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Warum „Nippel statt Hetze“ eine gute Idee mit Fehlern ist

Ein Foto will darauf aufmerksam machen, dass Facebook bei Hass-Kommentaren und Nacktheit mit zweierlei Maß misst.

Seit Mittwoch Abend kursiert ein Bild unter dem Motto #nippelstatthetze auf Facebook. Darauf zu sehen ist eine Frau, oben ohne, inklusive entblößter Nippel und ein Mann, der ein Schild mit der Aufschrift „KAUFFT NICHT BEI KANAKEN!" in der Hand hält. Ja, kauft ist falsch geschrieben und ja, vermutlich mit Absicht. Daneben der Spruch „Eine dieser Personen verstößt gegen die Regeln auf Facebook. #nippelstatthetze".

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Allem voran: Ich finde die Aktion eigentlich großartig. Sie erfasst eine sehr aktuelle Debatte und setzt ein klares Statement. Gegen die teilweise absurden Facebook-Nutzungsbedingungen und vor allem gegen eine Gesellschaft, in der Rassismus geduldet wird, ein Frauenbusen allerdings nicht. Das Bild thematisiert also Rassismus, Sexismus und soziale Netzwerke in einem—und natürlich wirft es dabei auch ein paar Fragen auf.

Warum hat Facebook das Foto noch nicht gelöscht?

Der oben eingebettete Post von Moderator Simon Beeck hat zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung knapp 40.000 Likes und wurde über 23.000 Mal geteilt. Sicher wurde er auch schon einige Male gemeldet—aber noch nicht gelöscht. Olli Waldhauer, der Fotograf, dessen Idee die Aktion war, ruft auf Facebook dazu auf, das Bild selbst zu posten, damit sich das Bild im Netz hält. Dazu stellt er auch einen Download-Link zur Verfügung. Sein Post wurde nämlich recht schnell aufgrund von Nacktheit entfernt.

Auch in den Kommentaren klagen einige darüber, dass ihr Bild gelöscht wurde, aber Simon Beecks Post bleibt. Falls Facebook Angst hat, mit der Löschung des inzwischen weit verbreiteten Posts noch mehr Aufmerksamkeit für die Aktion zu schaffen, wirkt es umso merkwürdiger, dass das Netzwerk trotzdem so viele andere Bild-Beiträge mit dem selben Nippel-Inhalt entfernt. In dem Fall wäre auch das Argument, dass es um die AGBs geht, haltlos. Was auch immer der Grund ist, hier wird anscheinend mit zweierlei Maß gemessen.

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Welche Aussage soll im Zentrum der Aktion stehen?

Sieht man sich die Kommentare unter dem Foto an, gibt es ein paar gängige Reaktionen: Viele finden die Aktion super, manche finden sie unnötig und erstaunlich viele sind der Meinung, dass „Kanake" kein Schimpfort ist, da es sich aus dem Wort „Mensch" herleitet. Meiner Meinung nach ist jedes Wort, das abfällig gebraucht wird und jemanden beleidigen könnte, ein Schimpfwort, weil es nicht um diejenigen geht, die es besser wissen wollen, sondern um die Betroffenen. Aber das sollte eigentlich klar sein.

Die meisten Kommentare drehen sich jedoch um die Brüste der Frau auf dem Foto. Auf die Art „Wie kann ich an das Foto ranzoomen, ich willl lesen was auf dem Schild steht", „geile Titten" oder „Kann mir jemand die Telefonnummer der Frau geben?". Diese Reaktionen waren natürlich zu erwarten. Die Frage ist aber, ob sie nicht auch ein wenig dadurch provoziert wurden, dass hier ausgerechnet ein Erotik-Model für die Aktion gewählt wurde.

Was soll das Bild in erster Linie aussagen? Klar geht es darum, dass rassistische Kommentare keinen Platz auf Facebook haben sollten. Trotzdem finde ich es seltsam, dass Leila Lowfire, die Frau auf dem Foto, so stark sexualisiert ist. Der Punkt beim „free the nipple"-Movement ist nämlich, dass ein Frauennippel nicht „schlimmer" als ein Männernippel ist und deshalb nicht sofort als anstößig erachtet und eben gerade nicht als Sexsignal gedeutet werden sollte.

Dass pornographische Inhalte schnell von Facebook entfernt werden, ist ein anderes Thema. Vor kurzem erst habe ich selbst einen kinderpornographischen Inhalt gemeldet und war ziemlich froh, dass Facebook sehr schnell reagiert hat. Ich wünschte, sie hätten ein weniger sexualisiertes Bild für diese Kampagne gewählt, um idiotischen, sexistischen Kommentaren vorzubeugen und den Fokus nicht von der eigentlichen Message zu lenken. Außer natürlich es ging ihnen neben dem Rassismus-Thema nicht um „free the nipple", sondern um freie Nacktheit und Sexualität auf Facebook. Dann ist aber zumindest der Nippel-Hashtag fehl am Platz.

Wann reagiert Facebook endlich?

Facebook geht entweder gar nicht oder viel zu langsam gegen Hetze, Rassismus und Mobbing vor. Dadurch, dass Facebook global von einer Milliarde Menschen täglich genutzt wird, sind die Ansichten zu Themen wie Nacktheit, Meinungsfreiheit und Zensur sehr unterschiedlich. Insofern ist es auch verständlich, dass das Netzwerk mit Dingen wie Jugendschutz eher zu sorgfältig als zu wenig sorgfältig umgeht.

Umso unverständlicher ist es für mich aber auch, dass Facebook in Bezug auf Hass-Postings trotz Beteuerungen immer noch so wenig Verantwortung übernimmt. Klar ist geschriebene Sprache nicht so einfach von automatischen Programmen zu entschlüsseln wie Fotos von nackten Körpern; aber umso wichtiger ist, dass Facebook seine in Deutschland angekündigte Taskforce auch in allen anderen Ländern umsetzt, damit es genau dafür Zuständige gibt. #nippelstatthetze ist ein weiterer Schritt, Facebook zu einer Reaktion zu zwingen.