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Kranker Scheiß

Kranker Scheiß aus dem Leben eines Schlussmachers

"Grüße Sie, ich komme von ihrer Frau und überbringe die Botschaft, dass sie nicht mehr will."
Drei Mülltonnen mit gebrochenen Herzen und den Namen Markus, Stefan und Isabel
Foto: imago | Ikon Images und pixabay

Trennungen sind nie schön. Egal ob man zu der Sorte Mensch gehört, die einen geraden Schlussstrich ziehen kann oder immer wieder nervenaufreibende "Diesmal ist es wirklich vorbei"- Trennungen durchleben muss, jemanden zu verlassen bleibt scheiße. Doch zum Glück leben wir im 21. Jahrhundert: Es lässt sich praktisch alles outsourcen. Das dachte sich auch Peter Treichl und erklärte sich selbst zum professionellen Schlussmacher.

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Wir haben mit ihm gesprochen, und ihm nach dem krankesten Scheiß aus dem Leben eines Schlussmachers gefragt.

Wie macht ein Profi Schluss?

Das Trennen von Beziehungen geht ziemlich schnell. Ich läute an und sage zum Beispiel: "Grüße Sie, ich komme von ihrer Frau und überbringe die Botschaft, dass sie nimmer will." Wenn ich den Grund dafür nenne, reagieren die meisten Menschen defensiv. Sie sagen zum Beispiel, dass das nicht stimme. Meistens komme ich morgens vorbei, wenn die Menschen gerade im Stress sind. Das ist gut, so haben sie den Rest des Tages, um die Trennung zu verarbeiten. Wenn ich anläute, sind die Leute oft noch nicht einmal ganz angezogen. Einmal hat mir ein Herr aufgemacht, der ist noch in Unterhose dagestanden und hat sein Hemd noch in der Hand gehabt. Hinter ihm rannte eine Frau vorbei, die war nackt und schrie: "Wer is'n des?". Er hatte die Sachen von seiner Frau schon zusammengepackt. Er hatte sogar schon eine Neue. Das hat auch seine Frau gewusst. Deshalb wollte sie nicht mehr mit ihm zusammen sein.

Meistens passt es eh schon lang nimmer. Manche nehmen es eben lustig auf, andere überhaupt nicht. Manchmal wurde schon nach einer versteckten Kamera gesucht. Irgendwann haben bisher alle gemerkt, dass es wahr ist.

Von "Gelbe Karte" bis Luxustrennung

Insgesamt gibt es vier Schlussmach-Pakete. Das Paket "Trennung vor Ort" für rund 365 Euro wird am häufigsten genommen. Ansonsten gibt es zu diesem Preis noch das Paket "Lass uns Freunde bleiben" und die Gelbe Karte. Die Gelbe Karte ist eine Verwarnung. Sie signalisiert: noch ein Vergehen und ich trenne mich von dir. Und dann gibt es noch die Luxustrennung. Die kostet rund 2000 Euro und kann unbegrenzt teuer werden, je nachdem, was man zum Trost schenken will. Da sind die Leute sehr erfinderisch, oft wegen ihres schlechten Gewissens. Einer wollte seiner Frau eine dreiwöchige Trennungsreise schenken. Ein anderer hat seiner Ex einen Mini geschenkt. Ich habe die Trennungen kürzlich verteuert. Es war nämlich oft so, dass die Leute mich hinschickten, dann aber doch ein schlechtes Gewissen bekamen und es sich anders überlegten.


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Trennungsbox als Trost

Beim Schlussmachen überreiche ich eine sogenannte Trennungsbox. Sie besteht aus Sekt, Schokolade, einer Taschentuchpackung und einem Gutschein für die Partnervermittlungsagentur, die ich zusätzlich zu der Trennungsagentur habe. Ich war schon 20 Jahre Partnervermittler, bevor ich nebenbei Schlussmacher wurde. Anfangs sagte man mir, dass es pervers sei, dass ein Partnervermittler eine Trennungsagentur aufmacht. Aber es ist ein rundes Konzept. Keiner will mehr alleine sein, aber in einer unglücklichen Beziehung möchte man auch nicht sein. Egal ob mit oder ohne Angaben von Gründen – ich überbringe die Botschaft. Aber ich sage auch: "Wissen Sie was – kein Mensch muss alleine bleiben. Hier haben Sie einen Gutschein." Früher hab ich auch eine Proleten-Box gehabt. Darin war einfach ein Schnaps.

Peter Treichl mit der Schlussmachbox

Dieses und das nachfolgende Foto: © Duty

Ein Jahresabo fürs Schlussmachen

Die Stoßzeiten für Trennungen sind nach Weihnachten und nach den Ferien. Nach Weihnachten gehen die meisten Beziehungen auseinander. Man verbringt zu viel Zeit miteinander, man streitet sich viel, hat zu viele Erwartungen und ist im Stress. Einmal musste ich innerhalb von ein paar Tagen sieben Trennungen durchführen. Es kommt vor, dass ich vor dem Freundeskreis mit dem Ex-Partner oder der Partnerin Schluss machen soll, weil die Betroffenen ihrem Partner oder der Partnerin etwas heimzahlen wollen. Aber das mache ich prinzipiell nicht. Ein Fall, den ich auch nicht angenommen habe, war ein 23-jähriger "Playboy", der ein Jahresabo von mir haben wollte. Er sagte, er lerne zwei, drei Frauen im Monat kennen und es sei dann immer so schwer mit diesen Schluss zu machen. Es hätte sein Gewissen erleichtert.

Manchmal melden sich die Leute auch um ein Uhr früh, weil sie so unglücklich sind. Einmal hat jemand mich angerufen und mich angefleht, sofort loszufahren. Er war gerade für zwei Monate auf einem Boot auf der Nordsee unterwegs und er hatte erfahren, dass seine Frau ihn betrogen hatte. Aber meistens passt es eh schon lang nicht mehr. Ich überbringe nur eine Botschaft. Innerlich haben sich viele Paare eh schon längst getrennt.

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"Schatzi, der Schlussmacher ist da!"

Aber ich habe nicht nur junge Kunden. Der älteste Mann, der mich je gebeten hat, mit seiner Frau Schluss zu machen, war 76. Seine Partnerin war 74. Der Mann hat mich beauftragt, weil sie nicht mehr mit ihm geredet hat. Sie hat zu allem "Passt schon, Schatzi" gesagt. Sie haben nicht mehr kommuniziert. Als ich zu ihnen nach Hause kam, rief er: "Schatzi, der Schlussmacher ist da!" Sie ist zu mir gekommen und ich habe ihr die Trennungsbox gegeben und gesagt: "Liebe Grüße von ihrem Mann. Warum ich da bin? Sie reden nicht mehr mit ihm und er hält das einfach nicht mehr aus. Alleine bleiben müssen Sie nicht, hier haben Sie einen Gutschein." Ich habe mich umgedreht und sie sagen hören: "Schatzi, ich glaube wir müssen reden."Es ging gut aus. Sie sind doch zusammengeblieben.

Der Schlussmacher vor seinem Auto

"Ich bringe die Leute zusammen, aber auch auseinander"

In vielen Fällen können Paare einfach nicht kommunizieren und trauen sich nicht, mit ihrem Partner zu sprechen. Häufig aber trauen sie sich nicht zu sagen, dass sie sich in jemand anderen verliebt haben. 80 Prozent meiner Kunden sind deshalb froh, dass es aus ist. Bei meinem ersten Fall machte ich mit einer Frau Schluss, die erstmal einen Sekt aufgemacht hat, und mit mir feierte. Auch sie hatte bereits jemanden anderen.

In den USA ist es gang und gäbe über eine dritte Person Schluss zu machen. Da gibt es eine Containerfirma, die den Leuten beim Schluss machen hilft. Wenn jemand Schluss machen möchten, schickt diese Firma eine Mail an den oder die Verflossene. Da steht drin, dass mit ihnen Schluss gemacht wurde und wo sie den Container finden können, in welchem ihre Sachen eingelagert sind. Ich sehe die Zukunft des Schlussmachens bei uns ebenso. Das ist einfach ein moderner Lifestyle. Heutzutage sollte alles einfach und bequem sein. Warum nicht auch das Schlussmachen? Viele machen über Whatsapp oder Facebook Schluss. Da hat meine Art zumindest mehr Anstand. Man geht ja auch zu Partnervermittlungsagenturen, warum also nicht zu Trennungsagenturen? Ich bringe die Leute zusammen, aber ich bringe sie auch auseinander.

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