Vor dem Referendum: Griechenland in der Warteschlange

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Vor dem Referendum: Griechenland in der Warteschlange

Nachdem Ministerpräsident Alexis Tsipras das Volk aufgerufen hat, über die Bedingungen eines neuen Rettungsschirms abzustimmen—inklusive heftiger Sparmaßnahmen—, macht sich Panik breit.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras nach der Bekanntgabe.

Vor genau einer Woche versammelte Ministerpräsident Alexis Tsipras spät in der Nacht sein Kabinett und verkündete ein Referendum, in dem Wähler zur Abstimmung darüber aufgerufen werden, ob Griechenland den EU-Rettungsschirm annehmen soll, mit dem die ausländischen Kreditgeber laut Tsipras unfaire Sparmaßnahmen vom griechischen Volk verlangen. Die Abstimmung findet am heutigen Sonntag, dem 5. Juli statt. Wie seither verlautbart wurde, wird die Regierungspartei Syriza ernsthafte Konsequenzen ziehen, wenn die Mehrheit mit „Ja" antworten sollte.

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„Nach 5 Monaten harter Verhandlungen haben sich unsere Verhandlungspartner leider dazu entschlossen, der griechischen Bevölkerung ein Ultimatum zu stellen", sagt Tsipras. „Ich rufe das griechische Volk auf, über den Erpressungsversuch abzustimmen, mit dem von uns verlangt wird, strenge und erniedrigende Sparmaßnahmen ohne Ende oder Aussicht auf Besserung zu akzeptieren."

Unmittelbar nach dem Treffen erklärten die griechischen Minister, dass die Bevölkerung mit Nein stimmen werde, um die Forderungen des Rettungsschirm-Programms abzulehnen—und damit unter anderem auch weitere Kürzungen der Pensionen und Steuern.

Führer und Abgeordnete der Opposition versuchen währenddessen, gegen die Entscheidung der Regierung zu mobilisieren und versichern, dass ein solches Referendum das Land zerstören würde. Jeroen Dijsselbloem, Präsident der Eurogroup (einem informellen Zusammenschluss der Finanzminister der Eurozone), sagte gegenüber Journalisten, dass die angesetzte Abstimmung eine „traurige Entscheidung" für Griechenland wäre.

„Die griechische Regierung hat unsere Vorschläge offenbar zurückgewiesen … Das ist eine traurige Entscheidung für Griechenland, das damit die Türen für weitere Verhandlungsgespräche geschlossen hat, während diese Türen in meiner Auffassung immer noch offen waren."

Unmittelbar nach der historischen Nachricht begann in Griechenland ein Ansturm auf Banken, Supermärkte und Tankstellen, wo sich die Bevölkerung mit Vorräten eindeckte und für das Ungewisse wappnete. Die überraschende Verkündigung von Tsipras war das Ergebnis von 5 Monaten kontraproduktiver Verhandlungen mit den Gläubigern Griechenlands und ein drastischer Moment in der modernen Geschichte des Landes, der zum Staatsbankrott und einem Erlass seiner massiven Schulden führen könnte.

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Es ist immer noch unklar, wie sich die Situation auf Griechenland und den Rest Europas auswirken wird—und zwar bei beiden möglichen Ausgängen des Referendums. In der Woche vor der Abstimmung gab es einige Proteste und Anarchisten warfen Molotov-Cocktails in Exarcheia. Klar ist im Moment nur, dass Griechen im ganzen Land ihre Verzweiflung in den Schlangen vor diversen Bankautomaten ausdrücken. Diese Fotos entstanden, als die Bevölkerung noch „unbegrenzt" Geld aus ihren Konten abziehen konnte; seither wurden Behebungen auf 60 Euro pro Tag limitiert.

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