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Grüß Gott Guantanamo

Die CSU macht aus Bayern eine Art deutsches Guantanamo

Die Polizei des Freistaats darf Menschen bald unendlich lange einsperren – nur auf Verdacht.
Foto: imago | Eibner

Ihr kennt ihn alle, diesen berühmten Satz, den Politiker nach Terroranschlägen gerne sagen: "Wir lassen uns die Art, wie wir leben, nicht kaputt machen." Zuletzt hat das zum Beispiel Angela Merkel gesagt, nachdem ein selbsterklärter IS-Anhänger mit einem LKW auf einen Berliner Weihnachtsmarkt fuhr und zwölf Menschen tötete. Auch nach den zwei Amokläufen von Flüchtlingen in Bayern im Juli hatte Merkel diesen Satz gesagt – und erklärt, wie sie ihn meinte: "Unser Bekenntnis dazu, in einer offenen Gesellschaft bestimmte Werte zu leben – gelingt es den Terroristen, das kaputt zu machen? Oder sind wir stark genug, halten wir genug zusammen, finden wir die richtigen Antworten?"

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In Bayern hat man jetzt eine Antwort gefunden. Sie lautet: Wir machen "unsere Art zu leben" einfach selbst kaputt. Zumindest ist man in dem Freistaat offensichtlich bereit, Grundprinzipien des Rechtsstaats zu opfern, um sich vor Terror schützen. Denn bald kann die bayerische Polizei praktisch jeden überwachen oder einsperren, so lange sie will – sie muss dafür nicht mal nachweisen, dass derjenige eine konkrete Straftat geplant hat. Quasi Minority Report auf Bayerisch – nur ohne Polizisten, die die Zukunft vorhersehen können.


Zum Thema: Auf unbestimmte Zeit eingesperrt


Das ist möglich, weil der bayerische Landtag am Mittwoch eine krasse Verschärfung des sogenannten Polizeiaufgabengesetzes beschlossen hat. Bis jetzt kann die Polizei nur Menschen in "Gewahrsam" nehmen, von denen eine "konkrete oder unmittelbar bevorstehende Gefahr" ausgeht – und selbst dann nur für maximal 14 Tage.

Wenn das neue Gesetz in Kraft tritt, wird das anders: Ab dann reicht es, wenn die Polizei eine "drohende Gefahr" wahrnimmt – dafür muss nichtmal eine konkrete Straftat erkennbar sein. Die Polizei kann den Gefährder dann entweder überwachen, mit einer Fußfessel ausstatten oder gleich einsperren – diesmal allerdings unbegrenzt. Alle drei Monate muss dann ein Richter bestätigen, dass der Grund für den Gewahrsam weiterhin besteht. Theoretisch ist also möglich, dass die Polizei jemanden für immer wegsperrt, ohne dass je eine Anklage erhoben oder ein Urteil gefällt wurde.

"Das alles ist eigentlich unvorstellbar, bei diesem Gesetz … denkt man an Guantanamo, Erdoğan oder die Entrechtsstaatlichung in Polen", schäumt der Journalist und ehemalige Richter Heribert Prantl in der Süddeutschen. "Dieses Gesetz ist eine Schande für einen Rechtsstaat."

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann findet das neue Gesetz aber super. "Die effizienteste Abwehr von Gefahren ist doch, diese gar nicht entstehen zu lassen", zitiert ihn die SZ. Die Opposition ist nicht so überzeugt: "Wir verteidigen unsere freiheitliche Gesellschaft nicht mit der Aushöhlung unserer Grundrechte", sagte die fraktionslose Abgeordnete Claudia Stamm.

Aber vielleicht gehört das ab jetzt einfach zu "der Art, wie wir leben" dazu – dass die Polizei dich ohne konkreten Verdacht einfach so lange einsperren kann, wie sie will.

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