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Schlägerei

In Dresden sollen sich 70 Ausländer geprügelt haben

Doch inzwischen ist sich die Polizei nicht mehr sicher, ob es wirklich so viele waren. Und wo sie herkamen.
Symbolfoto: Die Dresdner Neustadt im Mai 2017 | imago | Sven Ellger

Auch an diesem Montag werden sich in Dresden wieder Menschen versammeln, die sich für das Deutscheste seit der Erfindung des Bismarkherings halten. Die Halsschlagadern des letzten verbliebenen Pegidistenhäufleins dürften dieses Mal besonders erregt pulsieren, denn am Samstagabend wurde ihnen vermeintlich eine Steilvorlage für ihre ausländer- und muslimenfeindlichen Parolen geliefert.

Die Polizei Dresden berichtete am Sonntag in einer Pressemitteilung von einer Schlägerei mit 70 Beteiligten, die sich am Abend davor gegen 20:20 Uhr auf dem Dresdner Alaunplatz ereignet haben soll. Dabei sollen laut Polizei auch ein Messer und mindestens eine abgeschlagene Bierflasche zum Einsatz gekommen sein. Bei dieser "Massenschlägerei", von der die Presse schnell schrieb, erlitten ein 15-jähriger Syrer und ein 20-jähriger Iraker Schnittverletzungen. Von weiteren Verletzten war trotz der angeblich zahlreichen Teilnehmer nichts bekannt. Laut Polizei stammten die Verdächtigen "augenscheinlich mehrheitlich aus dem nordafrikanischen/arabischen Raum". Das behaupteten zumindest Zeugen.

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Denn die Polizei traf erst ein, als sich die Massenkeilerei wieder aufgelöst hatte. Die meisten Beteiligten waren zu diesem Zeitpunkt laut Zeugen bereits in angrenzende Straßen und Höfe der Dresdner Neustadt geflüchtet. Zum Grund für die Auseinandersetzung ist nichts bekannt. Bei späteren Kontrollen stellte die Polizei einen Schlagring und geringe Mengen Betäubungsmittel sicher.

Pediga und die AfD Dresden nahmen die Fälle auf ihren Facebook-Seiten dankend auf und machten damit für ihre Sache Stimmung. Wie schon beim vermeintlichen Ausländermob von Schorndorf, der sich im Nachhinein als Falschmeldung herausstellte. Am Sonntag tauchte ein Video auf, das angeblich am gleichen Tag in der Prager Straße zwischen 18 und 19 Uhr entstanden ist. Es zeigt Szenen einer pro-palästinensischen Veranstaltung. Der Inhaber des Accounts stellt in seinem Post einen Zusammenhang mit der angeblichen Massenschlägerei am viereinhalb Kilometer entfernten Alaunplatz her. Wie er drauf kommt, ist unklar, ebenso, was genau auf dem Alaunplatz geschehen ist.

Jens Matthis, der Vorsitzende der Linken in Dresden war am Samstagabend vor Ort und äußerte in einem Facebook-Kommentar und gegenüber VICE Zweifel an der Zahl der Beteiligten.

Zwar sei er nicht Zeuge der Schlägerei gewesen, sagte Matthis zu VICE, jedoch sei er kurz danach am Alaunplatz eingetroffen. Dort sei alles ruhig gewesen. Nichts habe darauf hingedeutet, dass hier gerade eine Massenschlägerei stattgefunden habe, auch nicht die Menge der Leute, die er dort antraf. "Die Zahl 70 halte ich nach meinem persönlichen Eindruck für unwahrscheinlich", sagte Matthis. "Als die Polizei dann kam, ist sie kurz ausgestiegen und gleich wieder abgedüst. Es war ja wie gesagt kein Täter mehr vor Ort, außer der Verletzte. Ich würde die Zahl kritisch hinterfragen."

Auch die Polizei Dresden will im Gespräch mit VICE nicht mehr bestätigen, dass am Samstagabend 70 Menschen aufeinander losgingen. "Die Zahl der wirklich Beteiligten müssen wir mit einem Fragezeichen versehen", sagte eine Sprecherin der Polizei zu VICE. "Die Zeugen sprechen eher von maximal 20 Personen auf der einen Seite und maximal 30 Personen auf der anderen." Selbst dann wären es insgesamt höchstens 50, es könnten aber auch weniger gewesen sein.

Zwar haben Einsatzkräfte im Nachgang der Schlägerei von verschiedenen Leuten die Personalien aufgenommen. Ob diese jedoch wirklich beteiligt waren und wie viele es insgesamt waren, konnte die Polizeisprecherin am Montagnachmittag nicht sagen. Die Zahlen seien noch nicht im Computer erfasst und es liege noch kein Bericht der zuständigen Kollegen vor.

Ganz unaufgeregt und ohne Pegida-Schreikrampf zusammengefasst sieht die Situation also so aus: Die Polizei hat vor Ort keine 70 Personen festgestellt und weiß letztlich nicht, wie viele Menschen wirklich an der vermeintlichen Massenschlägerei beteiligt waren. Auch die Herkunft der Beteiligten ist noch zu klären, genauso wie die Gründe für die Auseinandersetzung.

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