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Der Kurator-Pornostar der dOCUMENTA

In Kassel gab es mehr Ego als Kunst zu bestaunen, wir nennen das Ganze also lieber mal „Kuratoren-Porno“.

Vielleicht erinnerst du dich an den Artikel, den ich über die Pressemappe des Grauens geschrieben habe. 19 Bilder von Carolyn Christov-Bakargiev, der Leiterin der dOCUMENTA (13), zierten die dOCUMENTA-Promo-CD-Rom für Journalisten (viel mehr war nicht drauf). Mehr Ego als Kunst, ich nannte das Ganze „Kuratoren-Porno“.

Der Artikel bekam einen Haufen Aufmerksamkeit. Ein Kurator und Künstler aus Berlin namens Theo Ligthart fragte mich also, ob ich die Kuratoren-Porno-CD-Rom mit all den Bildern als Kunstwerk in seiner Kreuzberger Galerie, dem Das Korn Lab, zeigen will. Klar wollte ich das und so druckten wir die 19 Pressefotos auf ein Set von 250 Rahmen und stellten sie in der Galerie zusammen mit einem goldenen Dildo inklusive dem Aufdruck „#curatorporn“ aus.

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Schnellvorlauf zur dOCUMENTA-Pressekonferenz. Ich nahm dafür eine nicht sehr glamouröse Busfahrt auf mich und hatte einige gerahmte Bilder dabei.

Ich bin schon auf einigen Pressekonferenzen gewesen, aber noch nie auf so einer. 1.500 Journalisten aus der ganzen Welt schwärmten heran, um das Event festzuhalten. Das Gedränge war so groß, dass es in der Zeitung thematisiert wurde. Die Halle war riesig, aber immer noch nicht groß genug, um darin das Ego der Kuratorin unterzukriegen.

Da stand ich also als einziges Mädchen neben all den Fotografen und wartete auf den Beginn der Pressekonferenz, doch bevor es losgehen sollte, stellte ich noch schnell das silbergerahmte Porträt der Kuratorin vor ihren Platz. Die Fotografen rasteten aus und begannen, wie wild zu fotografieren.

Der französische Künstler Thierry Geoffroy hörte unterdessen nicht auf, die Journalisten mit Fragen zu durchlöchern: „Was fotografiert ihr da? Es passiert doch nichts! Ihr macht Fotos eines Bildes! Fotos eines Fotos! Warum? Warum seid ihr Journalisten alle hier und nicht irgendwo anders?“

„Ich mache nur meine Arbeit!“, schrie einer der Fotografen. „Ich werde dafür bezahlt, hier zu sein.“

Dann begann endlich die Pressekonferenz. Die Kuratorin wurde an ihren Platz geführt. Niemand bemerkte das gerahmte Bild. Jeder hatte fünf Minuten Redezeit, doch die Kuratorin machte sich nichts daraus und hielt eine Rede, die beinahe eine Stunde lang war. Diese Rede war so langweilig, das sie sich wohl selbst langweilte. „Auslassen, auslassen“, murmelte sie vor sich hin, als sie durch ihre Notizen blätterte und endlich waren wir auch am Ende angelangt.

Darauf durften wir endlich Fragen stellen. Ein Mikrofon machte die Runde und alle männlichen Journalisten attackierten sie. Es war die brutalste Pressekonferenz, der ich jemals beiwohnte. Einer der Typen fragte: „Warum sind Sie so verwirrt und ungebildet?“ Sie antwortete: „Ich wusste nicht, dass heute Sportjournalisten anwesend sind." Eine letzte Frage durfte gestellt werden und sie kam von mir. Als ich mich über das Mikro beugte, fühlte ich mich wie David, der mit Goliath sprach. „Ich heiße Nadja und ich habe den überaus erfolgreichen Artikel ‚Die dOCUMENTA und die Pressemappe des Grauens‘ geschrieben.“ Die Kuratorin nickte wissend. „Diese Frage kommt aus meinem eigenen Ego“, sagte ich, „aber was ist ihre Meinung dazu, dass die Leute meinen, dass diese Ausstellung sich zu sehr um ihre Person dreht?“ „Ich würde ihnen sagen, dass sie sich die Ausstellung ansehen sollen“, sagte sie und im Publikum brach Applaus aus (irgendjemand schrie jedoch „BULLSHIT!“) „Ich bin eigentlich sehr demütig“, meinte sie, obwohl unter ihr ein Bild von ihr stand.

Nach der Pressekonferenz eröffnete ich einen kleinen Laden und nannte ihn schlicht „Documenta Souvenirs 40€.“ (Ich verkaufte aber auch Tampons für 50 Cent) Die meisten Leute lachten und posierten für Bilder, aber ein Käufer (sogar ein Kurator) zahlte mir 20 Euro und fragte mich nach einem Autogramm. Ich hatte fast genug Geld zusammen, um nach Hause zu kommen.