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Popkultur

Der Sound der Südstaaten

Country-Rap wird oft als musikalische Abscheulichkeit und Cultural Appropriation abgetan. Eine Gruppe von Rappern will das ändern.

Yelawolf bei einem Auftritt im Track 29 in Chattanooga, Tennessee. Fotos von Stacy Kranitz

Aus der Music Issue 2016

Ich parke hinter einem brandneuen Wohnkomplex in East Nashville im US-Bundesstaat Tennessee, gleich neben einem veganen Bistro und einer Kletterhalle. Es ist genau die Art von gentrifizierter Gegend, von der man anderswo, in den traditionsbewussten Kleinstädten der Südstaaten, mit Verachtung spricht. In diesem Teil von Nashville lebt die Gegenkultur zur Country-Musik—eine Kultur, die Auswärtige anlockt und damit den regionalen Charme gefährdet.

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Ich bin hier, um Yelawolf zu einem Interview zu überreden. Sein neues Album, Trial by Fire, erscheint diesen Herbst. Er ist ein dürrer weißer Rapper mit einer Vorliebe für Jeansklamotten, großkrempige Hüte und Tattoos. Ein Tattoo ziert seinen Haaransatz: "Slumerican". Ein Kunstwort, das er abwertenden Bezeichnungen wie "White Trash" entgegenstellt. Sein Management betont, dass Yelawolf, der mit bürgerlichem Namen Michael Wayne Atha heißt, nicht mit "Redneck-Rap" und den Künstlern des Country-Rap-Genres in Verbindung gebracht werden will.

Country-Rap wird im Radio selten gespielt, und nur wenige Künst­ler sind bekannte Namen. Doch die Underground-Fangemeinde ist enorm. Seit das Genre sich Anfang der 2000er herausbildete, haben Country-Rapper Millionen Platten verkauft, Tausende Zuschauer zu Open-Air-Konzerten in Kleinstädten gelockt und die CD-Regale in ländlichen Walmart-Filialen gefüllt.

Country-Rap, eigentlich eine Fusion aus den beiden namensgebenden Genres, wird oft abfällig als "Hick-Hop" bezeichnet, nach der US-amerikanischen Bezeichnung für Hinterwäldler. Auf den ersten Blick sind Country und Rap völlig gegensätzlich: Country-Fans sind meist älter, kaufen mehr physische Tonträger, hören Radio und stammen meist aus ländlichen Gegenden.

HipHop-Fans sind allgemein jünger und holen sich ihre Musik online; täglich streamen und downloaden sie Millionen Alben von Diensten wie Spotify und Datpiff. Je nachdem, in welchem Teil der USA man ist, erhält man auf die Frage: "Welche Musik hörst du?", entweder die Antwort: "Alles außer Rap" oder "Alles außer Country".

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Yelawolf, hier in einer Nahaufnahme aus dem Track 29, will sich von anderen Künstlern im Country-Rap distanzieren.

Doch Country und Rap haben mehr gemeinsam, als den meisten klar ist. Nachdem er mit dem Country-Künstler Tim McGraw den Song "Over and Over" aufgenommen hatte, erklärte Nelly, stolzer Südstaaten-Rapper aus St. Louis, Missouri, warum die Fusion gelingen konnte: "HipHop und Country kommen aus denselben verarmten Gegenden, also funktioniert es auch, wenn man sie kombiniert—man muss es nur richtig machen."

Doch hier liegt das Problem: Selten macht es jemand richtig. Man nehme nur den Song "Accidental Racist" von Brad Paisley und LL Cool J. Das Stück wurde zum viralen Witz, nicht zuletzt weil LL Cool J eine schauderhafte Strophe darüber rappt, dass er gewillt sei, die Ketten der Sklaverei zu vergessen, wenn Weiße ihm dafür die Vorliebe für Goldketten verziehen. Bei solchen Beispielen ist es kein Wunder, dass die Leute Hick-Hop als ein anspruchsloses Gimmick sehen, ein Versuch zu verschmelzen, was nicht zusammengehört.

Yelawolf ist kein Country-Rapper, sondern ein HipHop-Künstler, der aus der Masse hervorsticht, indem er seine Musik mit Südstaaten-Rock und Geschichten über die ländlichen USA anreichert. Das ist nicht extrem massenkompatibel—stell dir Eminem mit gedehntem Alabama-Dialekt und einem Faible für Nu Metal und Lynyrd Skynyrd vor, und du hast eine Ahnung, wie er klingt.

"Country-Rap ist schlecht gemacht, weil es auf der Country-Seite nicht genug Leute gibt, die genug Ahnung von HipHop haben."

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Doch in den Jahren seit seinem Durchbruch-Mixtape Trunk Muzik (2010) hat er sich der typischen Kritik an weißen Rappern entzogen und sich den Respekt sowohl der HipHop-Elite als auch der Medien errappt. Er schaffte es aufs Cover von Fader und landete einen Vertrag bei Eminems Plattenfirma Shady Records. In einem Interview mit dem HipHop-Sender Hot 97 sagte er, Country-Rap sei "schlecht gemacht, weil es auf der Country-Seite nicht genug Leute gibt, die genug Ahnung von HipHop haben, um es gut zu machen. Auf der HipHop-Seite gibt es nicht genug Leute, die genug Ahnung von Country haben, um es gut zu machen."

Hick-Hop setzt oft glatte, digitalisierte Fiddles und Pedal-Steel-Gitarren ein, während der lyrische Inhalt vor Klischees über Chevy-Trucks und Whiskey strotzt. Auch Yelawolf rappt über Chevy-Trucks (es gibt tatsächlich ganze fünf Tracks mit dem Namen "Box Chevy") und Whiskey (seine Vorliebe für Jack Daniel's erlebe ich aus nächster Nähe). Doch in seinen anspruchsvolleren Songs spinnt er in seinen Texten Southern-Gothic-Erzählungen, deren ausladende Hooks auch eigenständige Country-Songs sein könnten.

Auf "Bible Belt" aus seinem ersten, selbst veröffentlichten Album Creek Water beschreibt er einen Präriesturm und das ebenso turbulente soziale Klima seiner Südstaatenheimat: "Welcome to my land, my home: Bama / Where the clouds turn green / Where the Klan marches up and down the small streets / Where cops look for excitement / Where the oak trees split and burn from the blue lightning".

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Yelawolf zog als Kind viel um. Er verbrachte viel Zeit in Antioch, einem Vorort von Nashville. Geboren wurde er 1979 in Gadsden, Alabama, einem ehemaligen Handels- und Manufakturzentrum des Bundesstaats, das allerdings bereits in den 1980ern in den Medien als einer der "sieben schlimmsten Wohnorte in den USA" bezeichnet wurde. Seine Mutter wurde mit ihm schwanger, als sie 15 war. Yelawolf bezeichnet sie als "Rockstar" (womit er meint, sie habe getrunken wie einer). Seine Jugend inspirierte ihn zu seiner "Slumerica"-Marke. In "Whiskey in a Bottle" rappt er: "Slumerican means: Slum American breed, gutter-raised with worldwide dreams."

Struggle Jennings mit seiner Freundin in ihrer Wohnung in White House, Tennessee.

Als ich seine zweistöckige Wohnung betrete, sitzt er mit einer halbleeren Flasche Jack Daniel's auf der Couch und hört laut über seinen Apple TV Waylon Jennings. Eine Frau in Jeans und Wildlederkleidung ist auch da. Die Wohnung ist mit amerikanischer Pop Art und Yelawolf-Fanartikeln dekoriert, darunter auch Dinge, die zu seiner Slumerica-Marke gehören, wie eine schwarze Anrichte, deren Beine drei vergoldete Blitze sind. Dieses Stück kannst du über Yelawolfs Onlineshop, Ball Mart, erstehen—für den gar nicht so slummigen Preis von 10.000 Dollar.

Zu seinen anderen Gästen gehören Mitglieder seines Slumerican-Labels, ein Who's who der weißen Rapper von Nashville. Einer von ihnen ist Bubba Mathis, ehemals Bubba Sparxxx. Noch bevor Yelawolf seine Südstaaten-Rock-Strophen in Rap-Songs sang, brachte Bubba seinen Dialekt in Songs wie Ugly voll zur Geltung. Das Video zu dem von Timbaland produzierten Track ist eine albtraumhafte Melange aus Schweinepferchen, Traktorrennen und Hinterwäldler-Partys in Feld, Wald und Wiesen. In dem Track "Country Folks" beanspruchte Bubba den Platz als Pionier des Hick-Hop: Er spreche für "eine Generation, die Tupac und Hank [Williams] liebt".

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Ein weißer Rapper namens Struggle Jennings trifft kurz nach mir ein, während die Musik seines Großvaters Waylon noch aus Yelawolfs Boxen plärrt. Struggle wurde bekannt, indem er über unveröffentlichte Master-Tracks von Waylon Jennings rappte, darunter ein Song namens "Outlaw Shit" zusammen mit Yelawolf. Für die Puristen des Country-Establishments war das Blasphemie, doch Struggle sieht das anders. Laut ihm setzen er und seine Kollegen eine Tradition der Outlaw-Country-Bewegung fort, zu der auch sein Großvater in den 1970ern stieß.

Als Kind der 90er gehörte sehr wahrscheinlich auch HipHop zu seiner Jugend

Waylon löste sich vom formelhaften Nashville-Sound, indem er das Orchester wegließ und Rock-Elemente einbaute (und außerdem unverhohlen jede Menge Drogen nahm). Selbst wer glaubt, Struggle sonne sich im Glanz des Erbes seines Großvaters, muss eingestehen, dass er mit dessen Musik aufgewachsen ist. Als Kind der 90er gehörte sehr wahrscheinlich auch HipHop zu seiner Jugend. Angesichts dieses Hintergrundes ist Country-Rap für Struggle eine naheliegende Entscheidung.

Yelawolfs Gäste sind Rapper, die ein Genre erneuern wollen, das zwar regional extrem beliebt ist, aber von Kritikern hauptsächlich Spott erntet. Diesem Spott konnten selbst Yelawolf und seine Freunde nicht ganz entgehen. Tatsächlich gehört VICE zu den wenigen Publikationen, die sich in den letzten Jahren kritisch zu Yelawolf geäußert haben.

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2012 schrieb ein VICE-Autor, Yelawolf setze Illuminati-Gehirnwäsche ein, um Hipster von seiner Coolness zu überzeugen. Auch sein Vokuhila-Iro erntete Hohn. Als er mit seinem Album Love Story auch Noisey von sich überzeugte, enthielt der Titel des Artikels dennoch einen Seitenhieb auf die angeblich mangelnde Qualität früherer Werke: "Yelawolf Has Returned from the Wilderness of Suck". Ich weiß nichts von alledem, als ich in seiner Wohnung eintreffe. Doch Yelawolf erinnert sich noch gut.

Slumerican-Merch im Track 29.

Vor zwei Tagen habe ich versucht, die Welt des Country-Rap besser kennenzulernen—den Teil, von dem mir Yelawolfs Management sagte, er wolle sich davon distanzieren. Also besuchte ich Mikel Knight, den selbsterklärten "Country-Rap-König". Knight ist ein Weißer, der Cowboyhut und -stiefel trägt und selten Musik veröffentlicht oder spielt. Aber er hatte es geschafft, in vier Jahren angebliche zwei Millionen Alben zu verkaufen—allein mit Direktverkäufen an Tankstellen und auf Walmart-Parkplätzen.

Der Geschäftsführer dieser Operation, FAT Thomi, ist ein alter Hase im Musikgeschäft, der einst HipHop-Promos für Arista Records machte. Er erklärt mir, was er für Knights Stärke hält: "Vor fast sieben Jahren kam ich zu dem Schluss, dass schwarze Rapper bald Geschichte sein werden. Ich verfolgte Trends. Und ich sah immer mehr weiße Rapper … ich wollte jemanden, der weiß ist, weil es noch etwas ganz Neues war." Die Prophezeiung hat sich zwar nicht bewahrheitet, doch FAT Thomi, der schwarz ist, blieb am Ball. In Knight glaubte er, den richtigen Künstler gefunden zu haben. "Als ich seine Musik und seine Geschichte hörte, sah ich darin die größte Sache im Musikgeschäft, weil er die zwei größten Genres kombinierte, die noch niemand verschmolzen hatte."

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Hick-Hop entfacht die endlose Debatte über weiße Menschen im HipHop neu, aber mit einem komplizierten Zusatz. Yelawolf, Struggle und Bubba Mathis bringen ländliches Gedankengut in HipHop ein, doch Mikel Knight hebt HipHop aus den Angeln und presst ihn in Country-Form—im Grunde macht er Rap verdaulicher für weiße Südstaatler.

Wie FAT Thomi sagt: "Mikel erkennt, dass Billy aus dem Kaff in Tennessee sich in Lil Waynes Aussagen nicht wiederfindet. Die Leute identifizieren sich mit dem, was ihnen vertraut ist. Also denke ich, ja, Country-Leute akzeptieren eher jemanden, der in Cowboy-Montur rappt, als einen, der mit Goldzähnen und Baseball-Cap daherkommt." Knights Recherchen führten ihn ebenfalls zu dem Schluss, dass Rap bei Country-Fans eine Chance hatte: "Ich ging in jede Country-Bar und fragte nach dem Format. Sie sagten immer: ‚Es ist 'ne Country-Bar.' Ich fragte: ‚Und wie ist es nach Mitternacht?' Dann hieß es: 'Ach, ja, wir spielen diesen Rap-Dreck.'"

Musik basierend auf einem Marketing-Gimmick zu machen kann auch nach hinten losgehen. Knight bezeichnet sich als Pionier, der Rap in Country-Bars eingeführt hat, doch manche seiner Texte klingen, als stammten sie von einem Spruch-Shirt aus einem billigen Souvenirshop. In "We Don't Give a Truck" rappt er: "You ain't gotta like how I wear my pants / You ain't gotta like my rebel flag / You ain't gotta like my tat / But you can kiss my country ass."

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Nach dem Konzert im Track 29 gibt Struggle auf dem Parkplatz einer Tankstelle ein Autogramm.

Knight wuchs ohne Vater auf und lebte bereits mit 15 alleine. Er hat mehrere Haftstrafen hinter sich, für Verbrechen wie häusliche Gewalt und versuchten Raub. Während der letzten Haft fand Knight zu Gott, der ihm laut eigener Aussage die Idee für das Maverick Dirt Road Street Team (MDRST) gab. Mit etwa 40 Angestellten operiert es aus einem riesigen Lagerhaus am Rande von Nashville heraus. Das Team fährt in einer Busflotte mit Knights Konterfei durch die Kleinstädte der USA. Sein einziges Ziel: CDs mit Knights Musik verkaufen.

Unter einer Südstaatenflagge, auf der "Heritage not hate" steht, lerne ich in Knights Wohnanlage-Mitglieder des MDRST kennen. Knight nennt sie "Zweite-Chancer". Viele von ihnen haben eine ähnliche Hintergrundgeschichte wie er selbst: kein Vater, jung von zu Hause ausgezogen, Straftäter.

Ein Verkäufer hat seine Kinder verlassen, um mit MDRST zu touren, und hofft, seine eigene Country-Rap-Karriere zu starten. Ein anderer sagte, er sei eine Woche zuvor dem Teufel auf einem Walmart-Parkplatz begegnet und habe fast an einem Speedball eine Überdosis erlitten. Er behauptete, mehrere Minuten lang tot gewesen zu sein, bevor Sanitäter ihn wiederbelebten. Eine Woche später war er wieder unterwegs, um CDs zu verkaufen. Die Crew steht um 6 Uhr morgens auf, betet zusammen, macht Fitnessübungen und geht dann auf 14-stündige Verkaufsschichten. Dieser anstrengende Zeitplan forderte 2014 zwei Leben, als übermüdete Teammitglieder einen Autounfall hatten.

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Yelawolf, Struggle und Bubba Mathis bringen ländliches Gedankengut in HipHop ein, doch Mikel Knight hebt HipHop aus den Angeln und presst ihn in Country-Form—im Grunde macht er Rap verdaulicher für weiße Südstaatler.

Auf einem Schotterplatz zwischen einem Diner und einer Tankstelle in Henderson, Tennessee, versuche ich mich als CD-Verkäufer. Den ersten Erfolg habe ich bei einer Seniorin in einem weißen Ford Escort, der ich winke, als sie zur Zapfsäule fährt. Sie lebt tief in den Bergen und hat nicht viel Geld dabei, doch sie sagt, ihren beiden Töchtern könnte die Musik gefallen, also wolle sie es versuchen. Wir verkaufen im Laufe des Tages CDs an Kleinstädter, die damit kämpfen, ihre Rechnungen zu bezahlen. In gewisser Weise unterscheiden sich die Verkäufer und Käufer kaum.

Knight reitet auf einer Welle der Beliebtheit, die 2011 einen Höhepunkt erreichte, als Jason Aldean—ein weißer Pop-Künstler im Cowboy-Outfit, der noch nie gerappt hatte—ein Cover des Country-Rap-Songs "Dirt Road Anthem" veröffentlichte. In einem Schwarz-Weiß-Video singt er eine konventionelle Country-Hook und rappt Strophen über unbefestigte Straßen und Pick-up-Trucks. "Dirt Road Anthem" ging durch die Decke: Es war der größte Country-Hit des Jahres. Der Song läutete auch die Bro-Country-Ära ein, in der Künstler wie Florida Georgia Line blindlings HipHop- und EDM-Elemente übernahmen. Hick-Hop war schon fast Mainstream geworden.

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Dabei war "Dirt Road Anthem" ein völlig originalgetreues Cover eines Songs, den ursprünglich ein Typ namens Jason Farris Brown gespielt hatte. Brown ist besser unter seinem unfassbar amerikanischen Künstlernamen bekannt: Colt Ford.

Colt Ford könnte nicht weiter vom Bild des modernen Rappers entfernt sein. Er ist ein beleibter, weißer selbsterklärter "Redneck" aus Athens, Georgia, mit Hufeisenbart und geröteten Wangen, der früher Profi-Golfer war. Sein Label, Average Joes Entertainment, dominiert den Country-Rap-Markt, ohne jemals im Mainstream des Country oder HipHop angekommen zu sein.

Mikel Knight im Fitnessraum in seinem Büro in Nashville.

Beide Seiten reagierten wütend auf Fords frühe Arbeit. Country-Puristen schimpften über mangelnden Respekt vor den Traditionen einer altehrwürdigen Kunst. Ein Blogger setzte sogar alle, die mit ihm kollaborierten, auf eine Schwarzliste. Für HipHop-Fans war es ausbeuterischer Rap in Weiß, vor allem weil hier auch noch das musikalische Fundament des Genres ausgehebelt wurde. Statt dem Rap-Publikum den Südstaaten-Slang näherzubringen, wie zum Beispiel OutKast es gemacht hatten, eigneten Künstler wie Ford sich Rap an und adaptierten ihn für Country-Fans.

In dem Song "Answer to No One" rappt Ford stolz, er sei ein "shotgun toter, Republican voter"—ein großer Kontrast zu den Wurzeln des HipHop als schwarze Protestmusik. Vor allem, wenn ein konservativer Politiker wie Rick Perry den Song auch noch im Wahlkampf benutzt. Der ehemalige Gouverneur von Texas bemühte sich um die Position des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, und Ford änderte sogar eine Zeile, die sich ursprünglich auf den Country-Künstler Hank Williams Jr. bezogen hatte, sodass sie lautete: "Rick Perry supporter / let's protect our border". Perry hat sich in der Vergangenheit vor allem mit seiner Hardliner-Haltung in Bezug auf die Überwachung der US-mexikanischen Grenze profiliert.

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Die Empörung über seine Fusion verspottete Colt Ford in einem Track namens "Hip-Hop in a Honky Tonk", in dem er sarkastisch rappt, Hank Williams würde sich im Grabe umdrehen, wenn er mitbekäme, dass Rap die heiligen Kneipenhallen von Nashville erobere. Er tat sich mit dem Rap-Veteranen Shannon Houchins zusammen, der zuvor mit Bubba Mathis gearbeitet hatte. Zusammen schafften sie es, die kritischen Wächter der Musikindustrie zu umgehen und ihren Country-Rap direkt an die Fans zu verkaufen.

2011 bekam Houchins einen Anruf von einem Mann, der einen "Schlammpark" namens Pleasant View 4x4 in Nichols, South Carolina, betrieb. Houchins war im ländlichen Georgia aufgewachsen und hatte hinter dem Haus eine Sandgrube zum Quad-Fahren gehabt, doch von einem Schlammpark hatte er noch nie gehört.

Für HipHop-Fans war es ausbeuterischer Rap in Weiß, vor allem weil hier auch noch das musikalische Fundament des Genres ausgehebelt wurde.

Der Mann aus Nichols bot mehr Geld, als Ford jemals für einen Auftritt bekommen hatte. Als sie dort ankamen, fanden die Männer ein leeres Feld vor, auf dem normalerweise Quads und Monster-Trucks durch den Schlamm düsen. In der Ferne stand eine behelfsmäßige Bühne mit einem Soundsystem.

Im Laufe des Tages füllte sich das Feld mit Konzertbesuchern, die mehr als 150 Kilometer gereist waren. Die Leute grillten und tranken bei ihren Pick-up-Trucks. Alle Fans, die nicht schon aus freien Stücken in Schlammpfützen gesprungen waren, wurden von den Trucks mit Matsch bespritzt. Normalerweise verkaufte Ford pro Auftritt Fanartikel im Wert von etwa 800 Dollar, doch in diesem Dorf im Nirgendwo in South Carolina waren es mehr als 12.000 Dollar. Etwa 4.700 Personen erschienen zu einem Konzert in einem Ort mit weniger als 400 Einwohnern.

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Zurück in Nashville durchsuchte Houchins das Internet nach allem, was nur ansatzweise nach einem Schlammpark klang, und fing an zu telefonieren. "Anfangs hatte ich eine Liste mit 26 Adressen", sagt er mir. "Jetzt habe ich 600."

Knight und sein Sohn Maverick auf dem Parkplatz von Knights Büro.

Yelawolf ist stolz auf seine Südstaatenwurzeln. In "Whiskey in a Bottle", der bereits "Slumerican" definiert, fordert er: "Call me Redneck, I just tattooed it." Und das ist nicht nur ein Spruch: Das Wort sitzt in großen roten Blocklettern über seinem Schlüsselbein. Am Abend meines Besuchs trägt er eine Jeansweste mit einer Südstaatenflagge auf dem Rücken.

Er verteidigte das Symbol 2015 vehement in einem Instagram-Post, der inzwischen gelöscht wurde: "Auf keinen Fall lasse ich mich wegen der Ignoranz anderer von meinen Wurzeln losreißen … Ihr scheiß Fuckboys könnt die Klappe halten mit eurem Anti-Dixie-SCHEISS!! Ihr Medienparasiten in Mode und Nachrichten nutzt das Geschäft doch voll aus […] Wir lieben unsere Kleinstädte und unsere Leute […] Ich habe das WACHSTUM und die MACHT gesehen, NICHT DEN UNTERGANG!!!" Dies war nicht lange nach dem Massaker in der Emanuel African Methodist Episcopal Church in Charleston, South Carolina, bei dem ein weißer Rassist und Fan der Konföderierten-Flagge neun schwarze Kirchenbesucher erschoss.

Auch wenn Yelawolfs Musik dem Country in ihrer Verwendung von Symbolen wie Südstaatenflaggen, Cowboyhüten, Whiskey und Trucks in nichts nachsteht, bieten seine Songs meist ein differenzierteres Bild dessen, was es bedeutet, in den USA arm und weiß zu sein. "I grew up in the deep gutter / Raised by wolves, church steeples, and a single white mother" heißt es in "To Whom It May Concern". Der Song ist eine Art offener Brief an alle Kritiker, die nach seinem Flaggen-Post laut wurden.

In seinem typischen Stakkato rappt er mehr als acht Minuten lang über die blutige Geschichte des Südens, Rassismus und seinen Willen, die Südstaaten zu verbessern. "I took it upon myself to adopt all of these outcasts / I took the American and the Confederate flag / Threw it in my back pocket, I even went and got tats / And carried them like a shield for the shit that once held me back."

Yelawolf erwähnt auch die Vorurteile gegen Südstaatler: "All these years we'd been / The brunt of the jokes, America made it clear that we were backwards, wrong / Behind and segregated." Doch dann geht er mit wütender Anteilnahme auf das Massaker von Charleston ein und entschuldigt sich: "Black American culture is in the thread of my veins / It's rock'n'roll till I die, I'm just a rebel in shame / Yes, I apologize for me and anybody with that flag / Honestly, any proud Southerner is sad."

Diese Ernsthaftigkeit und Reflektiertheit findet sich selten bei anderen Country-Rap-Künstlern. Yelawolfs Ausführungen zu derart schwierigen Themen lassen deutlicher erkennen, warum er versucht, sich von dem Genre zu distanzieren und warum er nicht im selben Atemzug wie Colt Ford und Mikel Knight genannt werden will.

Vor diesem Hintergrund wird auch nachvollziehbarer, was als Nächstes in Yelawolfs Wohnung passiert. Ich schaffe kaum ein paar Sätze, in denen ich ihm ein Interview schmackhaft machen will, bevor er das Ruder an sich reißt und mich zerlegt. Mit Bezug auf den vier Jahre alten VICE-Artikel, der sein Aussehen verspottete, bezeichnet er unsere Website als ausbeuterisch, wirft uns vor, "Kindergartenjournalisten" zu sein, und nennt mich wiederholt "Nerd". Einige Male tritt die Frau in Wildleder hinter ihm hervor, um mir Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Struggle Jennings und Bubba Mathis sitzen im Hintergrund und trinken ruhig ihre Drinks.

Nur wenn er einen Schluck Jack Daniel's nimmt, komme ich zum Verschnaufen. Jedes Mal bietet er mir auch etwas an. Langsam kommen wir auf einen gemeinsamen Nenner. Er legt den Arm um meine Schulter, lehnt sich nahe an mich und spricht in einem versöhnlich klingenden, lauten Flüstern. Er sagt, wenn ich eine Story über ihn schreiben wolle, müsse er der einzige Künstler sein, den ich interviewe. Ich sage ihm, das sei unmöglich.

"Warum?", fragte er. "Weil ich schon mit anderen Leuten geredet habe", sage ich. "Mit wem zum Beispiel?" "Zum Beispiel Mikel Knight …" Dann leckt Yelawolf mein Gesicht ab, sagt mir, ich solle mich verpissen und geht nach oben.