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Sex

Warum es schwer ist, eine Lesbe mit langem Haar und Minikleid zu sein

"Ich habe mir schon mal die Haare kurz geschnitten. Da hat man mir dann sofort geglaubt, dass ich lesbisch bin."

Die Frauen, die Andrea Sömmer fotografiert und interviewt, müssen nicht nur dafür kämpfen, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden—sie kämpfen auch gegen die Diskriminierung in der eigenen Szene. Mit ihrer Serie "Randgruppe" geht die Regisseurin und Fotografin der Frage nach, wie es ist, in der Minderheit eine Minderheit zu sein. Sie hat Frauen porträtiert, die sich am Rand der lesbischen Szene bewegen—und es deshalb häufig nicht einfach haben. In den letzten Wochen haben wir Trish vorgestellt, die als Domina arbeitet, und Laila, die einen Bart hat. Demnächst folgen zwei weitere Frauen.

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Trailer zu 'Randgruppe'

Flora – 26 Jahre alt – Innenarchitektin

VICE: Siehst du dich selbst als Randgruppe?
Flora: Ja, auf jeden Fall. Ich sehe sehr weiblich aus, das heißt, ich bin eine Femme in der lesbischen Szene. Das definiert sich über lange Haare, weibliche Klamotten, Make-up und weibliches Auftreten.

Warum hast du damit eine Sonderstellung?
Das hat einen historischen Ursprung. Früher wollten sich Lesben optisch von heterosexuellen Frauen abheben, um den Männern zu signalisieren: Ich gehöre nicht in euer Beuteschema. So wurde es über die Zeit zum Standard, oder eben auch Klischee, dass Lesben eher maskulin gekleidet sind. Feminine Lesben hat man früher nicht erkannt. Heute ist die Gesellschaft etwas offener. Die Frauen finden mehr zu sich selbst und trauen sich mehr. Die femininen Lesben werden weniger unsichtbar.

Alle Fotos: Andrea Sömmer

Aber kassieren trotzdem schiefe Blicke.
Ja, die bin ich gewohnt. Dieser Blick von anderen Lesben von oben nach unten. Oft habe ich Kommentare gehört, dass ich nicht dazugehöre. Ich spüre schon eine starke Mauer zwischen femininen und maskulinen Lesben. Ich hatte mir auch schon mal die Haare kurz geschnitten. Das war einfacher. Ich wollte mal sehen, wie es sich anfühlt, dazuzugehören. Es gab dann mehr Zuspruch und man hat mir auch sofort geglaubt, dass ich lesbisch bin. Es war eine gute Erfahrung, aber ich habe mich nicht wie ich gefühlt. Die Haare wuchsen wieder und mit ihnen die Barrieren.

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Aber wollen nicht viele maskuline Lesben eine feminine Freundin?
Der Widerspruch ist makaber. Lesben lieben ja Frauen, und finden sie genau deshalb ja schön. Gleichzeitig wird man nicht ernst genommen, wenn man weiblich auftritt. Als ich eine Partnerin gesucht habe, wurde ich nach den ersten paar Treffen immer noch gefragt, ob ich bi bin. Der Zuspruch war da, aber der Glaube an die feminine Lesbe nicht. Es gab viel Schubladendenken. Das ist total konträr. Die Randgruppe fordert eigentlich Toleranz und möchte anerkannt werden, aber ist selbst überhaupt nicht tolerant.

Als Femme bist du für andere Frauen, die auf Frauen stehen, auch viel unsichtbarer—was das Flirten schwieriger macht.
Ja, manchmal wünsche ich mir, es gäbe auch als Femme so ein Zeichen, an dem man sich erkennt. Ich habe früher Karohemden getragen oder mir die Regenbogenflagge auf den Oberarm gemalt. Aber wenn man sich weiblich anzieht, gibt es kein Signal, das hundertprozentig funktioniert. Man muss immer ansprechen, dass man auf Frauen steht.

Wäre dein Leben nicht einfacher, wenn du einfach deinen Stil ändern würdest?
Wie ich mich anziehe, ist auch ein Teil meiner Persönlichkeit. Mich in Klamotten zu zwängen, mit denen ich mich nicht identifiziere, wäre eine Unterdrückung meiner Freiheit. Meine Kleider sind ein Teil von mir. Ich fühle mich darin wohler und will mich nicht verstellen—auch wenn es einfacher wäre.

Was machst du gegen die Diskriminierung von Femmes?
Ich versuche, mit meinem Blog Flora Robin auf die Femmes und die feminine Seite der Szene aufmerksam zu machen. Außerdem schreibe ich für das Straight Magazin, ein Magazin für frauenliebende Frauen, im Bereich Mode und Lifestyle. Am Anfang war es nicht einfach, aber ich kriege immer mehr Zuspruch. Nicht nur von Femmes, sondern auch von den maskulinen Lesben. Die Szene ist teilweise schon offen dafür, traut sich aber eben noch nicht. Feminine Lesben wird man selten in der Szene finden, weil sie eben mit der Diskriminierung nichts zu tun haben wollen. Ich wünschte mir, dass es toleranter zugehen würde. Viele Szenelesben schreiben mir auf Facebook, sprechen mich dann aber nicht auf einem Straßenfest an, weil es ihnen peinlich ist. Man merkt einfach, da ist eine Hemmung. Aber wenn ich auf diese Menschen mit Vorurteilen zugehe, werden sie meisten offener. Sie stellen fest: OK, die ist ja wirklich lesbisch.