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öffentliche Verkehrsmittel

Alles, was das Pendeln zur Hölle macht

Alte Menschen, Kinder, Schienenersatzverkehr. Und vieles mehr. Eine lustige Liste.
Symbolfoto: Endlisnis | Flickr | CC BY 2.0

Busse, Züge, U-Bahnen – wer hasst sie nicht? Mal hast du dein Buch oder deine Musik vergessen und wirst vor Langeweile von Minute zu Minute hibbeliger. Mal siehst du zu, wie der LTE-Empfang aufflackert und wieder stirbt, und fühlst dich jedes Mal, als hätte dir jemand einen Arm ausgerissen. Aber an langen Fahrten mit den Öffentlichen führt kein Weg vorbei, vor allem nicht in der Zukunft.

Denn die Großstädte werden irgendwann den Superreichen gehören. Der Rest von uns wird sich ins Umland verziehen, weil das Leben in der City unbezahlbar ist. Dort arbeiten müssen wir dann trotzdem, also werden wir alle zu Langstreckenpendlern und -pendlerinnen. Geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid, deshalb ist hier eine Liste von allem, was den Arbeitsweg mit den Öffentlichen so furchtbar macht.

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Rennen ist entwürdigend

Ich habe das Rennen-um-Öffis-zu-erwischen im Alter von 22 Jahren hinter mir gelassen und es seitdem keine Sekunde bereut. Wenn es mein Schicksal ist, zu spät zu kommen, dann füge ich mich diesem Schicksal. Joggen? Einen platschenden Kaffeebecher in der einen Hand, in der anderen ein halb gegessenes Croissant, derweil piep-piep-piepen die sich schließenden Türen, das Herz hämmert. Plötzlich in den Zug stolpern, schnaufend und rotwangig, und alle schauen auf und starren mich an? Nein, danke. Ich gehe mit einem würdevollen, gemäßigten Tempo auf dieses Verkehrsmittel zu. Und wenn es mein Schicksal sein sollte, es zu erwischen, dann wird das Universum einen Weg finden.

Verstehen die Menschen, die einsteigen wollen, bevor alle ausgestiegen sind, wie Denken geht?

Ich weiß, ich klinge jetzt wie ein Stand-up-Comedian und diese Routine ist bereits auserzählt, aber was ist nur mit den Leuten los, die versuchen einzusteigen, sobald sich die Türen öffnen? Was geht in ihren Köpfen vor? So funktioniert das nicht. Aber sie versuchen es trotzdem. Und ich versuche, es zu verstehen, aber mein Blutdruck schnellt in die Höhe und am Ende bin ich nur verschwitzt und genauso schlau wie vorher. Niemand versteht, warum diese Menschen so sind. Aber ich werde nicht aufhören, darüber nachzudenken.

Alte Menschen brauchen Sitze

Ich hasse es, wenn eine alte Person in den Bus steigt. Sie haben zwei Strategien, um Sitze zu verlangen: Einige fragen einfach, ob sie sich setzen können. Ich bin Engländer und finde so viel Direktheit derart verstörend, dass ich eher vor Schreck aufspringe als aus Rücksicht. Oder sie stehen einfach da, mitten im Zwischengang. Sie existieren einfach nur in deinem Blickfeld vor sich hin, aber das auf so passiv-aggressive Weise, dass du genau weißt: Sie wollen deinen Sitz. Eigentlich habe ich mir mal geschworen, keine Gnade zu zeigen, aber das hält man schlecht aus, wenn sie da vor einem stehen. Sie starren, du schwitzt, ihre Beine zittern, du schaust weg. Wo müssen alte Menschen so früh morgens überhaupt hin? Ihr könnt doch den ganzen Tag eure langsamen, mühevollen Besorgungen machen. Warum zur Stoßzeit? Neun Uhr morgens gehört den Leuten, die noch den vollen Preis für ihr Ticket zahlen, sorry. Wenn ihr es mit der Rush Hour aufnehmen könnt, dann könnt ihr auch mal stehen. (Was? Du dachtest, alle Engländer sind höflich und zuvorkommend? Mitnichten, Milady.)

Foto: Jake Smallwood

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Monatstickets kaufen ist wie sterben

Der Geldautomat piept und weigert sich, auch nur einen Zehner auszuspucken. Meist passiert es kurz vor Zahltag, und jedes Mal ist es ein Schock, weil du aus einer allgemeinen, existentiellen Angst heraus nie deinen Kontostand checkst. Aber Monatstickets zu kaufen, ist dieses eklige Gefühl mal tausend. Du stehst ewig an, um eine ordentliche Portion deines Einkommens abzutreten, nur damit du zweimal am Tag in einem Scheißzug deinen Arbeitsweg bestreiten kannst. Der Scheißzug stinkt nach Kanalisation, hat augenmissbrauchende Muster auf den muffigen Sitzen (von denen du nie einen erwischst), es ist immer zu heiß oder zu kalt, und aus irgendeinem Grund bleibt das Ding einmal die Woche für etwa 40 Minuten in einem Tunnel zwischen zwei Bahnhöfen stehen. Jetzt kommst du entweder zu spät zur Arbeit oder zu spät zum Abendessen, so oder so sind alle sauer auf dich. Ein Hoch auf Züge!

Irgendwer bedient die Fenster immer genau falsch

Warum machst du im Winter die Fenster auf, Kumpel? OK, schon stickig hier drin, aber besser, als vollgeregnet zu werden. Warum machst du im Sommer ein Fenster zu, meine Beste? OK, es kommen Fliegen rein, ist aber besser, als zu sterben. Und warum malst du an einem verregneten Tag mit deinen Fingern auf der beschlagenen Fensterscheibe? Du weißt schon, dass diese Feuchtigkeit der kollektive Atem aller Mitfahrenden ist? Im Grunde steckst du gerade deine Hand in den Mund des gesamten Busses und fährst dir danach mit denselben Griffeln übers eigene Gesicht. Was auch immer für eine Mega-Grippe du dir damit anlachst, du hast sie verdient. Du könntest auch gleich den Boden ablecken.

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Der Schienenersatzverkehr – ein Ort, an dem die Gesetze der Zivilisation nichts gelten

Ein Gutes hat das tägliche Gependel ja: Alle kennen ihren Platz, ihre Linie, ihre Abfahrtszeit. Wir haben eine Art stillen Respekt voreinander und vor der Tatsache, dass du ein rücksichtsloses Arschloch sein musst, um einen Sitz zu ergattern. Aber es gibt Grenzen, wir rammen einander keine Ellbogen ins Gesicht, immerhin müssen wir genau diese Gesichter am nächsten Morgen wiedersehen. Aber wenn ein Zug spontan ausfällt und dafür Ersatzbusse fahren? Gnade euch Gott. Ich würde dir die Pulsschlagader mit den Zähnen rausreißen, bevor ich noch mal eine Viertelstunde auf den nächsten Ersatzbus warte. Für einen Sitz in diesem Bus bin ich bereit, noch mehr zu tun. Ich werde deine Familie finden.

Oh yay, ein ganzer Bus voller Kinder

Ich habe mir vor Kurzem ein Spektrum der menschlichen Emotionen ausgedacht, oder zumindest die Endpunkte und eine gesunde Mitte:

DAS BESTE GEFÜHL DER WELT
Ein Zehnjähriger sein, der gleich zum ersten Mal "Fuck" sagt
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Jedes andere Gefühl, inklusive Liebe
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DAS SCHLIMMSTE GEFÜHL DER WELT
Dein Bus kommt zum Stehen, die Pneumatik senkt ihn auf einer Seite ab, eine ganze Klasse von Grundschülern in leuchtgelben Westen strömt hinein und quasselt dabei unablässig über Dabbing und Pokémon. Irgendwie schaffen sie es außerdem, unfassbar klebrig zu riechen.

Ich glaube, dieses Spektrum ist perfekt. Womöglich bin ich ein Genie und habe die volle Bandbreite aller möglichen Gefühle zusammengefasst. Jedenfalls solltest du definitiv diesen Bus verlassen. Deine Nerven brauchen diese Strapaze nicht. Komm einfach zu spät zur Arbeit, dort vermisst dich eh keine Sau.

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Foto: Daniel Zemans | Flickr | CC BY 2.0

Du hast dein Buch und deine Kopfhörer vergessen und hast jetzt absolut keine Beschäftigung

Ach ja, die Kopfhörer waren in der anderen Jacke. Shit. OK, dann eben das Buch, das du seit drei Monaten in Ein-Seiten-Portiönchen liest. Na toll, das waren die letzten zwei Seiten, nach fünf Minuten bist du durch. Und jetzt musst du auch noch das Buch rumschleppen. Der menschliche Geist schmilzt und zersetzt sich ohne ständige Unterhaltung, das ist wissenschaftlich bewiesen. Also liest du den Klappentext auf deinem Buch. Du starrst aus dem Fenster auf den Verkehr.

"Was, wenn der Bus auf einer Tropeninsel verunglückt", überlegst du, "und dann müssen diese Leute hier versuchen, eine neue Zivilisation zu gründen?"

Wer wäre dann deine Braut oder dein Bräutigam, fragst du dich. Wen würdest du in einem Machtkampf umbringen? Den Glatzkopf bei der Tür, keine Frage. Der wäre fällig. Wahrscheinlich würdest du ihm eine Kokosnuss über die Glatze ziehen. [ Deine Zähne rot vom Blut des gemeuchelten Feindes.] Hmm. Vielleicht liegt ja irgendwo eine Boulevardzeitung rum, dann kannst du diese viel zu realistischen Szenen aus deinem Hirn verdrängen. [ Du, brüllend im Lendenschurz, mit blutigen Handabdrücken auf dem Oberkörper.] Gibt's hier nirgends eine Seite von einem Schundblatt? Komm schon. [ Du schreist, bis du heiser bist, deine Stimme verhallt im endlosen Tropenhimmel.] Ah, endlich ein bisschen Boulevard-Unterhaltung. Was wäre der Mensch ohne sie.

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"Können Sie mal bitte aufrücken?"

Ich verstehe, dass man das ab und zu sagen muss. Öffentliche Verkehrsmittel sind so was wie ein kompliziertes Stück Performancekunst, dessen einzige Botschaft lautet: "Die meisten Menschen haben keinerlei räumliches Bewusstsein." Aber dieser Satz ist trotzdem einer der schlimmsten, die ein Mensch aussprechen kann. "Können Sie mal bitte aufrücken? Es wollen noch Leute einsteigen." Ich hätte nie den Mut, das zu sagen. Ich würde eher in eine Ecke gedrängt zwischen zwei schwitzenden Touristen ersticken, wie eine welke Sonnenblume an die sich schließenden Türen gepresst, als in einem vollen Verkehrsmittel laut zu sprechen.

Den Mut, so etwas auszusprechen, in allen Ehren, aber: Scheiß auf diese Leute. So ein Zug kommt alle paar Minuten. Scheiß auf euch alle. Hier hinten ist auch kein Platz, du Pfosten! Niemand hier rückt wirklich weiter, wir bewegen einfach nur sinnlos die Füße hin und her! Weil kein Platz ist! Halt die Fresse!

Diese ungewöhnlichen Männer, die das Pendeln mit einer schönen und grausamen Perfektion beherrschen

Am Gleis gibt es eine Stelle, wo der Farbstreifen am Boden besonders abgenutzt ist. Dort sind die Türen, wenn der Zug hält, und dort steht er und wartet, ein klein wenig zu nah am Abgrund, seine Mails lesend. Du musterst ihn von Kopf bis Fuß: Anzug, Hemd, (noch) keine Krawatte, Laufschuhe. Ab und zu bearbeitet er im Zug ungeniert sein Gesicht mit einem Elektrorasierer. Er hat ein Kindle in einer Klapphülle. Er bewegt sich wie ein Fisch im Wasser: als Erster durch die Tür, die Schulter senken, nach rechts abbiegen, mit perfekter Beherrschung und Eleganz in den Sitz sinken. Er trägt kabellose Kopfhörer. Fängt Minuten vor seiner Station an, seine Tasche zu packen. Die Effizienz seiner Bewegungen hat etwas Deprimierendes: so antrainiert, so festgefahren. Wie lange machst du diesen Job schon, Kumpel? Wie oft bist du schon um fünf Uhr morgens aufgestanden? Er steht jeden Tag am Gleis, hat nie Urlaub. Du kennst irgendwann seinen Anzug-Zyklus: montags und mittwochs blau, dienstags und donnerstags anthrazit, und freitags mal kein Sakko, ein bisschen Spaß muss sein. Moment – sind das die Umrisse deiner Füße, die sich da in der Farbspur am Gleis abzeichnen? Du … oh Gott, du trägst einen Anzug! Du rennst auf die Toilette (du weißt genau, wo die Toiletten sind, dieses Gleis kennst du wie deine Westentasche). Dort klatscht du dir Wasser ins Gesicht und schaust in den Spiegel: Es ist sein Gesicht. Du hast auf deinem Kindle schon 200 Seiten von deinem aktuellen Buch gelesen. Du bist dazu verdammt, sein Leben zu führen, für den Rest deiner Tage.

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Niemand weiß, wie man einen Rucksack hält

Rucksäcke gehören auf den Rücken. Bis zu dem Moment, in dem du einen Bus, eine U-Bahn oder einen Zug betrittst. Nun nimmst du ihn von deinem Rücken und hältst ihn ordentlich an der oberen Schlaufe vor deinem Körper, und zwar mit deinen Händen. Wenn du mir deinen unnötig riesigen Fjällräven ins Gesicht donnerst, schlage ich zurück. Autofahren darf man auch nicht ohne Führerschein. Unfassbar, dass wir nicht alle Rucksackkäufer einem Praxistest unterziehen, bevor sie den Laden verlassen dürfen.

Foto: Timmy_L | Flickr | CC BY 2.0

Nur Creeps missachten die natürlichen Sitzgebote

Die Sitzwahl im Bus ähnelt der Wahl des richtigen Pissoirs. Nur wenn nichts anderes frei ist, wird es akzeptabel, den Platz neben einem Besetzten zu wählen. Wer sich nah an andere setzt, obwohl es noch andere Plätze gibt, ist automatisch suspekt. Wenn du das bei mir machst, überlege ich die gesamte restliche Fahrt nervös, was du vorhaben könntest. Furchtbar schlecht riechen? Mich abstechen? Mit mir reden? Es kann nichts Gutes dabei rauskommen, wenn man die Naturgesetze ignoriert.

Die bekannten Gesichter um dich herum

Ach ja, den Typen kennst du. Der macht immer kurz ein Kreuzworträtsel und schaut dann eine Folge Family Guy auf seinem Tablet. Die Frau da verputzt auf dem Heimweg immer einen kleinen Behälter Sellerie. Da ist das Mädel mit dem schlechten Haarschnitt, die dir mal hinterhergejoggt ist, weil du deine Fahrkarte verloren hattest. All diese Leute mit ihren Gesichtern, ihren kleinen Ticks und Gewohnheiten. Aber stell dir mal vor, wenn einer dieser Menschen tatsächlich das Wort an dich richten würde. Ekelhaft. "Ganz schön heiß heute", sagt der Typ, der immer im Anzug in die Arbeit fährt, aber mit hochgekrempelten Hemdsärmeln nach Hause kommt. Sei still, Typ, ich hab dich nicht um deine Lebensgeschichte gebeten.

Die schreckliche Erkenntnis, dass all deine düsteren Gedanken über die anderen Leute auch in den Köpfen der anderen herumgeistern – über dich

Für die anderen bist du einfach nur ein Statist oder eine Statistin in ihrem monotonen Leben. Vermutlich seht ihr euch jetzt täglich, bis jemand umzieht, einen neuen Job bekommt oder stirbt. Zum Leben muss man nun mal arbeiten, und die meisten von uns können es sich nicht leisten, dort zu wohnen, wo sie arbeiten. Aber die ganze Zeit, die du damit verbringst zur Arbeit und wieder heim zu fahren, frisst deine Seele und deine Freizeit auf. Du kannst nach Feierabend zwar ein paar Bier trinken gehen, um dem vollgestopften Rush-Hour-Zug zu entgehen, aber dann stehst du da, angetrunken mitten in der City, mit einem fettigen Stück Bahnhofspizza in der Hand, weil du so spät nach Hause kommen wirst, dass Abendessen nicht mehr drin ist. Dein Leben wird zu einer Routineschleife: aufwachen, duschen, anziehen, Schlüssel, Tasche, raus, billiges Frühstück und Kaffee holen, am Gleis warten, da kommt der Zug, drängeln – zum Glück hast du einen Sitz erwischt, du brauchst ihn, du bist nämlich so unendlich müde. Du liest denselben Satz in deinem Buch wieder und wieder, aber die Bedeutung kommt einfach nicht in deinem Hirn an, denn du bist so, so müde. Hin und zurück, hin und zurück – jeden Tag, bis du in Rente gehst. Du hast eine Thermotasse gekauft, um unterwegs deinen Kaffee zu trinken, aber das lässt dich auch nicht gelassener in die Zukunft blicken. Oh Gott, hier muss doch irgendwo eine Boulevardzeitung rumliegen …

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