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Wie es ist, als junger Vater in Österreich im Gefängnis zu sitzen

„Wer im Knast Freunde findet, der hat entweder niedrige Ansprüche oder viel Glück—ich hatte beides nicht."

Foto: abn2 | Flickr | CC BY 2.0

Ich habe mir von einem Ex-Insassen erzählen lassen, wie es ist, im Gefängnis zu sitzen und sein Leben aufgeben zu müssen. Hier ist eine Nacherzählung seiner Geschichte. Er zieht noch dieses Jahr mit seinem Sohn zusammen.

Vorweg: Ich bereue tatsächlich nichts. Zwei Mal im Häfn zu sitzen ist keine schöne Erfahrung. Sie ist prägend und sie ist ausschließlich negativ. Aber wenn mich jemand fragt, ob ich anders gehandelt hätte, ob ich meine Taten bereue, dann muss ich Nein sagen. Wie viele Leute können von sich schon behaupten, dass sie das gemacht haben, was ihnen richtig erschien und womit sie sich identifizieren können?

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Dazu sei gesagt, dass meine Delikte Schmuggel und nicht Mord oder Körperverletzung sind. Ich habe bloß Dinge von einem Ort an den anderen gebracht. Die meisten Menschen haben ab ihrem 18. Lebensjahr einen 40-Stunden-Job, der sie in 99 Prozent der Fälle nicht erfüllt. So wollte und will ich nie werden. Ich habe es ernsthaft versucht—aber ich kann bis heute nicht in einem Büro sitzen. Ich halte es für eine Beschneidung des Geistes. Außerdem ist der Verdienst ein anderer.

Ich bin in Österreich und in Frankreich gesessen. In Österreich im Gefängnis zu sitzen, ist zumindest in Vergleich zu Frankreich wie Urlaub. Ich hatte hier eine Einzelzelle, einen guten Job—ich war Stockschreiber—, ich durfte mich täglich duschen und meine Zellentür war tagsüber die ganze Zeit offen. Es gab auch keine Gewalt in meiner Haftanstalt, außer man hat sich unehrlich verhalten. Ganz anders war es in Frankreich, wo ich krankenhausreif geprügelt worden bin, als ich einmal nach Medizin gefragt habe.

Frankreich werde ich nie vergessen. Ich saß in einer 6-Mann-Zelle und wurde 24/7 in die Eier getreten. Bei der Entlassung wurde mir jedes Geld, das ich drinnen verdient habe, abgenommen. Wegen diverser Konflikte. Ich war dauernd im Krankenhaus—wenn auch nicht lange, weil sie keine Betten dort hatten.

Im Häfn wird dir grundsätzlich alles abgenommen. Auch das Denken, das Beurteilen—alles. Man tut, was einem gesagt wird. Wohlgefühlt habe ich mich also weder in Österreich noch in Frankreich—außer bei der Entlassung. Deine Grundrechte sind da drinnen einen Scheißdreck wert. Ich kenne nicht viele Tierheime, aber Hunden im Tierheim wird grundsätzlich mehr Menschlichkeit entgegengebracht als Insassen.

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In Frankreich war mich niemand besuchen. Ein Mal ein Botschafter. Er musste mich besuchen, weil es sein Job war. Bei mir als Schuldigen war es nur ein obligatorischer Besuch. Man hat gesehen, dass er nicht hier sein wollte. Freunde findet man auch nicht im Knast. Wer im Knast Freunde findet, der hat entweder keine Ansprüche oder viel Glück—ich hatte beides nicht.

In Österreich hat mich meine Ex mit meinem Sohn zwei Mal besucht, ein Mal meine Mama und ein Mal meine Oma. Es ist nichts, was man sich antun möchte—die Scheiß-Energie ist überall. Ich schwöre es dir, in diesem Gebäude spürst du Angst, Verzweiflung, Hass, jedes schlechte Gefühl einfach zehn Mal stärker als sonst und man sieht sie auch. Man sieht es in den Gesichtern, man sieht diese negativen, starken Gefühle und man spürt sie selbst. Das macht es sehr schwer, die Menschen da drinnen zu besuchen.

Ich habe niemanden wirklich vermisst, während ich drinnen war, außer meinen Sohn. Ich habe immer gewusst, worauf ich mich einlasse und vor allem was die Konsequenzen sind. Ich hatte immer die Wahl und ich habe mich immer für das lustigere Leben entschieden. Wenn du jahrelang schwarzfährst und dann ein Mal erwischt wirst, zahlst du das Ticket eben demütig. Du läufst nicht weg oder regst dich auf. Du zahlst einfach.

„Wer im Knast Freunde findet, der hat entweder keine Ansprüche oder viel Glück—ich hatte beides nicht."

Beim ersten Mal war mein Sohn sechs Jahre alt. Ich hatte das Glück, dass sich meine Ex von mir getrennt hat. Das hat, im Nachhinein betrachtet, meinen Haftantritt ein bisschen einfacher gemacht—so habe ich mich wenigstens nur wegen einem Menschen schlecht gefühlt. Das war nicht wie ein Stich in die Magengrube, es war auch nicht wie ein Schlag ins Gesicht. Beide Male habe ich mich wegen meinem Sohn so dreckig und beschissen gefühlt—ich kann es nicht beschreiben. Diesen Schmerz kann man nicht beschreiben.

Beim ersten Mal war er zu jung und ich war nur elf Monate drinnen. Auch im Nachhinein gesehen, hat er kein Problem damit. Beim zweiten Mal war er zehn Jahre alt—ich wurde entlassen, als er zwölf war. Er wusste, was passiert ist, wir hatten Briefkontakt. Glücklich war er trotzdem nicht, weil er nur gefühlte 1 Prozent meiner Briefe bekam. Ich habe ständig an ihn gedacht.

Außerdem durfte er mich nicht sehen—seine Mutter stand oft zwischen uns, auch nach der Entlassung. Wir haben jetzt ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Aber seine Entwicklung wurde durch meine Zeit im Gefängnis sicherlich auch beeinflusst—und zwar nicht unbedingt zum Guten, logischerweise. Ich glaube, er hat irgendwie meine Gene. Böse war er mir nie, aber all das hat seine Sicht auf das System stark verändert.

Ich liebe ihn und er war der einzige Mensch, den ich immer vermisst habe. Da ich auch nach der Haft wenig Kontakt mit ihm haben durfte, vermisse ich seine gesamte Jugend. Wir ziehen bald zusammen und haben jetzt mehr Kontakt. Er ist schon volljährig und kann selbst entscheiden, was er macht. Ich freue mich schon auf die Zeit mit ihm.

Fredi auf Twitter: @Schla_Wienerin