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Schon wieder Wahlen!!!

Eine ziemlich seriöse Analyse der aktuellen österreichischen Wahlplakate

Lachende Kinder, Kern als "Uncle Sam" und Strache im Kentucky-Fried-Chicken-Stil: Frohlocket, es ist wieder DIESE Zeit im Wahlkampfjahr.
Collage von VICE Media

Obwohl die Bundespräsidentschaftswahl gefühlt erst gestern zu Ende ging, ist es bald schon wieder so weit: Am 15. Oktober gibt euch der österreichische Staat einmal mehr die Möglichkeit, am eigenen Leibe zu erfahren, was Demokratie bedeutet, wenn ihr restfett in einen Turnsaal in eurer Nähe pilgert, um eure Stimme abzugeben (zumindest, wenn ihr wahlberechtigt seid).

Bis dahin haben wir aber noch einen fetten, dampfenden Haufen Wahnsinn vor uns: Stammtisch-Videos, Hausgeist-Mia-eske FPÖ-Spots, schlechte Witze über die Ohren von Sebastian Kurz und vor allem das optische Äquivalent zum 10 Stunden langen Trololo-Remix: fürchterliche Wahlplakate so weit das Auge reicht.

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Wahlplakate sind aber nicht nur da, um sicherzustellen, dass uns die Antlitze von Kurz und Kollegen bis in unsere Albträume verfolgen, sondern angeblich auch, um uns bei der Wahlentscheidung behilflich zu sein. Um zu erfahren, wen die einzelnen Parteien mit ihren Plakaten eigentlich ansprechen wollen, haben wir uns eingehend mit ihnen beschäftigt.

FPÖ

Foto via fpoe.at

Es ist ein verregneter Nachmittag, ein paar Menschen (und Herbert Kickl) sitzen um einen Konferenztisch und brainstormen (soweit möglich). "Was reimt sich auf Fairness?", fragt einer von ihnen verzweifelt. Ihnen fällt kein Heimat-Asylanten-Islam-Reim darauf ein, also begeben sie sich auf unbekanntes Terrain. "Erinnert ihr euch noch an diesen alten Telering-Spot mit dem Speck?" Stille. Applaus. Vorhang. Alle weinen.

Ungefähr so stellen wir uns die Konzeption des neuen FPÖ-Plakats in der Anfangsphase vor. Anstelle von "Daham statt Islam"-Claims wirbt die FPÖ jetzt nämlich mit der gern zitierten Fairness. Darunter steht "Der rot-schwarze Speck muss weg". Straches Antlitz prangt im Kentucky-Fried-Chicken-Stil im O von FPÖ. OK, was? Oder sollen etwa seine Haare die Ö-Tüpfelchen sein und wir haben es nur nicht verstanden?

Im Hintergrund sehen wir einen angestrengten Radfahrer in Rot-Weiß-Rot, der an Michael Naseband aus K11 – Kommissare im Einsatz erinnert (tut nicht so, ihr wisst ganz genau, wen wir meinen). Er tritt in die Pedale, während auf dem hinteren Teil des Tandems der Speck sitzt, in Birkenstocks, mit Essen in der Hand und einem "Refugees Welcome"-Shirt über der Wampe. Davon abgesehen, dass wir nicht ganz verstehen, warum man jemanden, den man nicht leiden kann, überhaupt auf sein Tandem aufsteigen lassen sollte, vereint dieses Plakat mehrere Dinge, die FPÖ-Wähler anzusprechen scheinen.

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Als allererstes wäre da die Fairness, die – wohl gemerkt! – nur Österreicher verdienen, und sonst niemand. Denn wer denkt bitte an unsere Obdachlosen? Durch die Metapher des rot-schwarzen Specks und seine plakative Verkörperung vermittels des bierbäuchigen Birkenstöcklings wird die scheinbare Anti-Establishment-Haltung der FPÖ betont. Die FPÖ aktiviert durch ihr Sujet den patriotischen Egoismus ihrer Kern-Wähler (dieser Wortwitz wurde eindeutig noch nicht oft genug gebracht) und ihre Abneigung gegen die Mächtigen (und … Dicken?) dieser Welt. Strache will sie zum Radfahren motivieren, hält sie also offensichtlich für faul.

Die Grünen

Foto via Facebook

Auf dem wohl meist beachteten Plakat der Grünen steht in All-Caps "Sei ein Mann: Wähl eine Frau. Das ist Grün." geschrieben. Im Hintergrund lacht Ulrike Lunacek gerade sehr herzhaft über ihren eigenen Slogan und hält einen kleinen Jungen auf dem Arm. Oder im Arm. Vielleicht hält sie ihn auch einfach nur, weil er gerade den Kopf dreht und Kinder bekanntlich dazu tendieren, sofort umzufallen, wenn sie einmal die Blickrichtung ändern.

Dieser Bursche soll also die Männer verkörpern, die mit diesem Plakat angesprochen werden? Sorry Ulli, aber dieser Jüngling sieht nicht hundertprozentig wahlberechtigt aus. Also, wir sehen natürlich kein Alter, aber irgendwas in unserem Bauch sagt uns, dass das Sinnbild mit dem Jungen hinkt (obwohl wir natürlich auch kein Geschlecht sehen und deshalb gar nicht sicher sein können, ob es ein Junge ist, aber unser Bauch sagt uns … egal). Jedenfalls kann sich auch er das Lachen nicht verkneifen, was zumindest von geistiger Reife zeugt. Oder von seiner Mitläuferqualität. Wir sind uns sicher, dass aus ihm in Österreich noch Großes werden kann.

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Dieser Slogan der Grünen soll offensichtlich Menschen ansprechen, die sich selbst gerne als politisch korrekt bezeichnen und "The Future is female"-Shirts tragen, aber dennoch hin und wieder gerne über einen Witz lachen, der die guten alten Geschlechterklischees bedient. Bestimmt lachen diese Menschen auch, wenn wenn jemand über seine Freundin sagt "Die hat schon wieder ihre Tage, hehe" und ihr beherzt auf den Arsch klatscht.

ÖVP

Foto via Facebook

Die türkise ÖVP oder Neue Volkspartei oder Liste Kurz wirbt mit dem hoffnungsvollen und maximal nichtssagenden Slogan "Es ist Zeit". Im rechten Teil des Bildes (we see what you did there) steht ein schelmisch grinsender Sebastian Kurz im Anzug und blickt wissend in die Ferne wie ein echter Staatsmann. Worüber er nachdenkt, bleibt der Fantasie der Wähler überlassen: Das sagenumwobene Wahlprogramm? Die zurechtgestutzte Islamkindergarten-Studie? Ob gutes, jugendliches Aussehen im Wahlkampf wirklich hilft? Oder ob es eine gute Idee war, den obersten Knopf seines Hemds offen zu lassen, um lässig zu wirken?

Mit seiner Denker-Pose spricht Sebastian Kurz vor allem Menschen an, die sich das Denken gerne von einem jungen, glattgebügelten agilen Studenten abnehmen lassen. Kurz' Auftreten auf dem Plakat symbolisiert oberflächliche Makellosigkeit und spricht mit großer Wahrscheinlichkeit in erster Linie Pensionisten an, die ihre Freizeit ebenfalls gerne damit verbringen, aus Fenstern zu schauen und vor sich hin zu schimpfen, wenn sie ballspielende Kinder sehen.

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SPÖ

Foto via Facebook

Auf dem Plakat der SPÖ ist ein adrett gekleideter Christian Kern (Stichwort Slimfit) zu sehen, der "I want you"-mäßig in die Kamera zeigt, während sein Gesichtsausdruck eher sagt "Ich stehe hier schon 17 Minuten in der selben Pose und weiß nicht mehr, wie man lächelt." Auch die Menschen im Hintergrund verstärken diesen Eindruck. Vor allem der Mann mit den weißen Haaren links hinter Kern sieht aus, als würde er zum ersten Mal in seinem Leben zu lachen versuchen. Mit dem Slogan "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht" fordert Kern die Österreicherinnen und Österreicher dazu auf, endlich aktiv zu werden, damit "der Aufschwung, den wir uns gemeinsam erarbeitet haben, auch bei allen ankommt".

Statt des Slogans "Damit du bekommst, was dir zusteht" könnte auf dem Plakat genauso gut stehen "Wie die anderen – nur vielleicht ein kleines bisschen weniger schlimm (und mit mehr Entitlement)" Und genau das wissen auch die Wählerinnen und Wähler der SPÖ: Die Partei, die irgendwann mal für Arbeiter stand, steht heute vor allem für Stabilität (im Sinne von: es war schon immer so) und für ein bisschen mehr Gerechtigkeit zur Beruhigung des eigenen Gewissens. Dass man die Menschen in Österreich offenbar nur dann motivieren kann, aktiv zu werden, wenn man ihr Anspruchsdenken ins Spiel bringt, sagt eigentlich alles, was man über dieses Land oder seine Sozialdemokratie wissen muss.

NEOS

Foto via Facebook

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In ihrer ersten Plakatwelle nehmen die NEOS laut eigener Aussage die Perspektive der Bürger ein und zeigen Menschen und ihre Anliegen in Spiegelschrift. Erst mal müssen wir zugeben: Nice Try. Dennoch symbolisieren die Plakate eigentlich nur eines: "Wir sind total peppig, flippig und crazy und finden Wortwitze wie 'Euröpa' lustig". Dass die NEOS außerdem finden, Schwangerschaftsabbrüche sollten nicht von Krankenkassen unterstützt werden, bleibt in der Plakatserie beispielsweise unerwähnt.

Wer angesprochen werden soll, ist klar: Eher junge Menschen, die sich gerne eine Eigentumswohnung kaufen würden, stabilen Gründer-Grind fahren oder einfach gerne "Bescheid wissen". Kurz gesagt: Zwei, drei Menschen auf Twitter und damit auch die gesamte Wählerschaft der NEOS. Was vermutlich für gutes Targeting spricht.

In der zweiten Welle präsentierten die NEOS übrigens Plakate mit Griss' und Strolz' Antlitz, unter anderem hinter dem gespiegelten Slogan "Flügel heben". Mit dieser Zukunftsvision scheint Strolz vor allem sich selbst ansprechen zu wollen.

LISTE PILZ

Foto via Facebook

Peter Pilz hat am Montag sein einziges Plakat präsentiert. Das ist an sich natürlich ein cleverer Gedanke, weil es gleichzeitig sagt "Plakate sind nervig" und gleichzeitig schafft, dass das nervige Plakat ohne zusätzliche Druckkosten trotzdem in allen unseren Timelines auftaucht. Das Sujet kommt ohne Portraitfoto des Spitzenkandidaten aus und zeigt auf weißem Hintergrund lediglich den Claim: "1 Plakat, unser einziges, 0 Euro Steuergeld, 0 Belästigung".

Wen Pilz mit seinem minimalistischen Plakat ansprechen möchte? Menschen, die einfach von dem ganzen anderen Scheiß genervt sind; Menschen, die weiße Plakate innovativ finden; denen der "Sei ein Mann"-Gag der Grünen jetzt endgültig zu weit geht, oder die sich einfach ziemlich intensiv für Eurofighter interessieren; Menschen wie wir, wie ihr, wie alle, aber gleichzeitig auch Menschen, die sich nicht so gern zu einer Meinung hinreißen lassen, außer vielleicht "alles oasch". Der weiße Hintergrund symbolisiert auch, dass die Liste Pilz etwas ist, in das derzeit noch jeder hineinprojizieren kann, was er will: Ein bisschen Patriotismus, ein bisschen Grün, ein bisschen Aufdecker. Was dann aber doch fast schon ein bisschen bemerkenswert ist: Dass sich Peter Pilz der Jugendsprache bedient und halbwegs zeitgemäß "1 Plakat" schreibt. Yolo!

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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