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Sex

Entspricht dein Sexleben deinem Wahlverhalten?

Eine neue Sozialstudie verbindet konservative Parteien mit Analverkehr.

Illustration: Chris Harward

Britische Analsex-Fans wählen die ​UKIP und treue Labour-Wähler legen sich gerne mal Nippelklemmen an? In Phil Cowleys und Rob Fords neuem Buch Sex, Lies and the Ballot Box äußern sich Politikwissenschaftler zu Faktoren, die das Wahlverhalten der britischen Bevölkerung bestimmen, darunter die Wahrnehmung von Sex und Politik innerhalb der Bevölkerung. Interessante Erkenntnisse, die sich womöglich auch auf die hiesige Politiklandschaft übertragen lassen. In Deutschland mischte sich bisher ​vor allem die AfD ins Sexleben seiner Wählerschaft ein.

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Joe Twyman, Verantwortlicher für Politik- und Sozialforschung bei ​You​Gov, und Bernadeta Wilk haben eine Reihe von Umfragen durchgeführt, in denen sie eine repräsentative Gruppe britischer Erwachsener zu ihren Ansichten über das Sexualverhalten „normaler" Briten, das Sexualverhalten von Anhängern einer bestimmten Partei und das eigene Sexleben befragt haben. Laut der Umfrageergebnisse werden Labour-Wähler als die Besten im Bett eingeschätzt. Die Befragten glauben, dass sie „selbstsicher" sind und „Durchhaltevermögen" haben, obwohl sie manchmal etwas „grob" sein können. Labour-Aktivisten beschreiben ihre Schlafzimmeraktivitäten als „aufregend", „abwechslungsreich" und „experimentierfreudig".

UKIP-Wähler hingegen sind nicht ganz so selbstsicher und geben zu, dass sie im Bett „faul" und wahrscheinlich nicht besonders aufregend sind; obwohl sie auf Dildos stehen. ​Liberaldemokraten werden allgemein für „langweilig", „unterwürfig" und „sanft" gehalten, jedoch zeigt die Umfrage, dass sie tatsächlich relativ, nun ja, liberal sind: Ganz oben auf ihrer Liste stehen nämlich „erotische Massagen", „Orgien" und „Sex mit Transsexuellen".

Obwohl ​Konservativeangeben, dass sie öfter Sex haben als die Meisten, scheint es bei ihnen wohl eher um Quantität statt um Qualität zu gehen. Anhänger der Konservativen geben an, dass sie durchweg konventionell sind, weniger einfallsreich als der durchschnittliche Brite und dass es weniger wahrscheinlich ist, dass sie sexuelle Fantasien entwickeln oder an etwas sexuell Unkonventionellem teilnehmen. Aber was genau sagen diese Erkenntisse über die Bevölkerung und ihr Verhältnis zur Politik aus? Ich habe das Büro von YouGov besucht, um mit Joe Twyman über die Ergebnisse seiner Umfragen zu sprechen.

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VICE: Wie bist du auf die Idee gekommen, dich mit der Beziehung zwischen Sex und Politik zu beschäftigen?
Joe Twyman: Nun, Sex und Politik sind meine zwei großen Leidenschaften. Ich wollte wissen, inwieweit diese Themen in einem Zusammenhang stehen und ob man das Wahlverhalten anhand der sexuellen Vorlieben einer Person voraussagen kann. Wenn jemand angibt „Ich träume hiervon und davon", kann man dann daraus schließen, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass diese Person die Tories wählt?

Was hast du über das Sexleben der jeweiligen Parteianhänger herausgefunden? UKIP-Wähler haben wohl angegeben, dass ihr Sexleben nicht gerade toll ist, oder?
Wir haben bereits einen Beschwerdebrief eines UKIP-Wählers erhalten, der geschrieben hat, dass sein Sexleben völlig in Ordnung sei und dass wir es als unbefriedigend dargestellt hätten. Wir haben ihm zurückgeschrieben, dass es tatsächlich UKIP-Wähler waren, die ihr Sexleben als unbefriedigend dargestellt haben. Was sexuelle Fantasien angeht, geht es bei UKIP viel um Dildos, während die Tories Sex mit einem Sportstar haben wollen. Das ist dann auch ihre einzige sexuelle Fantasie. Es ist interessant, dass die Tories so wenige sexuelle Fantasien haben im Vergleich zu Labour und den Liberaldemokraten, die mit ziemlich vielen aufwarten können: Spanking, Bondage, Sex mit Transsexuellen, sexy Outfits, alles mögliche.

Was sagt uns das über Politik?
Nicht gerade viel. Sexuelle Vorlieben und Verhaltensweisen erklären politische Entscheidungen nicht besonders gut, außer vielleicht, wenn jemand Sex mit einem Abgeordneten hatte. In diesem Fall ist es mehr als wahrscheinlich, dass die Person ein Torie ist. Aber auch dann kann das einfach nur an den derzeitigen Abgeordneten der Tories liegen.

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Welche Erkenntnisse gewinnen wir aus deiner Umfrage?
85 Prozent der Bevölkerung sind Anhänger einer bestimmten Partei, aber wenn man die Menschen fragt, was sie über das Sexleben von Parteianhängern denken, sagen die meisten, dass Parteianhänger sich in fast allen Bereichen vom „typischen" Briten unterscheiden.

Wir halten Parteianhänger also für merkwürdig?
Lass mich die Frage anders stellen. Als du in unser Büro gekommen bist, wie hast du geglaubt würde ich aussehen? Die meisten Menschen, die herkommen, haben eine sehr spezifische Vorstellung davon, wie ein Meinungsforscher aussieht. Sie denken, ich würde hier in einem Tweedjacket mit Ellenbogenflicken aufkreuzen und wäre vielleicht ungepflegt. Das ist das Gleiche: Es zeigt, dass der Durchschnittsbrite Politik und alles, was damit zusammenhängt, für merkwürdig hält. Er hat nicht den Eindruck, dass es eine Verbindung zu seinem eigenen Leben hat. Das ist ein ernstzunehmendes Problem. Seit Anfang der 2000er Jahre geht die Wahlbeteiligung zurück, was ein Problem für unsere Demokratie ist, denn Entscheidungen werden dann von Menschen gefällt, die bei der Wahl 30 oder 40 Prozent der Stimmen erhalten haben, bei einer Wahlbeteiligung von 50 bis 60 Prozent. Gerade im Bezug auf junge Menschen ist das kritisch zu sehen. Im Allgemeinen ist es so, dass man desto weniger Bezug zu Politik hat, je jünger man ist.

Woran liegt das deiner Meinung nach?
Schau dir unsere politische Klasse an. David Cameron und Ed Miliband waren beide Anfang 30, als sie hohe politische Ämter übernommen haben. George Osborne war 33, als er zum Schatzkanzler ernannt wurde. Ist das normal für einen 33-Jährigen? Natürlich nicht. Kein 33-Jähriger wird sich George Osborne angucken und sagen: „Hey, der ist ja wie ich." Es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen sich von der politischen Klasse entfremden. Die Umfrage zeigt das deutlich, auch wenn das durch das Prisma von Sex geschieht.

Deine Umfragen zeigen, dass politische Parteien fast zu Karikaturen werden können, denen Stigmata und Stereotype anhaften. Ist letzten Endes die „Persönlichkeit" einer Partei wichtiger als ihre politische Agenda?
​Politikwissenschaftler beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit dieser Frage. Manchmal kann das der Fall sein. Ein schon klassisches Beispiel ist David Camerons verzweifelter Versuch, den Tories ein anderes Image zu verpassen. Momentan gelten sie als die „gemeine" Partei. Sie werden als aggressiv und gefühllos wahrgenommen und diese Wahrnehmung wird dann auf ihre Anhänger projiziert. Sogar auf deren Sexleben. Labour hingegen wird als sanfter wahrgenommen und kann sich deshalb durchsetzen. Die Liberaldemokraten werden als ziemlich ineffektiv wahrgenommen, sowohl in der Koalition als auch im Schlafzimmer.

Diese Wahrnehmungen sind wichtig, weil die meisten Menschen sich gar nicht für eine bestimmte politische Agenda interessieren. Die zwei großen Parteien und bis zu einem gewissen Grad auch die anderen Parteien betreiben Wahlkampf mit denselben Ideen. Ihre Herangehensweise ist unterschiedlich, aber die Ziele sind die gleichen. Die Menschen sehen die Nuancen bestimmter politischer Agenden nicht, deshalb geht es letztlich darum, welcher Partei man am ehesten zutraut, politische Ziele tatsächlich durchzusetzen und welche Partei politische Ziele am schnellsten durchsetzen kann. Danach geht es um Persönlichkeit und die Schlagworte einer Partei.