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Sex

Wir haben uns mit Häftlingen über Sex im Gefängnis unterhalten

"Es ist unglaublich, wie viele Krankenschwestern hier drin mit Häftlingen bumsen."
Stuart Horner protestiert auf dem Dach seines Gefängnisses gegen die Haftbedingungen
Foto: Stuart Horner protestiert auf dem Dach seines Gefängnisses gegen die Haftbedingungen | imago/ZUMA Press

Wenn Häftlinge beim Besuch ihrer Ehepartner Sex haben dürften, dann gäbe es im Gefängnis weniger Gewalt. Diese These stellte der verurteilte Mörder Stuart Horner vergangene Woche vor dem Staatsgericht in Manchester auf. Angeklagt war er diesmal wegen Sachbeschädigung und einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Im September 2015 protestierte Horner nämlich 60 Stunden lang auf dem Dach des Strangeways-Gefängnisses mitten in der nordenglischen Stadt. Während Geschlechtsverkehr beim Gefängnisbesuch in Großbritannien tatsächlich noch verboten ist, sieht es zum Beispiel in Dänemark oder Kanada wieder anders aus. Und auch in einigen deutschen Strafvollzugsanstalten ist es Häftlingen unter bestimmten Voraussetzungen möglich, zusammen mit ihren Partnerinnen ein paar Stunden in einem Privatzimmer zu verbringen.

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Ich unterrichte in einem englischen Gefängnis und habe die Häftlinge in meiner Klasse vor Kurzem zum Thema Sex im Gefängnis befragt. Und das sind ihre Erfahrungen.

"Hier drin kann ich immerhin nicht noch mehr Kinder machen."

Der 38-jährige Gary* hat schon mehrere Jahre hinter Gittern verbracht. Seine Frau ist seine Jugendliebe und zusammen haben sie vier Kinder. Jedes davon wurde geboren, als Gary gerade mal wieder im Gefängnis saß. Ist Sex beim Besuch der Partnerin eine gute Idee?

"Natürlich!", antwortet er. "Welcher klar denkende Mensch würde das denn nicht für eine gute Idee halten? Der Typ auf dem Dach hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Wenn man den Insassen etwas Zeit mit ihren Frauen gönnt, dann geht die Aggressivität hier drinnen zurück."

Aber glaubt Gary tatsächlich, dass ein monatlicher Besuch der Ehepartnerin einen Häftling davon abhält, total auszurasten, wenn der Aufseher den Fernseher aus der Zelle entfernt? "Wahrscheinlich nicht", lacht Gary. "Um ehrlich zu sein: Ich habe genügend Kinder. Hier drin kann ich immerhin nicht noch mehr machen."

"Man gewöhnt sich an ein Leben ohne Sex."

Raymond, 39, sitzt gerade die letzten Monate einer achtjährigen Haftstrafe wegen eines bewaffneten Raubüberfalls ab. Zwar sagt auch er, dass "besondere" Besuche sinnvoll seien, aber er hat einen Einwand: die Kosten. Sex für die Insassen würde bedeuten, dass es neue Räume und zusätzliche Angestellte bräuchte. "Ich würde das Angebot natürlich auch nutzen, keine Frage", sagt Raymond. "Aber das ganze Geld sollte man lieber in bessere Betten, richtige Matratzen, Toiletten, die nicht ständig verstopfen, und Chicken-Sandwiches mit tatsächlichem Hähnchenfleisch investieren. Stell dir das mal vor: ein Sandwich mit Hühnchen, einem Salatblatt und einer halben Scheibe Tomate."

Essen und Komfort haben also höhere Priorität als Sex? "Definitiv! Die meisten Männer können auch ohne Sex leben. Man gewöhnt sich daran. Bei unwürdigen Lebensumständen ist das nicht so einfach. Sex würde es wohl nicht mal in die Top 20 der Dinge schaffen, die Häftlinge im Gefängnis verbessern würden. Man akzeptiert hier drin einfach, dass man erst wieder draußen mit einer Frau intim wird. Wir sind hier ja nicht im Saufurlaub mit 18 bis 30 Kumpels."

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"Viele Krankenschwestern bumsen mit Häftlingen."

Der 29-jährige Zach hat den Großteil seines Erwachsenenlebens im Gefängnis verbracht. Derzeit befindet er sich wieder in U-Haft und aufgrund einer Reihe an Drogendelikten drohen ihm zwischen zehn und zwölf Jahren hinter Gittern. Er behauptet, dass Gefangene eine Menge Sex haben - auch hinter Gittern.

"Es ist unglaublich, wie viele Krankenschwestern hier drin und anderswo mit Häftlingen bumsen. Die stehen halt auf Bad Boys. So lange du kein heruntergekommener Junkie bist, hast du hier genauso gute Chancen bei den Krankenschwestern wie draußen in einer Bar. Mein Zellenkumpel von vor ein paar Jahren wohnt jetzt tatsächlich mit der Krankenschwester von damals zusammen. Auf Facebook gibt es sogar Fotos von den beiden im Urlaub und die ganze Pärchenscheiße."

Solche Gerüchte tauchen im Gefängnis immer wieder auf. Aber ist es mehr als nur die Wunschvorstellung der Häftlinge? Unter den Insassen, die ich unterrichte, bestätigen alle, was Zach sagt. Läuft auch was zwischen Aufsehern und Insassen?

"Junge, ganz andere Nummer. Wenn man eine Krankenschwester mit einem Insassen erwischt, dann wird sie gefeuert. Wenn allerdings eine Aufseherin dabei ertappt wird, wie sie einem Häftling einen runterholt, dann landet sie selbst im Knast." Ich will wissen, ob so etwas deswegen nie passiert. "Oh doch. Halt bloß nicht so häufig. Und alle Involvierten halten sich bedeckt."

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Zack erzählt die Geschichte eines Häftlings namens Jackson: "Während meiner letzten Haftstrafe lernte ich ihn kennen. Richtiges Arschloch. Er fing was mit einer Wärterin an und nutzte die ganze Sache richtig zu seinem Vorteil aus. Als er dann rauskam, schickte er sie direkt in die Wüste. Allerdings ist er jetzt wieder im Knast gelandet – natürlich genau in ihren Trakt. Seine Zelle wird jetzt wöchentlich nach Drogen durchsucht, in der Kantine ignoriert man ihn, seine Post kommt nicht an und so weiter. Er ist richtig am Arsch."

Alle Häftlinge, mit denen ich mich unterhalte, sagen: Es gibt für sie wichtigere Themen als Sex im Gefängnis. Jeder von ihnen kann mehrere Forderungen nennen, die für sie wichtiger wären.

Steve, ein 32 Jahre alter Bauarbeiter, der wegen Körperverletzung sitzt, hält sich während der Diskussion zurück. Am Ende fasst er das Gespräch zusammen: "Ich bin froh, wenn ich mir jeden Abend schnell einen runterholen kann. Sex und Frauen würden hier nur für Stress sorgen, den niemand braucht. Ich will meine Strafe einfach nur so geschmeidig wie möglich absitzen."

*Alle Namen und Erkennungsmerkmale wurden zum Schutz der Privatsphäre geändert.

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