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Ich habe versucht, mir mit Elektroschocks das Trinken abzugewöhnen

Am Ende trank ich nur noch, um mir selbst Stromschläge verabreichen zu können.

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Wie so viele andere, die mit Jackass aufgewachsen sind, bin ich von selbstzugefügten Elektroschocks fasziniert. Als Kind habe ich mir Batterien an die Zunge gehalten und es geliebt, meinen Freunden mit elektrisierenden Scherzartikeln Streiche zu spielen. Im College zwang ich andere dann zu Trinkspielen, bei denen die Verlierer an dieses Gerät mussten. Als ich dann über einen Artikel auf ein Gerät aufmerksam geworden war, das einem schlechte Angewohnheiten mit Stromschlägen austreiben soll, war klar, dass ich um einen Selbstversuch nicht herumkommen würde.

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Die Firma hinter dem Produkt, Pavlok, verkauft ein Armband ähnlich wie Fitbit. Anstatt allerdings deine Kalorien und Schritte zu zählen, hast du mit dem Pavlok'schen Gerät (der Name kommt nicht von ungefähr) eine High-End-Batterie am Handgelenk, die dir bei Fehlverhalten Elektroschocks verabreicht. Das Armband soll seinen Träger sogar soweit konditionieren, dass er irgendwann seine schlechten Angewohnheiten mit einem leicht schmerzenden Elektroschock verbindet—auch wenn er den Pavlok gar nicht mehr trägt.

Ach ja, der Erfinder des Produkt hat es übrigens geschafft, dass Mr. Wonderful aus der US-Version von Die Höhle der Löwen ihn mit den Worten "DU BIST EIN ARSCHLOCH, VERPISS DICH" aus der Sendung gejagt hat.

Sims McGrath, Pavloks Marketing und PR Manager, meinte zu mir, dass sich Menschen mit dem Gerät schon die unterschiedlichsten Laster abgewöhnt haben und "der Pavlok öfter bei einer Pornosucht zum Einsatz kommen würde, als man denkt." Zum Glück (oder leider) waren Pornos nicht mein Problem. Ja, eigentlich läuft mein Leben in ziemlich geordneten Bahnen: Ich rauche nicht, ich esse gesund und ich treibe sogar ziemlich regelmäßig Sport. Die einzige Sache, die ich aus eigenem Antrieb nicht wirklich in den Griff bekomme, ist mein Alkoholkonsum. Ich konsumiere im Durchschnitt zehn Drinks pro Woche, manchmal auch mehr—fast genug, um als "exzessiver Trinker" eingestuft zu werden.

Nein, ich bin kein Alkoholiker, aber mein Körper (und mein Geldbeutel) würde definitiv von etwas Mäßigung profitieren. Laut der Pavlok-Seite machen sich die ersten Veränderungen schon nach fünf Tagen bemerkbar. Wenn ich das also eine Weile durchziehe, würde ich am Ende meines Experiments ein anderer Mensch sein—oder zumindest ein etwas nüchternerer.

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Keine Ahnung, wie ich mir die Funktionsweise des Armbands genau vorgestellt hatte, aber meine Enttäuschung war schon ziemlich groß, als ich herausfand, dass ich jedes Mal beim Trinken einen Knopf drücken muss, um mir selbst einen Stromschlag zu verpassen. Für den stolzen Preis von 200 US-Dollar hatte ich irgendwie mehr erwartet. Mit einem Gummiband, das ich mir bei jedem Schluck Alkohol gegen das Handgelenk flitschen lasse, wäre ich auf jeden Fall billiger weggekommen.

Laut Anleitung soll man einfach mit seinen Lastern weitermachen, sich dabei aber jedes Mal einen Stromschlag verpassen. Schon bald würde ich die schlechte Angewohnheit automatisch mit dem Schmerz des Elektroschocks assoziieren und unterbewusst damit aufhören. So die Theorie.

Der erste Schlag war nicht gerade der heftige Stromschlag, den ich mir ausgemalt hatte—selbst bei voller Leistung nicht. OK, das Gefühl war schon komisch, aber wehgetan hat es nicht.

"Das größte Missverständnis beim Pavlok scheint zu sein, dass der Stromschlag schmerzvoll ist", sagte McGrath dazu. "Das ist er nicht, aber er ist definitiv unangenehm. Die Leute sind von der Vorstellung erst mal ziemlich eingeschüchtert, aber sobald sie es ausprobiert haben—und das Gerät auf eine entsprechende Intensität eingestellt haben—, sagt fast jeder, dass er sich vorstellen kann, damit seine schlechten Angewohnheiten zu ändern."

Die folgenden Tage trank ich also wie gewohnt weiter und drückte bei jedem Schluck den großen Knopf an meinem Handgelenk. Meine Freunde wunderte das überhaupt nicht. Mittlerweile sind sie es wohl gewohnt, dass ich im Namen des "experimentellen Journalismus" komische Dinge mit meinem Körper anstelle.

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Nach ein paar Tagen passierte dann aber etwas Merkwürdiges. Anstatt mich vor den Schlägen zu fürchten, freute ich mich geradezu darauf. Das Gefühl lässt sich wohl am besten als den Kick einer kleinen Line Koks, kombiniert mit etwas zu viel Drehkreiselspielen, beschreiben.

Und ich bin bei Weitem nicht der einzige, der elektronischer Stimulation etwas abgewinnen kann. Im BDSM-Bereich wird spätestens seit Edison mit erotischer Elektrostimulation (oder E-Stim, bzw. Elektrosex) experimentiert.

Mein Gefallen an den Elektroschocks war allerdings nicht sexueller Natur—da bin ich mir ziemlich sicher. Ich mochte das Gefühl einfach. 2014 hatten Forscher University of Virginia Versuchsteilnehmern die Option gegeben, ruhig dazusitzen oder sich selbst Elektroschocks zu verabreichen. Zwei Drittel der Männer wählten die Elektroschocks. Ein Typ drückte den Knopf in 15 Minuten sogar ganze 190 Mal. Vielleicht bin ich einfach wie dieser Typ.

Nachdem ich mir ein paar Tage Elektroschocks verabreicht hatte, hatte sich auch mein Trinkverhalten gemäßigt. Ja, ich vermisste den Alkohol noch nicht mal. Was ich allerdings vermisste, war der Alkohol als Vorwand, um mir weiter Stromschläge verpassen zu können. Anstatt den Knopf also nur bei jedem Schluck zu drücken, ging ich dazu über, den Knopf jedes Mal zu drücken, wenn ich Alkohol sah oder Alkohol in meinem Umfeld zur Sprache kam. Ich habe wirklich keine Ahnung von Psychologie, aber war der Meinung, dass sich das eigentlich nur weiter positiv auf mein Trinkverhalten auswirken würde.

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Mittlerweile hatte ich die App auch so eingestellt, dass ich bei jedem Knopfdruck "100 Prozent" abbekam, d.h. 340 Volt in fünf Stößen. Zum Vergleich: ein Taser hat 50.000 Volt. Schließlich fasste ich den Entschluss, mich dem ultimativen Feldversuch zu unterziehen: einer Party.

Auf der Hausparty, die ich besuchte, floss der Alkohol natürlich in Strömen. Zwischendurch drückte ich immer wieder auf den Knopf an meinem Handgelenk und versetzte mir einen elektrischen Schlag, während meine Freunde neben mir verantwortungsvoll ihre alkoholischen Getränke genossen.

Die meisten Menschen reagierten mit totaler Ablehnung, als ich ihnen den Pavlok zum Ausprobieren anbot. Ein paar Gleichgesinnte fand ich dann aber schließlich doch. Ich probierte das Armband an zehn Menschen aus. Ein Mädchen bat mich sogar darum, es ihr um den Hals zu legen (was ich tat), nur um mich dann zu fragen, ob ich es schon mal an meinem Schwanz ausprobiert hätte (ja, hatte ich).

Und dann, mitten in der Party und erst in der dritten Woche meines Experiments, quittierte mein Pavlok plötzlich seinen Dienst.

Ich versuchte, ihn zu Hause wieder aufzuladen, stellte ihn auf die Werkseinstellungen zurück, probierte sämtliche Problembehebungsmaßnahmen aus, aber nichts funktionierte. Bei Pavlok ging man davon aus, dass sich innerhalb des Moduls irgendetwas gelöst haben musste, und sie versprachen mir, mir ein neues Modell zuzuschicken. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten dauerte es dann aber über zwei Wochen, bis das Gerät bei mir ankam.

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Als ich es dann in meinen Händen hielt, erschien mir das Armand geradezu überflüssig. Meinen Alkoholkonsum hatte ich erfolgreich reduziert und der kalte Entzug von dem Armband selbst hatte auch mein Verlangen nach Elektroschocks zum Erliegen gebracht.

Ich zog den Pavlok ein letztes Mal an und drückte den Knopf bei voller Leistung. Der Schock fühlte sich irgendwie anders an—irgendwie weniger intensiv—, als hätte man mir eine gezähmte, harmlosere Version des Geräts geschickt.

Ich glaube nicht, dass mein Interesse für Elektrizität jemals gefährliche Ausmaße angenommen hätte, aber es war nichtsdestotrotz beruhigend, dass mein neues Hobby durch den Versorgungsengpass zwangsweise ein Ende gefunden hatte. Und der Pavlok hatte meinen Alkoholkonsum tatsächlich verringert. Mein Experiment war also erfolgreich gewesen. Bevor du jetzt allerdings auf dieses neustes heiße Device zurückgreifst, um dein sündiges Verhalten im Zaum zu halten, bedenk dabei bitte, dass du—wenn du auch nur ein kleines bisschen so bist wie ich—das eine Laster vielleicht einfach nur durch ein anderes ersetzt.