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​Apfeldieben auf die Fresse – Rocker wollen ungefragt deutschen Supermarkt bewachen

Der Supermarkt hat eher wenig Bock drauf.
Fotos: Screenshots von Facebook

Das Bürgerwehr-Fieber nimmt auch in Deutschland immer noch kein Ende: Jetzt patrouillieren Rocker im nordrhein-westfälischen Detmold offenbar vor einem örtlichen Supermarkt, um „Präsenz zu zeigen". So jedenfalls erklärt es ein Facebook-Posting der Gruppe „Brothers MC Salt City", in dem auch der Grund für den Einsatz erklärt wird.

„Kunden werden dort regelmäßig belästigt und Frauen durch unerwünschte Nähe bedrängt", heißt es in dem Text. „Monatlich entsteht dort zusätzlich ein angeblicher Schaden von 40000,- Euro durch Diebstähle. Obst wird angefressen und Flaschen geöffnet und ausgetrunken."

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Wenn man dem Post glaubt, nimmt diese beispiellose Welle an Kriminalität mittlerweile bedrohliche Dimensionen an: „Die Filiale sollte bereits geschlossen werden, aber die Stadt Detmold soll hinter den Kulissen die Schäden ausgleichen", berichten die Rocker. „Die Polizei wird sehr häufig gerufen und ein eigener Sicherheitsdienst wurde extra eingestellt." Das alles wisse man „aus bestätigten Quellen"—die aber nicht weiter genannt werden.

Um dem bunten Treiben ein Ende zu setzen, haben die Rocker die Sache also selbst in die Hand genommen und zwischen Grillstation, Supermarkt und Sparkasse Station bezogen. Zum Beweis haben sie auch ein paar Fotos von ihrer Aktion geliefert, auf dem teilweise bis zu acht Männer in Kutten zu sehen sind. Der Beitrag hat jetzt schon über 32.000 Likes auf Facebook bekommen.

Obwohl der Autor nie sagt, wer hinter den ganzen Problemen steckt, erklärt sich das natürlich aus dem Schema von selbst: Wer grapscht denn immer Frauen an, klaut Essen, fühlt sich von einem „offenem W-LAN Netz" angezogen und—das ist der entscheidende Punkt—wird dann auch noch von den Autoritäten klammheimlich gedeckt? Flüchtlinge, wer sonst. Das interpretieren auch die zahlreichen Kommentatoren so: „Ja neben dem Kaufland ist ein Flüchtlings Lager Oft muss die polizei einrücken", schreibt einer.

Aber noch auffälliger ist, dass die allermeisten Kommentatoren es nicht mal für nötig halten, das noch zu erwähnen—die Situation scheint für viele völlig klar. Text und Fotos wurden auf mindestens vier verschiedene Seiten gepostet—wo sie kräftig Likes und Unterstützung sammeln. „‚Der Bürger' wehrt sich gegen verlorene Rechtsstaatlichkeit - sehr gute Sache" schreibt ein User, „Klasse Aktion!!" oder „Hut ab!" und immer wieder „Respekt!" andere.

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Und das, obwohl von direkten Begegnungen mit Obst-Anknabberern oder anderen Missetätern nichts zu sehen ist—auch im Text ist keine Rede davon. Eine Erklärung dafür ist, dass die reine Anwesenheit der Rocker ausgereicht hat, um die Übeltäter in die Flucht zu schlagen und die Ordnung wieder herzustellen. Andererseits könnte auch einfach sein, dass die von den Rockern beschriebenen Probleme nie existiert haben. Das Bild ergibt sich jedenfalls, wenn man die Betreiber des Supermarktes oder die Polizei selbst fragt.

„In den vergangenen Wochen und Monaten gab es keinen solcher Vorfälle", erklärte die Pressesprecherin des Supermarktes der lokalen Lippischen Landes-Zeitung. „Bei den im Internet beschriebenen Vorfällen handelt es sich um Gerüchte, die jeglicher Grundlage entbehren." Weder hätten die Ladendiebstähle in den letzten Monaten zugenommen, noch habe man deswegen einen Sicherheitsdienst „extra eingestellt"—den habe die Filiale bereits seit zwei Jahren. Natürlich kauften mittlerweile auch Flüchtlinge im Kaufland ein. Aber: „Diesbezüglich gibt es keine besonderen Vorkommnisse."

Wie die Rocker vom „Brothers MC Salt City" auf die Idee gekommen sind, dass sie dringend vor dem Kaufland gebraucht wurden, lässt sich nicht feststellen. Der mutmaßliche Autor des Posts, Tim K., ein Ex-Polizist und Buchautor („Vergeltung—Das Buch"), meldet sich nicht auf Anfragen.

Warum genau Tim K. und seine Rockerfreunde es für nötig halten, solche Gerüchte in die Welt zu setzen und dann so einen Aufmarsch zu machen, ist unklar. Vielleicht glauben sie wirklich an die Geschichten, die sie verbreiten. Vielleicht wollen sie aber auch die Gunst der fremdenfeindlichen Stunde nutzen, um ihrem relativ unbekannten Club (der „Brothers MC" scheint sich sein Logo allem Anschein nach aus dem Film 300 abgemalt zu haben) erstens Bekanntheit zu verschaffen—und sich zweitens das Image aufzubessern. „Das sind doch die brutalen rocker vor denen ihr euch wegdreht wenn sie irgendwo auftauchen" schreibt ein Nutzer namens Tino begeistert. „ihr müsst alle wissen die reisen sich für euch den arsch auf wenn ihr sie mit Respekt begegnet".

Der Plan der Rocker scheint fürs Erste aufgegangen zu sein. Aber: Je bekannter diese Posse wird und je mehr Verbreitung auch das Dementi des Supermarktes findet, desto eher wird wohl deutlich werden, was das hier wirklich war: Eine hohle PR-Aktion auf Kosten von Flüchtlingen.