Wir waren bei der "ProBorders"-Show in Spielfeld, die unsere Grenze vor 13 Refugees schützen soll
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Schwarz-blaue Geschichten

Wir waren bei der "ProBorders"-Show in Spielfeld, die unsere Grenze vor 13 Refugees schützen soll

Die aufgebrachte Menge beginnt die Fäuste in die Luft zu strecken und dabei "Refugee! Refugee!" zu rufen.

Im Rahmen eines großen Medienspektakels stellten Innenminister Herbert Kickl und Verteidigungsminister Mario Kunasek gestern die neue Grenzschutztruppe "Puma" vor. Das Anfang 2016 errichtete "Türl mit Seitenteilen" am Grenzübergang Spielfeld-Šentilj wurde einer "Belastungsprobe" unterzogen: Im simulierten Ansturm einer größeren Masse "Fremder" auf die Staatsgrenze, sollte demonstrieren werden, "dass unsere Abwehr funktioniert".

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Doch das eigentliche Übungsziel der großen "ProBorders"-Show mit etwa 800 Polizistinnen und Polizisten sowie Soldatinnen und Soldaten dürfte wohl ein anderes gewesen sein.

Um kurz vor 8 Uhr geht es los: Herbert Kickl und Mario Kunasek betreten mit dem steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ein ehemals für Geflüchtete errichtetes, mittlerweile seit Jahren leerstehendes Zelt. Zirka 80 MedienvertreterInnen erwarten sie. Die Minister rufen die laut Kickl "traumatischen" Geschehnisse aus dem Herbst 2015 in Erinnerung. Er meint damit die Solidaritätsbekundungen im Rahmen des "Refugees Welcome"-Empfangs unter anderem am Wiener Westbahnhof.

Der Landeshauptmann ergänzt: Mit "schlotternden Knien" habe er sich damals beinahe täglich dem Chaos an der Grenze gestellt. Das werde sich nicht mehr wiederholen, denn jetzt sei "eine andere Regierung da", ergänzt der Verteidigungsminister.

Und Innenminister Kickl erklärt: "Wir haben weitere Möglichkeiten im Fall der Fälle entsprechende Notmaßnahmen zu setzen. Über die möchte ich jetzt noch gar nicht sprechen, aber es gibt noch immer einen Schritt, den man drauflegen kann, wenn es notwendig ist, und die Situation es erfordert." Was man der Show, die nun folgt, noch drauflegen kann, möchte ich mir nicht vorstellen.

Um eine guten Aussicht auf die folgende Vorstellung zu bieten, werden die Journalistinnen und Journalisten, die auch aus mehreren Nachbarländern Österreichs angereist sind, auf eine eigens aufgestellte Tribüne gebeten. Gleich daneben befindet sich eine weitere, auf der bereits 100 BeobachterInnen aus Politik, Polizei und Militär Platz genommen haben – auch unter ihnen einige Vertretung aus dem Ausland.

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Zunächst ist alles friedlich. Einige wenige Testpersonen, vom Kommentator der Vorführung über die Lautsprecher konsequent als "Fremde" bezeichnet, nähern sich dem Grenzzaun. Dargestellt werden die Menschen auf der Flucht von insgesamt rund 200 Polizeischülerinnen und -schülern in Freizeitkleidung.

Wer bei der Registrierung die Voraussetzungen für den Grenzübertritt nicht erfüllt, wird gleich wieder nach Slowenien zurückgeschickt. Beinahe synchron mit der Ankunft einer bereits größeren Menge "Fremder" rückt dann eine weitere Formation an Sicherheitskräften vor. Bis es immer lauter wird.

Die aufgebrachte Menge beginnt die Fäuste in die Luft zu strecken und dabei "Refugee! Refugee!" zu rufen. Aus versteckten Lautsprechern tönt zusätzlich eine tumultartige Geräuschkulisse. "Sie sehen, die Lage an der Grenze ist dabei zu eskalieren", erklärt der Kommentator.

Die Lage eskaliert – wenig überraschend – natürlich nicht. Es handelt sich immer noch um Polizei, die "Fremde" spielt, und einen skurrilen PR-Stunt. Eine neue Einheit kommt mit schwerem Gerät, Wasserwerfern und einem Pandur mit Schwenkflügelgitter. Mehrere Hubschrauber, darunter zwei "Black Hawks", bringen weitere Verstärkung über den Luftweg. Mittendrin befindet sich die neu in Dienst gestellte Einheit "Puma".

Nach etwa 30 Minuten ist die Vorführung auch schon wieder vorbei. Wohlwollender Applaus von der Nebentribüne mit den Ehrengästen.

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Bei der PR-Aktion handelt sich um keine tatsächliche Probe der Polizei. Proben finden ohne Tribünen statt, Proben dauern länger als eine halbe Stunde. Proben sind kein Medienspektakel. Proben haben meist mehr als einen Durchlauf. Proben werden meist nicht durch Lautsprecher für das Publikum kommentiert. Proben simulieren echte Gefahrensituation so, dass die Polizei dabei ihre Kenntnisse beweisen und notfalls verbessern kann.

Das, was hier da passiert, ist ziemlich einfach als Inszenierung zu durchschauen, die Angst vor einer Bedrohung schüren soll, die nicht vorhanden ist. Trotzdem berichten Medien im Anschluss vollkommen unkritisch über die PR-Aktion des Regierung. Und übernehmen noch dazu – wie auch die Polizei – den Hashtag der Aktion: #ProBorders. Manfred Sellner, Sprecher der rechtsextremen "Identitären Bewegung", beanspruchte auf Twitter nicht zu Unrecht die Urheberschaft des Begriffes: "Unsere Demoparolen werden Truppenübungen", schrieb er erfreut. Die Redewendung ist in der rechten Szene weit verbreitet. Positive Rückmeldungen gibt es also. Wenn auch nur aus einer einschlägigen Richtung.

"Unvermeidlich ein sehr negativer Effekt in Slowenien, wahrscheinlich aber auch in Österreich."

Sloweniens Premierminister ist da hingegen etwas kritischer und bezeichnet die Aktion als "ziemlich provokativ". Schon im Vorfeld hatte auch Sloweniens Innenministerin Vesna Györkös Znidar in einem Brief an ihren österreichischen Amtskollegen gegen die geplante Übung protestiert: "Die Darstellung von Massenankünften illegaler Migranten von slowenischer auf die österreichische Seite wird unvermeidlich einen sehr negativen Effekt in Slowenien, wahrscheinlich aber auch in Österreich haben", schrieb sie. Nur ist dieser negative Effekt eben leider genau das, was die Regierung mit Aktionen wie dieser erzielen möchte.

Unmittelbar bevor Österreich – neuerdings Mittelpunkt der "Achse der Willigen" – nächste Woche den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernimmt, gilt es also, nach innen und nach außen ein bestimmtes Bild zu entsenden: So wie an diesem Vormittag in Spielfeld soll es also aussehen, dieses neue "Europa, das schützt", wie es das Bundeskanzleramt nennt.

Was sich in Spielfeld an allen anderen Tagen des Jahres abspielt, wenn tatsächlich Grenzeinsätze stattfinden, erklärte Fritz Grundnig von der Landespolizei Steiermark in einem Interview: "Die Zahl der Flüchtlinge, die direkt an der Grenze stehen, ist praktisch Null." Österreich hat dieses Jahr ganze 13 Personen nach Slowenien zurückgewiesen. Das ist eine Person alle zwei Wochen.

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