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Sex

Was zur Hölle ist eigentlich "Beischlafdiebstahl"?

Auf den Spuren eines Verbrechens, das beinahe zu seltsam klingt, um wahr zu sein.
Fotos: imago | Chromorange

Sex kann einen manchmal teurer zu stehen kommen, als einem lieb ist. Selbst wenn man ohnehin vorhatte, dafür zu bezahlen. So erging es vier Männern, die bei einem Bordellbesuch einer Prostituierten die PIN einer ihrer EC-Karten verrieten und anschließend um mehrere tausend Euro erleichtert wurden. Anfang September steht die Sexarbeiterin wegen "Beischlafdiebstahls" vor Gericht, berichtete die Hannoversche Allgemeine. Und das ist nicht der einzige Fall, der dem Begriff Safer Sex eine ganz neue Bedeutung gibt.

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Deutsche Touristen auf Mallorca werden laut einem Bericht des Focus immer wieder nach dem Sex abgezogen, eine Hamburger Prostituierte stahl mehreren Freiern ihre Luxusuhren und eine Krefelderin wurde von einer Chatbekanntschaft beklaut, mit der sie sich für einen One-Night-Stand verabredet hatte.

Die wohl spektakulärste Geschichte zum Thema Beischlafdiebstahl kommt allerdings aus Neu-Ulm und ist schon ein paar Jahre alt. Ein Mann hatte der Polizei folgende Story zu Protokoll gegeben: Ihn habe eine Frau mit Rollator, "Buckel" und Blindenbinde beklaut. Sie habe mehrere hundert Euro aus seinem Geldbeutel genommen, während er auf der Toilette war. Beim anschließenden Sex habe sie außerdem mehrfach den Höhepunkt vorgetäuscht, "um so den Geschlechtsverkehr zu beschleunigen und zu beenden". Anschließend sei sie abgehauen.

So unterschiedlich die Geschichten auch sein mögen, sie haben eins gemeinsam: den etwas seltsam klingenden Tatbestand Beischlafdiebstahl. Aber was soll das eigentlich sein?


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Was im ersten Moment verdächtig nach Sexualdelikt klingt, bezeichnet einen Diebstahl, der "im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr" steht, sagt die allwissende Wikipedia. Das heißt: Wer mit einer anderen Person schläft und ihr anschließend den Geldbeutel klaut, ist ein Beischlafdieb. Beischlafdiebstahl ist dabei ein kriminologischer Begriff. Ein Begriff also, der in keinem Gesetzestext vorkommt, sondern seitens der Polizei verwendet wird, um Verbrechen differenzierter erfassen, einordnen und auswerten zu können, so wie Ladendiebstahl beispielsweise. Ein Beischlafdieb wird gesetzlich nicht anders behandelt als jeder andere Dieb und kann nach Paragraph 242 beziehungsweise 243 des Strafgesetzbuchs belangt werden.

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Das Handwörterbuch der Kriminologie nennt auch den "hochstaplerisch auftretenden Dieb, [der] die Bekanntschaft alleinstehender Frauen macht, sie in intimer Situation zum Ablegen des Schmucks veranlasst […] und im geeigneten Augenblick verschwindet" als Beispiel für einen Beischlafdieb. Tatsächlich wird diese Art des Verbrechens aber vor allem im Prostitutionsmilieu begangen.

Konkrete Zahlen findet man dazu nicht, es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass nicht jeder, der nach einem Sexualakt Wertgegenstände vermisst, zur Polizei geht. Laut dem Handwörterbuch der Kriminologie steige die Wahrscheinlichkeit einer Anzeige mit der Höhe des entwendeten Betrags. Sie sinke aber wieder, wenn das Opfer sich in einer hohen oder "empfindlichen" gesellschaftlichen Position befinde – und somit kein Interesse daran hat, dass die Bordellbesuche an die Öffentlichkeit gelangen.

Wir fassen also zusammen: Beischlafdiebstahl ist die sexy Version davon, auf offener Straße beklaut zu werden. Und so gut sich der Begriff auch in Überschriften macht – konkretere Informationen dazu, wie oft das wirklich vorkommt, gibt es nicht.

Zumindest im Fall der buckligen Blinden aus Neu-Ulm stellte sich allerdings heraus: alles nur falscher Alarm. Auf Nachfrage der Südwest Presse erklärte eine Sprecherin der Polizei, dass das vermeintliche Opfer die Anzeige zurückgezogen habe. Der 63-Jährige habe das Geld zwischenzeitlich wiedergefunden.

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