Wie sagt man Felix Baumgartner, dass man ihn nicht mag, ohne verklagt zu werden?

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Wie sagt man Felix Baumgartner, dass man ihn nicht mag, ohne verklagt zu werden?

Wir haben bei einem Medienanwalt nachgefragt, wie man Baumgartner rechtlich korrekt beschimpft.

Foto: Kurt Schorrer | Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.0

Nach dem jüngsten Aussetzer unseres Lieblings-Wut-Posters Felix Baumgartner schlagen die Wogen und Emotionen auf Twitter und Konsorten (zurecht) hoch. Solltet ihr in den letzten Tagen eine strikte Social-Media-Detox-Kur gehalten haben oder schlicht hinterm Mond leben, hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung:

Nachdem die österreichische Traditionsmarke Palmers am Osterwochenende ein doch recht fragwürdiges Werbe-Sujet mit leicht bekleideten, extrem schlanken Frauen auf Facebook postete, die sich gesichtslos und von Dreck umgeben auf einem Teppich rekelten, äußerte sich unter anderem die Puls4-Infochefin Corinna Milborn dazu.

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Wenig verwunderlich, fand Baumgartner die Aufregung um das Posting eher lächerlich (erinnern wir uns doch kurz an den Tag, als er seine Freundin als Tisch nutzte). Er schlug mit einem geschlechterspezifischen Gegenangriff auf die Journalistin zurück: Es sei kein Wunder, dass sich Corinna Milborn "bei der Figur" über das Sujet aufrege. Er würde deshalb gerne – selbst ohne Fallschirm – "dazwischen rein springen".

Nachdem das Thema von diversen Medien aufgegriffen wurde, meldete sich schließlich auch Milborn selbst via Video-Posting auf Facebook zu Baumgartners Unterstellung und lud ihn ein, in ihrer Sendung Pro & Contra über sein augenscheinlich fragwürdiges Frauenbild zu diskutieren.

Gestern Abend kam nun Felix Baumgartners (zugegebenermaßen ungewöhnlich durchdachte) Antwort in Form eines regelrechten Facebook-Pamphlets: Er lädt Corinna Milborn "ganz sportlich zu einem Auswärtsspiel" bei seinem Haus- und Hof-Sender ServusTV ein und diktiert ihr dabei in seinem Posting seine Bedingungen. Ein Sender, der – das nur so nebenbei – auf Facebook gezielt versucht, Personen zu erreichen, die sich für die FPÖ interessieren. Genauer gesagt: FPÖ-affine Männer. Wenig verwunderlich, wo doch die Ausrichtung des Senders seit längerem in der Kritik steht, sich stark Richtung Rechts zu lehnen.

Insofern ist es kein Wunder, dass sich jeder, der Baumgartners Meinung nicht teilt, auf so ziemlich allen zur Verfügung stehenden Kanälen darüber echauffiert. Hier eine kurze Auswahl an Kommentaren, die sich allein seit Baumgartners letzter Milborn-Attacke auf Facebook und Twitter gesammelt haben:

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"Es muss wieder gesagt werden: Der Felix Baumgartner ist ein besonders dummer Mensch."

"Felix Baumgartner ist einer der größten Hurensöhne auf diesem Planeten."

"Baumgartner hat wohl doch nicht die Eier ohne jemanden, der ihm das Patschihandi hält, zur Corinna Milborn zu gehen."

"Felix Baumgartner beweist eindrucksvoll und wiederholt, dass nicht in jedem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnt."

"Diesem Macho-Arschloch sollte eh mal wer zeigen, wo der Hammer hängt!"

"Dieser geistige Einzeller hat nichts Anderes verdient."

"Felix Baumgartner hat noch nie etwas Sinnvolles und Kluges von sich gegeben. Was soll man von so einem Typ schon erwarten?"

"Der hat nicht einen Knall. Der hat 200."

"Felix Baumgartner hat offensichtlich keine Eier und einen Kurzen noch dazu."

"Die Wahrscheinlichkeit, dass Baumgartner auch nur einen Satz intellektuell erfassen kann, geht wohl so gegen Null."

OK, wir haben es verstanden – ihr seid aufgebracht, ein bisschen grantig und die sozialen Medien bieten das perfekte Ventil dafür. Aber Obacht: Zuviel Wut und Ärger können auch nach hinten losgehen, wie uns Heinz-Christian Strache schon des Öfteren bewiesen hat. Richtiges, straffreies Beleidigen will also gelernt sein – und wir wollen euch dabei vor dem Gröbsten bewahren.

Meinungsfreiheit ist nicht Beschimpfungsfreiheit

"Grundsätzlich ist alles eine Sache der Auslegung", meint dazu der Medienrechtler (und Medienanwalt von VICE Austria) Mag. Wolfgang Renzl auf die Anfrage hin, welche dieser Aussagen erlaubt, und welche eher ungünstig sind. "Natürlich dient die Meinungsfreiheit aber nicht dazu, schlicht zu beschimpfen", sagt Renzl weiter.

"Arsch mit Ohren" und "Trottel" sind eher schwierig

Sprich: Solange Beschimpfungen nicht auf Tatsachen beruhen, sind sie strafbar. "Hurensohn" könnt ihr somit schon einmal von eurer Liste streichen. Auch Wörter wie "Macho-Arschloch" oder "Trottel" würden vor Gericht wohl nur kaum durchgehen, wobei sich Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Artikel 10 deutlich mehr gefallen lassen müssen – Beispiele dafür wären eine Karikatur, die Strache als "Arsch mit Ohren" bezeichnete oder die Nennung von Jörg Haider als "Trottel", die ihrerzeit beide durchgingen.

Die Trottel-Entscheidung sei bei Baumgartner allerdings nicht anwendbar, meint Renzl. Stichhaltige Begründungen für diese Bezeichnung zu finden, sei nämlich schwierig: "Baumgartner aufgrund seiner Postings einen Sexisten zu schimpfen, ist völlig gerechtfertigt. Ihn deswegen allerdings zum Beispiel gleichzeitig als Nazi zu bezeichnen, ginge nicht in Ordnung – das wäre ein Wertungsexzess."

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Kreativität und Argumentation sind der heilige Gral

Man muss seine Aussagen also immer möglichst gut begründen können. Ob man All-Felix dabei direkt adressiert, oder nur im Konjunktiv spricht, ist dabei übrigens ziemlich egal. Zu behaupten, Baumgartner sei dumm oder könne keinen einzigen Satz sinnerfassend lesen, würde also äußert knapp an der Grenze entlang schrammen. "Ihn nur wegen seiner Typos als 'dumm' zu bezeichnen, ist schwierig und auch ein bisschen übertrieben – da müsste man schon sehr gut argumentieren", sagt der Medienrechtsexperte dazu.

Ghostwriting ist keine Beleidigung

Den Verdacht zu äußern, Baumgartners jüngstes Facebook-Posting sei nicht ganz ohne fremde Hilfe zustande gekommen, wird einen dafür wahrscheinlich kaum vor den Richter bringen. "Auch diese Aussage muss begründet sein. Allerdings ist sie für Baumgartner nicht wirklich nachteilig auszulegen. Er hat den Post nicht selbst verfasst? So what! Das ist keine Beleidigung."

Sachlichkeit und Mäßigung

Zusammenfassend kann man also sagen, dass wir uns wohl alle ein bisschen mehr an Corinna Milborn orientieren sollten; dem Auge des (Shit-)Sturms. Bei ihrem Konter hat die Journalistin nämlich nicht wie so viele von uns aus der Emotion heraus reagiert, sondern stattdessen versucht, die Diskussion mit nüchternen Argumenten zu versachlichen und abkühlen zu lassen. Strafbar könnte im Zweifel nämlich so gut wie alles sein – Auslegung geht schließlich in beide Richtungen.

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