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Der urbane Dr. Frehner—Ansichten eines ungewöhnlichen SVPlers

"Die Schweizer sind ja kein Volk wie die Russen oder Deutschen." Ich traf mich auf einen Kaffee mit dem einzigen SVP-Nationalrat, der in einer Grosstadt lebt.

Foto von Sebastian Frehners Homepage

Nach dem 9. Februar war ich fertig mit der Schweiz. Ich war bereit jede Nabelschnur zur Eidgenossenschaft zu kappen, mich höchstens noch in einem autonomen Stadtstaat zu verbarrikadieren. Ob Aargau, Zürcher Unterland oder die Innerschweiz—alles was keinen Urban-Kompost-Charakter hatte, gab ich verloren. Denn an Basel, Zürich, Bern und deren Weltoffenheit, wollte ich weiterhin glauben. Die Städte waren die roten Flecken auf der Landkarte: Bern sagte mit 72.3 %, Zürich mit 66.6 % und Basel-Stadt mit 61.3 % NEIN. In Gesprächen am SVP-Abstimmungsbrunch zeigte sich, dass den standfesten Basismitgliedern die urbanen NEIN-Stimmer genauso fremd waren wie mir die JA-Riegen vom Lande. Nach dem 9. Februar wollte ich einen Vollblut-SVPler kennenlernen, der sich als städtische Person versteht. Ich wollte wissen, wie so ein Politiker argumentiert.

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Foto von Metro Centric

Im Nationalrat (und im Ständerat sowieso) gibt es aber kaum SVPler, die in einer grösseren Stadt leben: Natalie Rickli kommt aus Winterthur, Luzi Stamm aus Baden, danach ist Illnau-Effretikon das Höchste des urbanen Lebensgefühls. Der einzige SVP-Nationalrat aus einer Grossstadt ist Sebastian Frehner aus Basel. Dr. iur., Nationalrat, Grossrat und kantonaler Parteipräsident. Seine letzten Vorstösse versprachen ein konfrontatives Gespräch: Umsetzung von erleichterten Ausschaffungen nach „namentlich Serbien, Mazedonien, Kosovo und die Türkei" und Bekämpfungsmassnahmen gegen Zwangsehen, die mit einem Mindestalter von Ausländerehen im Familiennachzug liebäugeln.

Foto von Sebastian Frehners Facebookpage

Doch der Weltbild-Crash bei meinem Treffen mit Sebastian Frehner blieb aus. Meine Erwartungen erfüllten sich:

"Ich bin Städter, ich fühle mich als städtischer Mensch. Ich wohne beim Spalentor; viel städtischer geht es nicht mehr. In unserer Fraktion in Bern haben viele einen ländlichen Hintergrund. Aber ich komme eigentlich mit allen gut aus."

Auf meine Behauptung hin, dass die Masseneinwanderungsinitiative auf rassistischen Ressentiments aufbaue, lenkt Sebastian Frehner den Dialog in eine unerwartete Richtung mit der Aussage:

"Die Unterscheidung zwischen EU- und Nicht-EU-Bürgern hat ja auch die Züge einer ein bisschen faschistoiden Ausländerpolitik."

Die Masseneinwanderungsinitiative hingegen ist nach Frehner eine vollkommen emotionsbefreite Massnahme zur Regulierung unserer Arbeitskräfte:

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"Die ewige Diskussion darüber, ob "das Boot voll ist" oder eben nicht, ödet mich an. Wir sollten die holen, die die Wirtschaft wirklich braucht. Die integrieren sich schnell und machen keine Probleme."

Foto von Wikimedia

Konflikte mit den wirtschaftlichen Interessen der Grenzstadt Basel sieht Frehner auch keine—und das will was heissen, denn der Grossrat leitet die „Parlamentarische Gruppe Region Basel" und mit Jean-Christophe Britt) gehört ein Public Relations-Mann von Novartis zu Frehners Entourage im Bundeshaus. Unser Gespräch war trotzdem angenehm, direkt und ungekünstelt. Für einen SVP-Politiker hat der Nationalrat gar erfreulich unaufgeregte Aussagen gemacht (und autorisiert):

"Die Schweizer sind ja kein Volk wie die Russen oder Deutschen. Die schweizerische Bevölkerung ist ein totales Gemisch. Die Familie Sarasin z.B., eine der alten Basler Familien, stammt von den französischen Hugenotten, vielleicht sogar von den Sarazenen, ab."

Foto von Sebastian Frehners Facebookpage

Kaum je flackerten die Hardliner-Positionen auf, die Frehner laut smartvote vertritt. Er übte Kritik— wenn auch liebevolle—an der Schweizer Mentalität:

"Ich bin Schweizer. Ich mag die Leute hier. Aber wir haben auch spezielle Seiten an uns. Wir sind oft nicht offen gegenüber Leuten, die hierherkommen. Es ist nicht so einfach, sich hier zu integrieren."

So was hört man sonst von Mittelmeer-Backpackern und Lateinamerika-Auswanderern. Von Leuten, die sich mit der behäbigen Hüsli & Gärtli-Kultur der Schweiz nicht identifizieren können. Sebastian Frehner ist mit einer Ukrainerin verheiratet—hat ihn das beeinflusst? Nein, meint er:

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"Diese Aussage hat nichts mit meiner Frau zu tun. Sie hat keine schlechten Erfahrungen gemacht."

Dann klingelt das Handy. Nationalrat Frehner führt das Gespräch auf Englisch; er solle noch in die Apotheke. Auch wenn sie das jetzt nach der Geburt ihres Kindes überdenken wollen, ist Englisch die primäre Sprache des Ehepaars Frehner:

"Wir sprechen halt beide ganz passabel Englisch. Eigentlich kann sie recht gut Deutsch. Sie hat jetzt grad das B1 gemacht und spricht mit vielen Leuten Deutsch. Aber wir haben ein bisschen Mühe, die Sprache zu wechseln."

Bild von Smartvote.ch

Persönlich wie vom Weltbild her erfüllt Frehner kein Klischee der Geranien-Schweiz. Wegen seiner Begeisterung für Bars und Cafés im Kleinbasel, verglich ich ihn im Gespräch gar mit Christian Mueller vom „Freistaat unteres Kleinbasel". Wieso nur politisiert der urbane Dr. Frehner in der SVP? Vielleicht aus Underdog-Wut gegenüber den Bewilligungsverfahren im rotgrünen Basel?

"Wenn die SVP Basel-Stadt den Kanton regieren würde, hätten private Projekte es sicher einfacher. Man wäre mit Bewilligungen viel liberaler. Aber defizitäre Kulturinstitutionen, wie die Kaserne, würde man sicher nicht mehr alle zwei Jahre vor dem Konkurs retten."

Dazu kommen noch Vorurteile gegen die Kleinbasler-Lebensrealität:

"Die Novartis stellt kaum mehr Lehrlinge aus dem Kleinbasel an. Lehrlinge kommen aus dem Aargau, Solothurn, Frankreich oder Deutschland. Da kommt es nicht drauf an, ob das Ausländer oder Schweizer sind. Es zählt nur die Qualität. In Basel wächst eine Generation von Migranten heran, die wegen ihrer mangelnden schulischen Kenntnisse kaum Chancen auf einen Arbeitsplatz hat. Das ist eine verlorene Generation, die uns noch viel Ärger bereiten wird."

Pointierte, überspitzte Aussagen, die aber Frehners radikale Positionen in der Migrationspolitik nicht legitimieren. Nach meinem Kaffee mit dem eloquenten Sebastian Frehner war es befremdend, erneut auf Smartvote zu lesen, dass er die erleichterte Einbürgerung erschweren möchte, keine Flüchtlinge, für die das UNHCR Aufnahmeländer sucht, aufnehmen will und auch bei der Frage nach Ecopop „Eher Ja" angekreuzt hat.