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Verbrechen

Martin Lejeune wird verprügelt und sieht sich als Opfer eines Mordanschlags

Der Erdoğan-Unterstützer wird am Rande eines Prozesses in Bremen verprügelt. "Sechs Männer traten mein Gesicht kaputt. Keine Prügelei, Anschlag", twittert er. Und lädt noch Videos aus dem Krankenhaus hoch.

Screenshot aus dem Video "Gerichtszeuge Martin Lejeune berichtet aus der Notaufnahme vom Mordanschlag Landgericht Bremen" von Martin Lejeune.

Martin Lejeune hat mal wieder eins auf die Nase bekommen und vergleicht sich auf Twitter mit niemand Geringerem als einem toten Jugendlichen. Der politische Aktivist, der sich selbst als "aktivierender Journalist" betitelt, wurde am Rande eines Gerichtsprozesses in Bremen angegriffen. Dabei trug er leichte Verletzungen im Gesicht davon. Lejeune sollte vor Gericht als Zeuge aussagen, Thema der Verhandlung war der Totschlag eines syrischen Jungen in der Silvesternacht 2016. Die drei Angeklagten im Alter von 35, 24 und 16 Jahren sollen den 15-Jährigen nach einem Streit in Bremen-Blumenthal so stark verletzt haben, dass er wenige Tage später im Krankenhaus verstarb.

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Falls ihr Martin Lejeune nicht einordnen könnt, hier eine kurze Rekapitulation seiner bisherigen Ausfälle: Lejeune schrieb bis 2014 für das Neue Deutschland, die taz und die Junge Welt. Weil er weder unabhängig noch faktennah berichtete, beendeten die Geschäftspartner die Zusammenarbeit. Heute unterstützt Lejeune den salafistischen Verein Ansaar International und den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Er belegte 2016 den sechsten Platz in der Liste der peinlichsten Berliner des tip-Magazins.

Warum gerade Martin Lejeune als Zeuge im Prozess landete, wird erst nach einem Blick auf seine Social-Media-Kanäle deutlich. Dort hatte er, überzeugter PKK-Gegner, sich bereits im Januar die Rolle des Partei-Experten zugeschrieben. Die Angeklagten sollen aus dem kurdischen Kulturkreis stammen und der PKK nahestehen. Letzteres schrieb Lejeune im Januar auf seinem Twitter-Account:

Lejeune kam ohne Einladung zum ersten Prozesstag

Auf die Nachfrage eines Users, worauf Lejeune seine Anschuldigungen gründet, gab es bisher keine Antwort. Weil Lejeune Erkenntnisse habe, die über die Ermittlungsakten hinausgehen, sollte er im Prozess als Zeuge vorgeladen werden – allerdings nicht am ersten Prozesstag, wie ein Sprecher des Bremer Landgerichts VICE mitteilt. Das habe Lejeune gewusst, er sei aber trotzdem erschienen, so der Sprecher weiter. Damit er die Verhandlung vor seiner Aussage nicht verfolgen kann und seine Angaben damit nicht verfälscht werden, schickte die Richterin den Zeugen aus dem Verhandlungssaal.

Und hier fängt die Lejeune-Show an. Man habe ihn auf dem Weg nach draußen beschimpft und attackiert. "Mir wurden auf dem Weg Beine gestellt", beschreibt er die Szene in einem Video, das er auf YouTube veröffentlicht hat.

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Doch es geht noch weiter. Er habe sich dann draußen vor das Gerichtsgebäude gestellt, erzählt Lejeune, dort hätten ihn "fünf bis sechs" Männer von hinten angegriffen (in einem ersten Video, das er nach dem Vorfall scheinbar heimlich im Krankenwagen aufnahm, spricht er noch von drei Angreifern). Die mutmaßlichen Täter hätten ihn gegen Kopf und Rippen getreten und dabei seine Brille zerstört, sagt er. Im Video und auf zahlreichen Fotos, die Lejeune anschließend auf seinen Kanälen postete, sind ein blaues Auge und einige Kratzer an Nase, Stirn und Kinn zu sehen.

Für unbescholtene Betrachter mag das alles auf eine gewöhnliche Schlägerei hindeuten. Das sieht auch das Gericht so: "Es gab eine Auseinandersetzung vor dem Gebäude", sagt der Sprecher des Landgerichts. Der Notarzt, der in Lejeunes Undercover-Video zu hören ist, ist da ähnlicher Meinung: "Sie sehen etwas lädiert aus, aber das wissen Sie sicher selbst."

"Das ist die gleiche Bettwäsche. Es könnte sogar dieselbe sein wie bei Odai."

Martin Lejeune weiß das – und er schlachtet es in gewohnter Dramatik aus: Die mutmaßlichen Täter, die aus dem Umfeld der Angeklagten kommen und PKK-Anhänger sein sollen, hätten ihn direkt vor "vier bis fünf" parkenden Polizeiautos attackiert, berichtet er aus der Notaufnahme. Lejeune findet überdies, das Gericht mache keinen guten Eindruck, wenn es zulasse, dass Zeugen am Rande eines Prozesses verletzt werden. Er zieht Parallelen zwischen sich und dem zu Tode geprügelten Jugendlichen: Lejeune liege nun in jenem Krankenhaus, in dem auch Odai K. starb, man habe "dieselben Methoden" angewandt, auch der Junge habe Tritte gegen den Kopf bekommen. Dann setzt er zum großen Finale an: "Es ist den Bürgern der Stadt zu verdanken, dass ich vor diesem Mordanschlag gerettet wurde. Die Polizei hat keine Verfolgung aufgenommen."

Die Polizei habe die Auseinandersetzung nicht beobachtet, ein Ermittlungsverfahren sei aber eingeleitet wurden, sagt der Sprecher des Bremer Landgerichts auf Nachfrage von VICE. Lejeune selbst schreibt auf Twitter, die Polizei sei "untätig" gewesen. Dass die mutmaßlichen Täter bisher nicht ausfindig gemacht wurden, liegt möglicherweise aber auch daran, dass Lejeune sie nicht beschreiben konnte. Das sieht man im ersten Video, bei dem er sich unter anderem während der Vernehmung selbst filmt. Auch von einem "Mordanschlag" sagt er in diesem etwa fünfminütigen Film noch nichts.

Wie sich Lejeune in die Opferrolle stilisiert, nimmt verstörende Züge an. Auf Twitter postet er Fotos von sich im Krankenhaus, überschrieben mit Erdoğan-Zitaten oder Seite an Seite mit Bildern des sterbenden Jungen: "Das ist die gleiche Bettwäsche. Es könnte sogar dieselbe sein wie bei Odai."

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