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In diesem Video zeigt Lena Meyer-Landrut, wie du den "Statement Look FEMINIST" schminkst

Überraschung: Ein stark pigmentierter Lidschatten hat noch keinen machtgeilen Mann zu Fall gebracht.
Screenshots: YouTube | L'Oréal Paris Deutschland

Für manche Menschen ist Feminismus ein unverständliches Hexenwerk, bei dem Frauen mit nackten Brüsten um einen Haufen ausgedruckter Margarete-Stokowski-Kolumnen tanzen und Männern ihr Ende herbeiwünschen. Für andere ist es ein politischer Kampf, der sich für die Gleichberechtigung aller Geschlechter einsetzt. Und für den Kosmetikkonzern L'Oréal war "Feminist" offenbar nichts von alledem – sondern ein guter Taufname für seine neueste Lidschatten-Palette in den Natur-Farben Grinch-Grün und Zartbitterschokoladen-Braun. In einem Video-Tutorial erklärte das Unternehmen kürzlich zusammen mit Lena Meyer-Landrut, wie man den "Statement Look Feminist" schminkt – und zeigte dabei statt feministischem Kampfgeist lediglich, wie man seine Augenbrauen korrekt bürstet.

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Bereits im Juni hatte L'Oréal Paris das knapp fünf-minütige Tutorial auf seinem YouTube-Channel hochgeladen. (Update vom 4. Juli 2018, 13.30 Uhr: Das Video wurde mittlerweile gelöscht.) In einem beneidenswert gut ausgeleuchteten Studio mit Fensterfront tupft ein Make-up-Artist Lena Meyer-Landrut, Sängerin und Werbegesicht des Unternehmens, grünes Schimmerpuder auf die Augenlider und macht ihr Komplimente für ihre wirklich sehr schönen Augenbrauen. Doch beworben werden nicht die Gesichtshaare der 27-Jährigen, sondern die schwarze Plastik-Palette, in der der Mann mit seinem Pinsel rumrührt. "La petite palette" kommt dabei in unterschiedlichen Farbtönen daher und jede der drei Ausführungen hat einen wohlklingenden, auf -ist endenden Namen: Optimist, Stylist – und Feminist.

Doch einige der User und Userinnen finden es alles andere als feministisch, wenn L'Oréal in der Video-Beschreibung fragt: "Welcher Typ seid ihr? Optimist, Stylist oder Feminist?"

Auf Kritik reagierte L'Oréal mit Zwinker-Smileys und Herz-Emojis

Eine Userin schreibt: "Der Begriff 'FeministIn' wird so inflationär benutzt, dass er mittlerweile schon eher ein Mode-Statement ist." L'Oréal zeigt sich für die Kritik eher semi-empfänglich, antwortet, man werde sie weiterleiten. Eine Userin kommentiert zusammenfassend: "Schätze mal, dass die Zielgruppe circa 14 bis 23 ist. Für diese gibt es doch wohl nichts Besseres, als eine Feministin zu sein UND Make-Up tragen zu können." Darauf antwortet das Social-Media-Team von L'Oréal mit einem Emoji mit Herzaugen und gibt implizit zu, dass das Prädikat "Feminismus" einfach eine geile Verkaufsstrategie sei: "Ja, du kannst dich völlig entspannen."

Tatsächlich erweckt Lena Meyer-Landrut im Video nicht den Anschein, sie wolle Frauen beibringen, wie sie mit schimmernden Augenlidern und doppelt getuschten Wimpern das Patriarchat zerschlagen. In den letzten Jahren haben immer mehr Marketing-Abteilungen entdeckt, dass sie mit Feminismus Geld machen können. Für die politische Bewegung hat das Vor- und Nachteile: Auf der einen Seite macht es den Feminismus und seine Grundsätze massentauglicher. Immer mehr junge Mädchen tragen lieber ein T-Shirt mit einem politischen Statement als einem Spruch darüber, dass sie scheiße in Mathe sind. Wenn Beyoncé bei ihren Konzerten breitbeinig und mit den Händen in den Hüften vor dem ausgeleuchteten "Feminist" steht und den berühmten TED-Talk von Chimamanda Ngozi Adichie einspielt, strecken Frauen die Faust in die Höhe und jubeln.

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Es ist nicht der Feminist-Lidschatten, der etwas ändert – sondern Männer

Doch genau dieser Moment feministischen Empowerments spiegele nicht den Ernst der Bewegung wider, kritisiert die Literaturwissenschaftlerin und Aktivistin Bell Hooks: Es sei inspirierend, wenn Beyoncé Malcolm X zitiere, die Mütter von durch Polizisten getöteten Afroamerikanern sichtbar macht, und westliche Schönheitsideale aufbreche, indem sie Schwarze Frauen zeige. Aber auch Beyoncés Statements riefen kein Ende des Patriarchats hervor: Es sei vor allem an den Männern, an sich zu arbeiten und sexistische Strukturen zu hinterfragen.

L'Oréal mag seine "Feminist"-Palette nicht zur ultimativen Waffe gegen den Sexismus stilisieren. Als milliardenschwerer Konzern mit über 77.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hätte das Unternehmen aber zumindest die Macht, sich für Frauenrechte stärker zu engagieren, als sie zum Namen einer Schmink-Palette zu machen. Doch vielleicht müsste L'Oréal dann auch an seinen eigenen Strukturen arbeiten: Die erste Frau hat es 2001 in den Konzernvorstand geschafft, auch heute ist nur ein Drittel der Mitglieder weiblich.

Feministische Ziele scheinen dem Konzern übrigens nicht fremd zu sein: Seit 1998 verleiht L'Oréal gemeinsam mit der UNESCO jährlich den UNESCO-L'Oréal-Preis für Frauen in der Wissenschaft, um die Stellung von Forscherinnen aus aller Welt zu verbessern. Die Wissenschaftlerinnen werden dafür mit bis zu 100.000 Dollar prämiert. Wir wissen ja nicht, wie es euch geht, aber für uns sind 100.000 Euro um einiges motivierender als eine Lidschatten-Palette. Egal, wie gut die Pigmente darin sind.

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