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Hass im Netz

Shahak Shapira sprüht rassistische Botschaften vor die deutsche Twitter-Zentrale

"Ich habe 300 rassistische Tweets gemeldet, nur neun Mal bekam ich eine Antwort von Twitter."

Wenn Shahak Shapira etwas anpisst, dann will er, dass das die Welt mitbekommt. So wie im Januar, als der Künstler und Autor bei seiner Aktion #yolocaust Selfies von Touristen am Berliner-Holocaust Mahnmal in Bilder von KZs retuschierte. Sein neuestes Ziel: Twitter.

Die Mitarbeiter der deutschen Twitter-Zentrale in in Hamburg-Altona mussten über ein Feld aus Hass gehen, als sie am Freitagmorgen zur Arbeit kamen: "Hitler tat nichts falsch, der Holocaust ist eine Lüge", "Hängen so ein Dreckspack", "Retweet if you hate Muslims" – der ganze Bordstein sorgfältig vollgesprüht mit Hass-Tweets. Dazwischen: "Ey Twitter, löscht den Scheiß." Viele dieser Sprüche waren tatsächlich noch online. Nun veröffentlichte der 29-jährige Shapira ein Video, in dem er zeigt, dass er hinter der Aktion steckt.

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Laut der Richtlinien von Twitter dürfen Tweets Personen nicht "direkt angreifen oder ihnen drohen, wenn diese Äußerungen aufgrund von Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, nationaler Herkunft, (…) religiöser Zugehörigkeit" enthalten. Aber allzu genau scheint es Twitter damit nicht zu nehmen. Bei einer Umfrage von Buzzfeed mit 2.700 Twitter-Nutzern berichteten 90 Prozent jener, die Beiträge gemeldet hatten, dass nichts geschehen sei. Auch eine Untersuchung der EU-Kommission im letzten Dezember ergab, dass Twitter noch seltener und noch langsamer Hate-Speech löscht als YouTube oder Facebook. Ende Juni verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das soziale Plattformen zwingen soll, strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen oder zu sperren. Aber weil das offenbar auch nicht hilft, griff Shahak zur Spraydose. Wir haben mit ihm über seine Aktion gesprochen.

VICE: Wie bist du auf die Idee für die Aktion gekommen?
Shahak Shapira: Mich hat vor langer Zeit mal eine Frau in einem Tweet ziemlich krass beleidigt, und ich habe es bei Twitter gemeldet. An den genauen Inhalt kann ich mich nicht mehr erinnern, aber damit es überhaupt so weit kommt, dass ich jemanden melde, muss es schon ziemlich schlimm gewesen sein. Der Tweet wurde erst nicht gelöscht. Ich habe dann einen Screenshot davon gemacht und diesen bei Twitter hochgeladen. Er wurde tausend Mal geretweetet. Twitter hat mir ein paar Tage später schließlich eine Nachricht geschickt und geschrieben, dass der Post doch gelöscht wird – ich nehme an, es gab Stress wegen der vielen Retweets. Ich fand es besorgniserregend, dass erst die Reichweite solcher Inhalte Twitter dazu motiviert, sie von der Plattform zu nehmen. Da habe ich mir überlegt: Was würde passieren, wenn ich sechs Monate Hasskommentare melde? Am Ende habe ich insgesamt 500 Posts auf Twitter und Facebook gemeldet.

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Das waren alles Beiträge, die an dich gerichtet waren?
Die meisten gingen nicht an mich. Mir war wichtig, dass das Projekt auch andere Menschen mit einbezieht – es gibt ja viel Hass im Internet.

Ein paar der gemeldeten Tweets wurden tatsächlich gelöscht. Wie hast du davon erfahren?
Durch Zufall. Twitter verspricht eine Benachrichtigung, sobald die Meldung bearbeitet wurde. Das ist aber in meinem Fall nur bei neun von 300 Meldungen passiert. Manchmal wurden tatsächlich die ganzen Accounts gesperrt – auch, weil andere Menschen sie wegen anderer Tweets schon mal gemeldet hatten. Ein, zwei Mal hat Twitter die Kommentare in Deutschland gelöscht, in den USA aber stehen lassen. Es wirkte auf mich so, als ob das getan wurde, damit ich die Fresse halte.

Hast du darüber nachgedacht, die Urheber der Tweets anzuzeigen?
Es sollte eigentlich im Interesse von Twitter sein zuzusehen, dass solche Sachen auf der Plattform nicht passieren – unabhängig davon, ob es eine Straftat ist oder nicht. Für mich ist es unmöglich, die Urheber der Tweets ausfindig zu machen. Ich weiß auch nicht, ob sie nur gelöscht oder auch strafrechtlich verfolgt werden. Die Hasskommentare einfach zu ignorieren, war für mich aber keine Lösung.

Per Gesetz müssen Portalbetreiber strafbare Inhalte binnen 24 Stunden löschen. Hat Twitter mittlerweile auf deine Aktion reagiert?
Nein. Als wir die Tweets vor die deutsche Twitter-Zentrale gesprüht haben, hat ein Mann kurze Zeit später den Bürgersteig vor dem Gebäude gereinigt, das ist alles. Ich weiß allerdings nicht, ob derjenige von Twitter geschickt wurde, oder jemand anderes ihm den Auftrag gegeben hat.

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