Titelfoto: Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0Falls du 2016 Nordkorea nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt hast, weil mit Russland, den USA, Großbritannien und China eher andere Nuklearmächte das globale Rampenlicht für sich beansprucht haben, dann lass dir eins gesagt sein: Das Einsiedlerkönigreich hat auch dieses Jahr immer wieder damit gedroht, seine Feinde mit Atomwaffen anzugreifen.OK, diese Drohung haben wir jetzt vielleicht schon so oft gehört, dass sie nur noch wie leeres Geschwätz klingt, aber Nordkorea hat 2016 tatsächlich neue Nukleartechnologien entwickelt und getestet, die die Drohworte wieder untermauern. Hervorzuheben ist hier vor allem die doch sehr beeindruckende Interkontinentalrakete namens Unha-3, die es wohl auch bis nach Los Angeles schafft.
Anzeige
Aktuellen Analysen zufolge könnte Nordkorea im Jahr 2020 eine "zuverlässige" Atomrakete besitzen, die die USA treffen kann. Laut Rodger Baker, dem führenden Nordkorea-Experten des in Austin, Texas beheimateten Informationsdienstes Stratfor, ist es jedoch keine Frage, wann die nordkoreanischen Raketen zuverlässig sein werden. "Sie sind wahrscheinlich jetzt schon in der Lage, die USA anzugreifen", sagt er und fügt hinzu, dass die Analytiker der US-Militärs inzwischen mit der Annahme arbeiten, dass Nordkorea die Möglichkeiten besitzt—auch wenn sie diese noch nicht komplett demonstriert haben.Nordkorea ist also genauso bereit für einen richtigen Atomkrieg wie dein Kumpel mit den musikalischen Ambitionen für einen Auftritt bei der Grammy-Verleihung bereit ist: Das Ganze würde sehr wahrscheinlich nicht gut für ihn ausgehen, aber wer weiß?Anfang des Jahres hat Bakers Team eine detaillierte Analyse darüber veröffentlicht, wie die USA versuchen könnten, Nordkoreas Waffenarsenal zu zerstören, und wie Pjöngjangs Vergeltung aussehen würde. "Es ist wichtig, über solche Szenarien nachzudenken", meint Baker.Deshalb hat sich der Experte auch zusammen mit mir ausgemalt, was passieren würde, wenn Nordkorea tatsächlich einen nuklearen Angriff auf die USA startet—von den Vorbereitungen bis hin zum Kriegsausbruch. Und einige Aspekte seiner Prognosen sind doch recht überraschend. Aber seht selbst.
Anzeige
Schritt 1: Die USA wissen wahrscheinlich schon lange vor dem Abschuss Bescheid
Anzeige
Baker ist jedoch optimistisch, dass selbst ein einstündiges Zeitfenster ausreichen würde, um zu bemerken, dass Nordkorea drauf und dran ist, eine Rakete in den Himmel zu schießen. Grund für dieses Optimismus ist die ständige Überwachung des Gebiets durch ein internationales Netzwerk mit Radarscans, Satelliten und Wärme-Tracking-Equipment. "Immer wenn Nordkorea einen neuen Test durchführt, folgen direkt Statements von Seiten der USA und Japan in Bezug auf den Erfolg des Tests. Das ist nur möglich, weil sie alles beobachten—selbst dann, wenn Nordkorea einen Spontantest mit mobilen Abschussrampen durchführt", erklärt Baker.Kurz gesagt: So etwas wie ein Überraschungsangriff ist hier nicht möglich. "Zuerst würden alle Raketenabwehrsysteme in eine höhere Alarmbereitschaft versetzt werden", sagt Baker. "Und dann würden sich die japanischen Raketenabwehrschiffe in Position begeben."Natürlich gilt auch hier: Angriff ist die beste Verteidigung. Laut Außenpolitik-Analytikern der George Washington University Law School könnten die USA einen Präventivschlag durchführen und später vor der UNO als "Antwort auf einen bevorstehenden Angriff" rechtfertigen, wenn sich Spione sicher wären, dass Nordkorea eine Rakete mit einen nuklearen Sprengkopf ausstattet und damit auf die USA zielt.Für eine solche Entscheidung wäre Baker zufolge unter Umständen nicht mal ein Anruf von US-Präsident Trump nötig.
Schritt 2: Die USA und Japan denken über einen möglichen Präventivschlag nach
Anzeige
"Ich glaube, dass das letztendlich die Entscheidung des Militärs wäre", meint er. Und das Militär bevorzugt Präventivschläge, denn auf den Angriff zu warten und dann zu hoffen, dass er abgewehrt wird, birgt ein hohes Risiko. Wenn man jedoch zuerst angreift, "wird die Gefahr zu 100 Prozent zerstört—und das ist natürlich bevorzugt."Die Rechtfertigung eines Präventivschlags wäre allerdings trotz allem eine heikle Angelegenheit, denn der Angriff selbst könnte für eine Verstimmung bei China, bei Russland und selbst bei Südkorea sorgen. "Politisch gesehen", sagt Baker, "wäre es wahrscheinlich besser, Nordkorea den Abschuss durchführen zu lassen und die Rakete dann abzufangen, als selbst anzugreifen, wenn sich die Rakete noch auf der Abschussrampe befindet." Es steht also nicht außer Frage, dass die USA eine nordkoreanische Rakete wissentlich starten lassen würden.Aber selbst wenn der Abschuss gelingt, ist noch lange nicht gesagt, dass es eine nordkoreanische Rakete auch nur in die Nähe der USA schafft. Langstreckenraketen sind im Grunde selbstmörderische Raumschiffe, die während ihrer Reise die Erdatmosphäre verlassen. "Die Nordkoreaner haben zumindest in einem Test bewiesen, dass sie in der Lage sind, den Sprengkopf einer Rakete zu lösen, die wieder in die Erdatmosphäre eingetreten ist", erzählt Baker. Der Wiedereintritt ist jedoch nutzlos, wenn die Bombe an Bord der Rakete dabei beschädigt wird. "Sie haben auch schon Bodentests durchgeführt, bei denen die Beständigkeit der Sprengköpfe beim Wiedereintritt in die Atmosphäre bewiesen wurde."Dann stellt sich aber natürlich auch noch die Frage, was das Ziel unserer hypothetischen Rakete wäre. Baker zufolge kann man nicht mit Sicherheit sagen, wo genau Nordkorea die USA treffen will. Erreichbare Ziele wie etwa Hawaii oder Los Angeles sind dabei nicht die einzigen Gegenden, die Kim Jong-un schon bedroht hat. "Vor ein paar Jahren hat Nordkorea vielleicht ungewollt eine Karte veröffentlicht, auf der Linien zu sehen waren. Eine dieser Linien könnte direkt nach Austin geführt haben", sagt Baker.
Schritt 3: Eine Rakete fliegt los
Anzeige
Schritt 4: Die USA und Japan versuchen, die Rakete vor ihrem Einschlag abzufangen
Anzeige