Der VICE Guide zu Schweiß
Alle Fotos: Rebecca Rütten

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Sex

Der VICE Guide zu Schweiß

Wir wissen, dass ihr jetzt Hilfe braucht.

Ich weiß, wie es euch gerade geht: Draußen ballert die Sonne, alles ist voll mit schönen Menschen in Muskelshirts und Hotpants, die sich anlächeln und nachher (alle) tollen Sex haben werden, und ihr sitzt hinter runtergezogenen Rollläden und traut euch nicht raus, weil: SCHWEISS! Ach, welch grausamer Gott hat sich den ausgedacht!

Sobald es draußen auch nur ein bisschen schön wird, fängt euer Körper an, euch zu sabotieren. Schweißrinnsale unter den Achseln, am Rücken, unter den Brüsten. Make-up lässt euch nach fünf Minuten aussehen wie ein Horror-Clown. Ihr lehnt euch nach einem harten Tag in der U-Bahn an die Scheibe und als ihr aussteigen wollt, klebt euer Arm fest. Ihr saßt zu lange auf einem Stuhl und dann merkt ihr beim Aufstehen, dass ihr einen feuchten Fleck hinterlassen habt, und dann müsst ihr euch sofort wieder hinsetzen und schnell mit der Hose nochmal seitlich drüberrutschen, damit niemand das sieht. Schweiß ist wirklich das Allerletzte, oder?

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Nein! Ist es nicht! VICE ist gekommen, um euch diese einfache Botschaft zu vermitteln: Alle schwitzen, und Schweiß ist geil. Ja, wirklich! Wisst ihr zum Beispiel, wie ihr aussehen würdet, wenn ihr nicht schwitzen müsstet? Sucht euch mal den nächsten Hund und schaut euch an, wie dem die Zunge aus dem Maul hängt. Das ist so, weil Hunde keine Schweißporen in der Haut haben. Um nicht zu überhitzen, müssen die Viecher also permanent die Zunge aus dem Gesicht hängen lassen. Ist das wirklich besser? Wollt ihr das? Wollt ihr durch den Sommer hecheln? Eben. Schweiß ist geil, und dieser Guide wird euch jetzt genau erklären, wieso. Und dann noch ein paar andere lebenswichtige Fragen beantworten, die ihr rund um Schweiß habt, zum Beispiel: Wenn man sich die Achseln botoxen lässt, um nicht zu schwitzen, wo geht der Schweiß dann hin?

Fertig? Dann los.

Warum Schweiß?

Gut, die Grundlagen zuerst: Wie ihr wahrscheinlich alle wisst, muss der Körper schwitzen, damit er nicht überhitzt. Wenn das Wärmezentrum des Gehirns von den etwa 30.000 (!) "Wärmefühlern" an der Haut mitgeteilt bekommt, dass es zu warm ist, dann befiehlt es den drei Millionen Schweißdrüsen (!!!) in der Haut, loszuschwitzen. Die sondern dann ein salziges Sekret ab, das hauptsächlich aus Wasser, Mineralstoffen, Spurenelementen, Eiweißen, Fettsäuren und Harnstoff besteht (wir haben ja gesagt, dass es sexy wird). Im Durchschnitt schwitzt man 200 bis 700 Milliliter am Tag, wenn es richtig anstrengend wird, kann man aber bis zu einen Liter in der Stunde verlieren.

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Schweißtreibendes Video: VICE meets Benjamin Köhler


Aber warum schwitzt man, wenn man zum Beispiel Angst bekommt? Auch das hat gute Gründe: erstens, weil das Hirn den Körper schonmal im Voraus runterkühlt, weil es annimmt, dass es gleich zu Action (Faustkampf mit dem Abteilungsleiter/ schreiend und mit den Armen wedelnd vor Teenagern an der S-Bahn-Station wegrennen) kommt. Außerdem ist der Schweiß praktisch, weil er deinen Körper rutschig und damit schwerer zu fassen macht. Pro-Tipp für die nächste Club-Schlägerei deshalb: Sofort komplett nackt ausziehen – das macht sowieso Eindruck, weil du vermittelst, dass du es mit dem Fight sehr, sehr ernst meinst.

Schweiß stinkt, und das ist auch gut so!

Stimmt nicht ganz! Frischer Schweiß stinkt nicht. Und jetzt wird es richtig interessant. Es gibt zwei verschiedene Sorten Schweißdrüsen: die unschuldigen und die verruchten. In der Wissenschaft heißen die unschuldigen "ekkrine Schweißdrüsen", sie sind sehr klein (ø0,4mm), es gibt davon Millionen über den ganzen Körper verteilt, und sie sind wirklich nur dazu da, um den Körper abzukühlen.

Viel interessanter, viel aufregender, viel erwachsener sind aber die "apokrinen Schweißdrüsen". Die fangen erst in der Pubertät an zu funktionieren, dann legen sie aber richtig los: Apokrine Drüsen sind viel größer (ø3-5mm) und sitzen ausschließlich an Haarwurzeln, und zwar unter den Achseln, um die Brustwarzen, im Genitalbereich und auf der Kopfhaut. Dort sondern sie dann mit Pheromonen angereicherten Schweiß ab, der auf der Haut mit Hauttalg und Bakterien reagiert (yum!), die dann dafür sorgen, dass ein bestimmter Geruch entsteht. Dieser Geruch bist du.

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Und dieser Geruch ist es auch, der dafür sorgt, dass Weibchen oder Männchen unserer Spezies überhaupt auf den Gedanken kommen, sich mit dir zu paaren: Unsere Nasen sind dafür gebaut, die Pheromone anderer Menschen aufzunehmen und unterbewusst zu analysieren. Ob uns der Geruch eines anderen Menschen gefällt, ist wahrscheinlich der wichtigste Faktor in der Partnerwahl überhaupt. Oder, wie Wikipedia das ausdrückt: "Daher spielen Duftdrüsen oft eine nicht unwesentliche Rolle im Sozial- und Sexualverhalten". Womit wir gleich beim nächsten Thema wären:

Schweiß ist Sex und Sex ist Schweiß

Eins haben wir ja schon geklärt: Ohne Schweiß gäbe es überhaupt keinen Sex. Aber dann gibt es noch sehr, sehr viele andere Gründe, warum Schweiß und Sex zusammengehören. Zum Beispiel: Wenn der Schweiß eure Körper nicht glitschig machen würde, würdet ihr ständig aneinander hängenbleiben und euch dabei gegenseitig schmerzhafte Abriebspuren hinterlassen. Will doch keiner!

Und dann ist der Schweiß auch einfach der Beweis dafür, dass beide sich nach Kräften Mühe geben, und das ist für eine erfolgsorientierte Knatterei nunmal auch wichtig. Aber zu guter Letzt ist es ganz einfach: Wenn du die Person, mit der du Sex hast, attraktiv findest, dann hängt das sowieso mit ihrem Schweiß zusammen, und dann willst du auch mehr davon.

Gut, es gibt offenbar auch Leute, die übertreiben das mit dem Schwitzen beim Sex vielleicht ein bisschen. Wenn ihr in dieser Situation seid, müsst ihr halt ein bisschen vorarbeiten: Ventilator hinstellen, Kühlpacks bereit halten, notfalls einen Gummiüberzug aufs Bett. Wenn ihr Glück habt, geht es euch dann irgendwann wie Pawlows läufiger Hündin, und ihr könnt gar nicht mehr an einem Ventilator vorbeilaufen, ohne dass sofort die apokrinen Drüsen in eurer Analregion anspringen. Such sexiness!

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Wie viel du schwitzt, sagt nichts über dich als Mensch aus

Nur weil dir der Schweiß in Bächen von Stirn und Rücken rinnt, musst du dich nicht im Keller verstecken. Jeder schwitzt anders. Das hängt von so vielen – auch genetischen – Faktoren ab, dass man es kaum sinnvoll aufdröseln kann. Klar, wenn du 120 Kilo wiegst, sonst nicht so an Sport gewöhnt bist und plötzlich dem Bus hinterherrennen musst, dann wirst du mehr schwitzen als Usain Bolt in derselben Lage. Andererseits schwitzen sehr sportliche Menschen auch mehr – weil ihre Körper sich schneller darauf vorbereiten, sich gleich abkühlen zu müssen.

Auch das Schwitzen, das nichts mit Bewegung zu tun hat, kann bei jedem andere Auslöser haben: scharfes Essen, Saufen, Prüfungen, Lügen, Flirten. Aber wie wir jetzt ja schon gelernt haben: Schwitzen hätte dir früher das Leben gerettet. Erzähl das deinem nächsten Date, wenn dir vor Aufregung der Schweiß von der Stirn tropft.

Und Kopf hoch! Es gibt Menschen, die schwitzen noch mehr – und zwar auch wenn es draußen Minusgrade hat. Das heißt Hyperhidrose und nervt dann natürlich schon irgendwann. Ist meistens angeboren, bricht oft erst später aus und kann auch von selbst wieder aufhören. Menschen mit Hyperhidrose kommen oft in einen Teufelskreis: Sie schwitzen, dann sind sie gestresst, weil sie schwitzen, und dann schwitzen sie noch mehr. Was man dagegen tun kann, das weiß deine Ärztin am besten.

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Kann man sich totschwitzen?

Gut, dass du fragst! Die Antwort ist: ja, absolut. Wenn man im Sommer so munter vor sich hin schwitzt, verliert man schon mal ordentlich Wasser. Flüssigkeitsverlust wegen starken Schwitzens kann zu Dehydration führen. Du bekommst Durst und deine Haut wird trocken. Aber hey, kein Problem, einfach genug Wasser trinken. Siehst du plötzlich aus wie ein Reptil, hast Augenringe wie nach der Afterhour und dein Herz rast auch ohne 10 Tassen Kaffee? Geh zu deiner Ärztin! Verliert dein Körper zu viel Wasser, bekommt er einen Schock und der kann tödlich sein. Vom Schwitzen kann man also wirklich sterben.

Wenn man nie Salz isst, ist Schweiß trotzdem salzig?

Erstens: Es ist praktisch unmöglich, gar kein Salz zu essen. Denn Salz steckt in allem, was im Tiefkühlregal, an der Wurst- und Käsetheke liegt. Jede Pflanze, die aus dem Boden organische Mineralien zu sich nimmt, enthält automatisch auch Salz. Also: Auch vegan lebende Menschen, die ohnehin keine Fertigprodukte essen, nehmen Salz zu sich! Sux für deine strikte Anti-Salz-Diät, ist aber auch wieder ganz OK, weil du sonst sterben würdest.

Zweitens: Schweiß besteht zwar zu 98 Prozent aus Wasser, dazu kommen Kochsalz, Kalium und Hydrogenkarbonat. Der Salzgehalt in deinem Schweiß unterscheidet sich aber fast nicht von dem anderer Menschen, egal ob du viel oder wenig Salz isst. Aber: Wer viel Salz isst, schwitzt eindeutig mehr. Das liegt daran, dass das vegetative Nervensystem durch zu viel Salz unnötig stimuliert wird und damit die Aktivität der Schweißdrüsen anregt. Also ja, wer weniger schwitzen will, sollte weniger Salz über die Pommes im Freibad streuen. Immer diese Entscheidungen!

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Schweiß ist gut für die Haut, aber nicht so gut für die Haare

Verschwitzte Haare sehen vielleicht ganz sexy aus, trotzdem ist Schweiß nicht toll für deine Haare – der Salzgehalt trocknet sie nämlich aus. Ganz anders ist das bei deiner Haut: Wer unter trockener Haut leidet, hat im Sommer Glück – denn Schwitzen macht schöne Haut! Die im Schweiß enthaltenen körpereigenen Lipide wirken wie eine Bodylotion. Da die Schweißdrüsen am ganzen Körper verteilt sind, sorgt Schwitzen für eine gleichmäßige Verteilung auf der Hautoberfläche. Du kannst deine teuren Cremes bei 32 Grad im Schatten im Schrank lassen.

Wenn man sich die Achseln botoxen lässt, um nicht zu schwitzen, wo geht das Zeug dann hin?

Wie ihr vielleicht schon gemerkt habt, sind wir große Schweiß-Fans. Fast schon pervers, wie sehr wir euren Schweiß lieben. Aber gut, es gibt auch Menschen, denen wird das irgendwann doch zu viel (zum Beispiel den Hyperhidrotikern von oben). Die haben dann verschiedene Möglichkeiten, die Schweißabsonderung ihres Körpers einzudämmen. Eine davon ist Botulinum, besser bekannt als Botox.

Botox ist ein Nervengift. Spritzt du dir das in die Achseln, blockiert das die Nervenversorgung deiner Schweißdrüsen – es kommen keine Infos zur Schweißbildung an. Doch nur da, wo du dir das Botox spritzt. Klar muss der Schweiß irgendwo anders raus. Wenn du dir Botox in die Achseln spritzt, kann es sein, dass du vermehrt am Rücken oder im Nacken schwitzt, was weniger unangenehm sein kann und am Rücken großflächiger wäre. Es entstehen also einfach keine nervigen Schweißränder unter den Armen deines Shirts. Und wer die Diagnose "fokale Hyperhidrose" hat, schwitzt zum Beispiel nur an bestimmten Stellen wie den Achselhöhlen besonders viel – das ist dann abgestellt. Die Behandlung hält jedoch nur ein paar Monate an. Wer dry sein will, muss zahlen!

Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt

Das hat mein alter Musiklehrer uns am Anfang jeder Stunde gesagt, und deshalb muss es stimmen. Was er sonst noch gerne gesagt hat: "Disziplin ist Klarheit in den Dingen, die man tut!" Beides sehr gute Grundsätze, an die man sich immer halten sollte. Leider hat er es selber nicht so wirklich hinbekommen und hat den Job ein paar Jahre später verloren, weil er zu viel getrunken hat. Tja, das ist jetzt ein bisschen ein Downer zum Schluss, aber so ist das halt im echten Leben. Die Welt besteht nicht nur aus attraktiven jungen Menschen, die sich gegenseitig schwitzig pimpern! Es gibt auch noch genug Frust und Einsamkeit da draußen.

Und deshalb solltet ihr dankbar sein, dass eure Schweißdrüsen funktionieren und fleißig eure Lockstoffe in die Welt ausdünsten. Rennt raus auf die nächste Wiese, spielt Volleyball oder Ultimate Frisbee oder irgendeinen anderen Hipster-Sport eurer Wahl, schwitzt euch mal so richtig durch, und dann tanzt den Tanz der Pheromone! Ihr komischen, komischen Affen.

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