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Geflüchtete Syrer erzählen von Rassismus beim Daten

"Jede Frau, die ich bisher kennengelernt habe, hat mich auf meinen Asylstatus und mein Heimatland reduziert." – Labib, 27
Zwei Männer laufen Hand in Hand durch einen Park
Symbolfoto: imago | Westend 61

Die Lage für Geflüchtete in Österreich ist ziemlich beschissen. Erst letzte Woche sorgte ein Asylquartier für Jugendliche und Kinder, das mit Stracheldraht umzäunt ist, für Aufruhr. Dann ist da noch die FPÖ Döbling, die keine muslimischen Migranten und Migrantinnen mehr in Gemeindebauten haben möchte. Zudem will die FPÖ jungen Asylwerbern und -werberinnen die Möglichkeit nehmen, eine Lehre zu machen. Außerdem können Auszubildende trotz Lehre – anders als in Deutschland – abgeschoben werden, sollten sie einen negativen Asylbescheid bekommen.

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Als Geflüchteter musst du in Österreich also um deine Wohn-, Arbeits- und Ausbildungssituation bangen. Und währenddessen inszenieren Medien ein frauenverachtendes, rückschrittliches Bild des fremden "Wirtschaftsmigranten". Politiker und Politikerinnen verbreiten Angst, Hetze und gefährliche Stereotype.

Das beeinflusst natürlich auch zwischenmenschliche Beziehungen. Wir haben mit sechs Syrern darüber gesprochen, wie die politische Lage in Österreich ihr Privatleben beeinträchtigt und welche Rassismuserfahrung sie beim Dating gemacht haben.


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Dorid*, 35, Freelancer in der Kunst- und Kulturszene

"Das Daten in Österreich ist sehr frustrierend, das sieht mein Freundeskreis genauso wie ich. Im Sommer war ich in einer Latino Bar und habe dort eine Frau kennengelernt. Wir haben uns nett unterhalten und als sie mich gefragt hat, ob ich Brasilianer sei, habe ich ihr erklärt, dass ich Syrer bin. In dem Moment hat sie sich ohne einen weiteren Kommentar umgedreht und ist gegangen.

Ein anderes Mal habe ich eine Frau auf Tinder kennengelernt. Wir haben uns richtig gut verstanden und stundenlang gechattet. Zwischendurch habe ich unsere Konversation unterbrochen, weil ich mit meiner Mutter telefoniert habe, die in Katar lebt – das habe ich ihr auch so gesagt. Die Frau hat vorgeschlagen, dass wir uns am Tag darauf treffen und schwimmen gehen sollten. Ich hab natürlich zugesagt, ich hatte ja Interesse an ihr. Das Date lief super, wir haben viel gelacht und hatten eine schöne Zeit zusammen. Sie meinte dann auch, dass sie abends noch nichts vor hat und ich mit zu ihr kann, weil sie gleich in der Nähe wohnt. Sie hat mir von ihrer Kindheit erzählt – ich ihr dann auch von meiner in Damaskus. Und ab diesem Moment ist die Stimmung gekippt. Sie meinte dann: 'Moment, Damaskus liegt doch in Syrien? Du bist aber aus Katar?' Woraufhin ich ihr erklärt habe, dass lediglich meine Mutter in Katar lebt.

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Keine zehn Minuten später hat sie mir gesagt, dass sie los muss. Sie hätte vergessen, dass sie mit Freunden verabredet sei. Sie hat mich noch am selben Tag blockiert und ich habe nie wieder etwas von ihr gehört."

Radwan*, 31, Hotel-Angestellter

"Ich date seit zwei Jahren eine Frau: Wir sind ins Gespräch gekommen, als wir beide auf den Bus gewartet haben. Zuerst waren wir nur Freunde, aber dann haben wir romantische Gefühle füreinander entwickelt. In unserem mittlerweile gemeinsamen Freundeskreis denkt jeder, dass wir nur befreundet sind – obwohl wir eine feste Beziehung führen. Wir schlafen regelmäßig miteinander, gehen aus und machen auch sonst alles, was Pärchen so machen. Der einzige Unterschied ist, dass sie nicht möchte, dass jemand von uns weiß. Als ich sie darauf angesprochen habe, hat sie zugegeben, dass sie sich schämt. Es gehe ihr aber nicht um mich, sondern um das Bild, das Medien und Politik von Flüchtlingen zeichnen. Das ist sehr belastend für mich, weil ich eigentlich glücklich mit ihr bin."

Amir*, 30, Angestellter im Sozialbereich

"Als ich nach Österreich gekommen bin und nur Englisch gesprochen habe, war es anfangs oft so, dass mir Männer auf Dating-Apps nicht mehr zurückgeschrieben haben, wenn ich gesagt habe, dass ich aus Syrien bin. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie rassistisch waren oder einfach nur kein Interesse an mir hatten. Grundsätzlich habe ich aber das Gefühl, dass Schwule in dieser Hinsicht offener sind als Heterosexuelle. Ich weiß aber, dass sich einige Geflüchtete so vorkommen, als wären sie nur ein Toy für manche Männer.

Richtig krass finde ich, dass viele österreichische Schwule nicht mehr in bestimmte Clubs oder Bars gehen wollen, weil dort angeblich zu viele Geflüchtete sind. Viele arabisch aussehende Männer haben auch Probleme in bestimmte Clubs zu kommen, obwohl sie ja Teil der Community sind."

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Labib*, 27, Bäcker

"Ich hab vor ein paar Monaten eine Frau auf der Datingplattform Badoo kennengelernt. Ich habe gelogen und gesagt, dass ich Ägypter wäre. Ich weiß, das war nicht cool von mir. Aber es ist leider nicht das erste Mal, dass mich eine Frau aufgrund meiner Herkunft ablehnt. Ich dachte, sie wird vielleicht darüber hinwegsehen können, wenn sie mich erst kennenlernt und aus irgendeinem Grund finden Österreicherinnen Ägypter nicht so 'schlimm' – wahrscheinlich, weil sie keine Flüchtlinge sind.

Bei unserem fünften Date haben wir uns an der Donau getroffen und als sie mich gefragt hat, welche Musik ich hören möchte, meinte ich, dass sie ein arabisches Lied abspielen soll. Daraufhin ist sie wütend geworden. Sie sagte, dass sie Araber hasst. Araber seien aggressive, frauenverachtende Männer, mit denen sie nichts zu tun haben möchte. Ich hab ihr erklärt, dass das Unsinn ist und auch Ägypter Araber sind. Das hat sie nicht eingesehen und wir haben einen riesigen Streit angefangen. Schlussendlich war ich so außer mir, dass ich ihr gestanden habe, dass ich aus Syrien komme. Das war das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben. Und ich habe viele solcher Geschichten.

Jedes Mal ist der Kontakt abgebrochen, als die Frauen erfahren haben, dass ich aus Syrien bin, auch wenn ich davor nicht gelogen habe, dass ich ägyptische Wurzeln habe. Ich habe einen Job, eine Wohnung und einen durchmischten Freundeskreis: Ich entspreche nicht dem medialen Klischee eines Flüchtlings. Aber jede Frau, die ich bisher kennengelernt habe, hat mich auf meinen Asylstatus und mein Heimatland reduziert. Sie haben so viele Vorurteile gegenüber Syrern, dass es gar nicht erst zu einem Kennenlernen kommen kann."

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Fadi*, 29, Barkeeper

"Vor ein paar Wochen war ich aus und habe an der Bar eine Frau kennengelernt. Wir waren auf einer Wellenlänge und es hat sie – anders als die meisten anderen Frauen, die ich in Bars und Clubs anspreche – nicht abgeschreckt, dass ich aus Syrien komme. Später an diesem Abend haben wir uns auf der Tanzfläche geküsst. Sie hat gefragt, ob ich mit ihr und ihren Freunden in den nächsten Club möchte. Als ihre Freunde mitbekommen haben, dass wir uns näher gekommen sind, haben sie sie zur Seite genommen. Sie haben mich sehr unfreundlich angesehen und über mich geredet. Ich weiß nicht, was sie genau gesagt haben, ich habe nur gehört, wie sie mich 'Araber' nannten. Als ich sie kurz darauf gefragt habe, wann sie weiterziehen und ob ich mit kann, hat sie den Kopf geschüttelt und ist gegangen."

Die Blicke der Anderen würden sie so stören, sie selbst habe aber nichts gegen Ausländer.

Ashraf*, 28, Supermarkt-Angestellter

"Ich habe meine Ex-Freundin im Supermarkt kennengelernt, wir arbeiten beide dort. Ich war sehr froh, eine Kollegin zu haben, die so nett und zuvorkommend ist. Nach ein paar Wochen habe ich sie gefragt, ob sie mit mir ausgehen möchte. Aus einem Date wurden viele und schließlich sind wir zusammengekommen. Ich war sehr verliebt in sie und obwohl sie unsere Beziehung nicht verheimlicht hat, war sie wie ausgewechselt, wenn wir nicht alleine waren. In der U-Bahn hat sie kaum mit mir gesprochen, geschweige denn meine Hand gehalten – obwohl sie meine Nähe sonst immer gesucht hat. Ich dachte erst noch, dass sie es eben nicht so mag, wenn sich Paare in der Öffentlichkeit Zuneigung zeigen. Aber auch vor Freunden und Familie hat sie immer Distanz gewahrt. Es hat sich komisch angefühlt, wenn wir unter Menschen waren.

Irgendwann hatte ich genug und habe sie gefragt, ob ich mir das alles nur einbilde, woraufhin sie mir gestanden hat, dass ihr die Situation wirklich schwer fällt. Es sei ein Problem für sie, dass man mir so anmerke, dass ich Flüchtling bin. Die Blicke der Anderen würden sie so stören, sie selbst habe aber nichts gegen Ausländer. Ich habe die Beziehung daraufhin beendet, weil ich meine Zeit mit niemandem verbringen möchte, der nur hinter verschlossenen Türen zu mir steht."

*Um unsere Gesprächspartner zu schützen, haben wir alle Namen geändert.

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