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Rechtsradikale

Neonazi-Betriebsräte unterwandern die Belegschaft bei Daimler

Ihr Chef spielte früher in einer Rechtsrock-Band, zu deren Fans auch der NSU gehörte.
Symbolfoto: imago | Metodi Popow

Es kann sicher nicht schaden, wenn man als Gewerkschafter weiß, wie man Menschenmassen in Wallung versetzt. Oliver Hilburger, Chef und Gründer der rechten Gewerkschaft Zentrum Automobil weiß das besonders gut. Bis 2008 war er Gitarrist der Rechtsrock-Band Noie Werte. Bei deren Konzerten zeigten schon mal 800 Neonazis den Hitlergruß, während der Frontmann Rudolf Hess besang.

Hilburgers Kleingewerkschaft versucht schon länger, die Belegschaft beim Autobauer Daimler mit rechtsradikalem Positionen für sich zu gewinnen – nach neuen Recherchen von Report Mainz und des Stern benutzen sie dabei auch Nazi-Parolen.

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Der bisherige Chefbetriebsrat Andreas Brandmeier soll demnach in einer Mail an ein Gewerkschaftsmitglied mit einem Foto seines neuesten Nazi-Plunders geprahlt haben: einem Schild mit Hakenkreuz-Druck und der Aufschrift "Der deutsche Gruß heißt Heil Hitler". Der Empfänger leitete die Mail an Journalisten von Report Mainz und des Stern weiter. Außerdem, so der Informant weiter, habe Brandmeier in E-Mails Witze über Juden und Menschen türkischer Herkunft verbreitet. Andreas Brandmeier selbst wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern – er kandidiert derzeit erneut für einen Betriebsratsposten in bei Daimler.

Der Rechtsrock-Musiker Oliver Hilburger gründete Zentrum Automobil bereits 2010. Bei den letzten Betriebsratswahlen im Daimler-Stammwerk Stuttgart-Untertürkheim holte die Gewerkschaft zehn Prozent der Stimmen und damit vier Sitze im Betriebsrat. Mit der E-Mail von Brandmeier konfrontiert, sagte Hilburger, sie sei "definitiv und eindeutig eine Fälschung". Was ihn so absolut sicher macht, ließ er gegenüber Report Mainz allerdings offen. Auch seine Zeit bei der Neonazi-Band, die in Deutschland als Wegbereiter für das rechtsextreme Netzwerk Blood and Honour gilt, kommentierte er eher kryptisch: "Die zwanzig Jahre sind sicher nicht abgeschlossen in einem Feld und auf einmal ist man was andres. Das sicherlich nicht. Ich kann Ihre Titulierung 'Nazilieder' hören, da haben wir sicherlich eine andere Auffassung." In einem früheren Statement hatte er die Jahre bei Noie Werte einmal als "Jugendsünden" bezeichnet. Die Rechtsterroristen des NSU fanden diese Jugendsünden so toll, dass sie eine Version eines Bekennervideos mit Musik von Noie Werte unterlegte.

Ein weiteres Vorstandsmitglied der rechten Gewerkschaft soll laut den Recherchen jahrelang eine wichtige Rolle in der Wiking Jugend gespielt haben, dem naziuniform-tragenden und im Jahr 2000 verbotenen Sammelbecken für Faschisten, Antisemiten und Hitler-Verehrer. Am Rande einer Betriebsratssitzung soll das Vorstandsmitglied vor Zeugen den Holocaust geleugnet haben.

Trotz der rechten Umtriebe in der Belegschaft habe der Daimler-Konzern eine Interviewanfrage gegenüber Report Mainz abgelehnt. Grundsätzlich sei politisches Engagement Privatsache der Beschäftigten, hieß es in einer Stellungnahme. Ein Teil dieser Beschäftigten, die sich bei Zentrum Automobil zusammengefunden haben, plant schon den nächsten Schritt: Für die kommende Betriebsratswahl im März stellt die Organisation 187 Kandidaten auf und Ableger bei BMW und Opel gibt es auch schon. Und unter dem Namen "Ein Prozent" versuchen verschiedene Organisationen der sogenannten Neuen Rechten indessen, das Modell von Zentrum Automobil deutschlandweit auf Gewerkschaften auszuweiten.

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