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Divers

"Divers": Es gibt jetzt ein drittes Geschlecht

Einigen im Bundestag geht das zu weit, anderen nicht weit genug.
Person mit T-Shirt auf Parade
Foto: imago | Future Image

Der deutsche Bundestag hat es am Donnerstagabend beschlossen: Künftig kann jeder neben "männlich", "weiblich" und "ohne Angaben" auch noch "divers" im Geburtenregister angeben. Das bedeutet: Niemand muss sich mehr festlegen, "wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann", heißt es auf der Webseite des Bundestags.

Wie oft das zutrifft – also wie viele Menschen jedes Jahr "intersexuell" auf die Welt kommen – weiß aktuell niemand genau, manche Expertinnen und Experten sprechen von 100.000, manche von 160.000 Menschen in Deutschland.

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Die Zahlen sind auch deshalb unsicher, weil Eltern oft nicht wissen, wie sie mit einem intersexuellen Kind umgehen sollen. Das führt dazu, dass solche Kinder oft chirurgischen Eingriffen und hormonellen Behandlungen unterzogen werden, die ihnen ein "echtes" Geschlecht geben sollen. Und zwar meistens das weibliche, einfach weil das chirurgisch leichter zu verwirklichen ist.

Medizinisch sind solche Eingriffe aber nicht notwendig – die Betroffenen müssen nur damit zurechtkommen, dass sie sich eben nicht klar einem Geschlecht zuordnen lassen. Manche von ihnen fühlen sich später trotzdem als Mann oder Frau, manche aber auch einem "dritten Geschlecht" zugehörig.

Das deutsche Recht hat die Existenz dieser Menschen bisher völlig ignoriert (anders als zum Beispiel das alte Preußen, in dem es einen "Zwitterparagrafen" für Intersexuelle gab). In der Bundesrepublik hatten Betroffene bisher nur die Möglichkeit, ihr Geschlecht im Register ganz streichen zu lassen – was aber bedeuten würde, dass sie in vielen Fällen – Ehe, Elternschaft etc. – für den Staat theoretisch nicht mehr existieren. Für sie und Neugeborene wie sie gibt es jetzt also eine neue Möglichkeit: "divers".

Will jemand diese Bezeichnung später im Leben ändern, ist dafür eine ärztliche Bescheinigung nötig, die sozusagen nachweist, dass die Person mittlerweile als "er" oder "sie" lebt. Dieser Aspekt des neuen Gesetzes ist es, der die FDP, die Grünen und die Linken ärgert: Sie hatten sich gewünscht, dass der Staat den Menschen einfach die Wahl lässt, welches Geschlecht sie rechtlich haben wollen. "Niemand kann über sein Geschlecht besser Auskunft geben als jeder Mensch selbst", sagt der Grünen-Abgeordnete Sven Lehmann.

Die AfD war auch gegen die Gesetzesänderung, allerdings nicht, weil sie ihr nicht weit genug ging – im Gegenteil. "Die Geschlechtszugehörigkeit ist seit Bestehen der Menschheit ein objektives Faktum", erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch, "so wie Alter und Körpergröße auch."

Ein wirklich objektives Faktum ist jetzt allerdings: Im Geburtenregister wird es bald die Option "divers" geben.

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