, kannst du einfach hinfahren, nachfragen und die beantworten dir das. Die Qualität und die Preis-Leistung hat auch immer gepasst.

Was hast du dort gekauft?
Normale Sachen fürs Auto – Radios, Kühlmittel, Öl, dies das. Aber auch Tuning-Teile wie Heckspoiler, Sportluftfilter und so.

Wie hast du reagiert, als du erfahren hast, dass Forstinger insolvent ist?
Das hat mich schon schockiert. Die haben immer gut gearbeitet. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie pleite sind. Bei mir in Schwechat beim Forstinger war immer was los. Ich werde mir halt eine Alternative suchen, wahrscheinlich irgendwas im Internet.

Melih und Sofuoğlu

(BMW 530, drei Liter, auf 260 PS gechippt. "Wir sind Türken, BMW ist unser Traum, wir leben für BMW.")

VICE: Wie begann eure Forstinger-Story?
Melih: Forstinger war für Jugendliche eine gute, günstige Option. Mit 14, 15, als wir mit den Mopeds unterwegs waren, haben wir uns dort so schwarze LED-Lichter besorgt, auch wenn‘s die Polizei eigentlich nicht erlaubt hat.

Was war gut, was war schlecht?
Melih: Der Forstinger in Schwechat war immer super für Klumpert und Kleinigkeiten oder auch Motoröl. Wenn die Filiale schließt, gibt’s nichts mehr in der Nähe. Das KFZ-Service von Forstinger ist aber nicht so professionell. Da geh ich lieber in eine Garage.
Sofuoğlu: Ein Freund von mir war Mechaniker dort. Deswegen war ich oft bei ihm, mein Moped
reparieren. Aber ich habe schon schlechte Erfahrungen gemacht. Und teurer als alle anderen ist es auch.

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Wie, glaubt ihr, geht es weiter?
Melih: In Österreich ist ja vor zwei Jahren auch Baumax Pleite gegangen. Viele Unternehmen gehen in Konkurs und eröffnen mit neuem Besitzer und Namen. Ich kenn mich da ein bisschen aus, ich bin selbstständig. Das Ganze hat mit Politik und Steuern zu tun. Die Stadt greift immer die kleinen Geschäfte an. Die Großen ziehen einen über den Tisch, wo‘s geht, gehen in Konkurs und fangen dann wieder von Null an. Es ist so.

Werdet ihr Forstinger vermissen?
Sofuoğlu: Oja, schon.
Melih: Es war die schnelle Variante. Aber ich glaube, jemand anders übernimmt es einfach, so wie bei Niki und Zielpunkt. Es kommt immer jemand und rettet.

Mustafa

(Toyota Starlet, 1.3 Liter Saugdiesel, ohne Servo, "ohne nix".)

VICE: Du und Forstinger, was war da?
Mustafa: Ich habe Lampen fürs Auto gebraucht, das war das erste Mal. Da geht man ständig rein. Wenn du irgendwas brauchst, kleine Sachen, bist du normalerweise zum Forstinger gegangen. Aber jetzt schaust du zuerst ins Internet.

Und für größere Sachen, Umbauten am Auto oder so, für die geht man woanders hin?
Forstinger-Tuning brauchen wir nicht. Das ist nicht unser Standard. Es ist hässlich, es ist billig. Da gibt’s nur so Schnick-Schnack. Forstinger-Tuning ist, bevor ich jetzt was Schlimmeres sage, Geschmackssache.

"Tja, Pech gehabt. Was soll ich sagen? Es ist halt so – wenn man nichts tut, verliert man."

Was hat Forstinger für dich bedeutet?
Forstinger war der erste Anlaufpunkt, wo jeder als erstes seine Autosachen gekauft hat. Bevor die ganzen neuen Geschäfte gekommen sind. Aber Forstinger hat, wie viele andere alte Shops, nicht investiert. Hätte Forstinger auch was Gutes, Kundenfreundliches in Richtung Online-Bestellung gemacht, wäre es vielleicht nicht so weit gekommen. Aber da sind sie ein bisschen zurückgeblieben.

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Wirst du Forstinger vermissen?
Ich glaube schon ein bisschen. Auch wenn ich in den letzten Jahren nicht mehr so oft dort war.
Forstinger hat schon irgendwie zu Wien und Österreich gehört.

Wenn Forstinger eine Person wäre, wie würde dein Nachruf lauten?
"Tja, Pech gehabt." Was soll ich sagen? Es ist halt so – wenn man nichts tut, verliert man.

Momo

(Honda Civic, 330 PS, 2 Liter Dieselmotor, Kompressor, extra Turbo eingebaut.)

VICE: Können wir dich zu deinen Erfahrungen mit Forstinger befragen?
Momo: Ich war noch nie beim Forstinger. Es gibt Amazon, Ebay und auch Geschäfte, die billiger sind. Wieso sollte ich hingehen, wenn es dort teurer ist? Vor sieben Jahren habe ich meinen Führerschein gemacht und gleichzeitig begonnen, online Zubehör und Ersatzteile zu kaufen. Ich sag dir was: Was verdient ein Mechaniker wie ich? Einen Vierzehnhunderter vielleicht. Davon musst du dann Essen, Trinken, Miete zahlen. Wir haben dazu noch ein Auto. Irgendwo musst du also sparen. Und Autofahren ist kein Luxus, auf den ich verzichten könnte. Es gehört zum Leben dazu.

Peter und Christian

(125-Kubik-Moped und 50-Kubik-Moped.)

VICE: Was sagen die Zweiradler zum Forstinger?
Peter: Ah, da kann ich dir Einiges erzählen. Ich habe eine "Ride Naked" gehabt, 125 Kubik, die
Eigenmarke vom Forstinger. Die hat neu 1300 gekostet. Nach zwei Jahren bin ich zum Service, es war einiges kaputt. 300 Euro haben sie verrechnet, das weiß ich heute noch. Aber ein halbes Jahr später war ich wieder beim Forstinger, Pickerl machen und da: böse Überraschung.

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Was war genau?
Ich stell mein Moped rein und die sagen, tut uns leid, die Reparaturen fürs Pickerl machen 800 Euro. Sage ich: Das ist ja ein Wahnsinn! Nicht einmal vor einem Jahr habe ich ein komplettes Service bei euch gemacht, seitdem bin ich vielleicht 500 Kilometer gefahren.

Wie wurde dir das kommuniziert?
Ich bin ein junger Typ, ich habe kein Problem, wenn ich von dem Lagerhackler per Du angeredet
werde. Aber der war komplett inkompetent und alles war so wischiwaschi, der konnte mir nicht
einmal sagen, bis wann die Reparatur fertig sein wird.

Aber dann hat alles gepasst, oder?
Ich hatte gerade mein frisch repariertes Moped und steh mit Christian hier an der Tankstelle
und wir trinken unser Bier nach der Arbeit. Beim Heimfahren, ich bin gerade einmal bis zur ersten
Kreuzung gekommen, war wieder alles hin. Der Service ist inkompetent und die Mechaniker
verfügen nicht über das nötige Fachwissen.

Wieso glaubt ihr, ist das Geschäft bei Forstinger nicht mehr gut gelaufen?
Peter: Schau, wir hatten wirklich viel zu tun mit dem Forstinger, wir sind gleich dahinter
aufgewachsen, wir kennen ihn. Und ich bin echt kein hochnäsiger Mensch oder habe hohe
Ansprüche. Aber wenn du in den Forstinger reingekommen bist, war das für mich wie eine Totenhalle. Kein Ambiente, null Flair. Einen Mitarbeiter hast du auch nicht gefunden, denen musstest du immer nachrennen.
Christian: Hinten bei der Annahme hat man teilweise eine halbe Stunde warten müssen.
Peter: Die Kompetenz hat einfach zu Wünschen übrig gelassen. Ich bin selbst Handelskaufmann, ein bisschen kenn ich mich da also aus.

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Also war alles die Schuld der Mitarbeiter?
Peter: Nein, gar nicht. Eher die von Marketing, Vertrieb und Zentrale. Die haben sich in den letzten Jahren – gerade was die Internet-Konkurrenz angeht – zurückgelehnt, hatte ich das Gefühl.

Wer macht’s besser?
Peter: Der ATU, gleich hier daneben. Da ist jetzt auch nicht alles super, aber das ist das positivere Beispiel. Der macht ordentlich Werbung im Fernsehen. Da gehst du rein und weißt gleich, du bist in einem richtigen Geschäft: Da leuchtet's, es läuft Musik, da sind Mitarbeiter, da tut sich was.
Christian: Unsere aktuellen Maschinen haben wir auch von dort.

Armin

(Mercedes CLS, 265PS.)

VICE: Deine Forstinger-Analyse, bitte. Armin: Alleine das Design spiegelt meiner Meinung nach Österreich wider. Nicht umsonst übernehmen oft amerikanische Unternehmen die unseren, obwohl wir von der Qualität unserer Produkte sehr gut dabei sind. Das zeigt, dass Österreich in Bezug auf Design und Marketing einfach nicht soweit vorne ist wie andere Länder. Forstinger ist das beste Beispiel dafür. Weil: Was machen die falsch? Sie verkaufen Autoteile. Warum sollten sie also keinen Erfolg haben? Sie verkaufen nicht richtig, das ist der Grund.

"Ich bin mal in den Forstinger rein, und die hatten einen Fliesenboden. Einen Fliesenboden! Ich glaube, das sagt alles."

Was genau meinst du?
Ich bin mal in den Forstinger rein, und die hatten einen Fliesenboden. Einen Fliesenboden! Ich glaube, das sagt alles. Früher, bei unseren Großeltern oder so, war das vielleicht noch egal. Die legen keinen Wert darauf, wie ein Geschäft aussieht. Denen ist wichtig, dass sie ein kurzes, höfliches Gespräch mit dem Verkäufer führen und die Qualität passt. Aber bei uns heute geht es ums Gesamterlebnis. Die großen Supermärkte in Österreich zum Beispiel, die gibt’s auch schon lange. Aber die renovieren und bauen eben auch alle paar Jahre um. Das haben sie nie getan.

Was hättest du Forstinger geraten?
Die hätten ein richtiges Marketingkonzept gebraucht. Jedes gute Geschäft steht für etwas. Forstinger ist nie für irgendwas gestanden. Bitte, wer war ihre Zielgruppe? Ein paar Duftbäume und Armaturen – das kann dir auch die Tankstelle verkaufen.

Wie hätte es deiner Meinung nach besser funktioniert?
Stell dir vor, sie hätten ein besseres Design und große Automarken als Partner, dann hättest du
hingehen können. Aber sie haben niemanden als Partner gehabt. Forstinger ist ein Autogeschäft aus vergangenen Zeiten. Früher war der heimische Markt noch nicht so umkämpft. Heute gibt es neue Player, und die Kunden trauen sich, erwarten mehr. Du musst jetzt mehr können, als nur Autoteile verkaufen.

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