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DIE GLUTEUS MAXIMUS ISSUE

Ein Arsch voll Schmerzen

Tausende Frauen weltweit leiden an schlimmsten Nebenwirkungen einer illegalen Po-Vergrößerung. Schwarzmarkt-Po-Chirurgen sollen sogar Beton für ihre Behandlungen nutzen. Wir haben diese Hinterhofquacksalber besucht.

Hier geht es zu unserer Doku über das Thema.

Ms Banks, eine Tänzerin im King-of-Diamonds-Stripclub, posiert in der Garderobe mit ihrem gewaltigen, illegal aufgespritzten Arsch. Alle Fotos von Ben Rosenzweig

Das Unheil brach im Juli 2009 über Oscarina Busses Hinterteil herein. Die 35-Jährige aus Florida fühlte ein dumpfes, aber ständiges, tief sitzendes Jucken in ihren Pobacken. So tief, dass es sich durch Kratzen nicht erreichen ließ. Kurz darauf bemerkte Oscarina, dass ihr Po sich verfärbte—zuerst wurde er rötlich blau wie ein pochender Finger, der zu fest mit einer Schnur umwickelt wurde, und dann leichenhaft grau. Doch das war nur der Anfang. Ihr Po verschorfte und die Haut pellte sich schmerzhaft ab, bis das ganze Elend einige Monate später in sich zusammenfiel wie ein schlecht gebackener Kuchen. Ihre Pobacken hingen herunter, gefüllt mit einem giftigen Gebräu, das sich im unteren Teil ihres Hinterns ansammelte. Einst straff, prall und weich, war ihr Gesäß nun heiß, hart und brannte wie Feuer. Oscarinas Hintern hatte sich so stark verformt, dass er nicht mehr aussah wie ein menschlicher Körperteil. Ihre fünfjährige Tochter hielt ihre mit Flüssigkeit gefüllten Pobacken für vollgeschissene Windeln und bezeichnete sie als „volle Pampers".

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Wie Tausende Frauen weltweit litt Oscarina an den Nebenwirkungen einer illegalen Po-Vergrößerung. Da diese heimlich vorgenommen werden, ist es unmöglich, genau festzustellen, wie viele Menschen sich in den USA ihre Hinterteile wie ein Paar Reeboks illegal aufpumpen lassen. Doch ihre Zahl steigt definitiv.

Aufgrund des Anstiegs der gemeldeten Fälle von Entstellungen wie bei Oscarina—und sogar Todesfällen—befürchten Strafverfolgungsbehörden und die American Society of Plastic Surgeons in den USA eine aufkeimende Epidemie illegaler Po-Vergrößerungen. Bei dieser primitiven Vergrößerungsprozedur wird dem Kunden mit einer Spritze eine Flüssigkeit wie etwa Silikon oder Mineralöl direkt in die Pobacken und Hüften injiziert. Es gibt keine einzige Substanz, die sich nebenwirkungsfrei in den Körper spritzen lässt, um ein größeres Volumen zu erreichen, noch nicht einmal medizinisches Silikon. Doch die Schwarzmarkt-Po-Chirurgen sollen, wie ihre Opfer behaupten, grobes Material wie Beton und Baumarktsilikon für ihre Behandlungen benutzt haben. Nach den Injektionen werden die äußerlichen Fleischwunden manchmal mit Alleskleber verschlossen, damit die giftige Pampe nicht ausläuft. Jeder Mensch mit Grundkenntnissen von Gesundheit und Medizin weiß, dass es extrem gefährlich ist, den Körper mit fließfähigen Substanzen wie Silikon vollzupumpen.

Seit den späten 60er-Jahren ist es verboten, Flüssigkeiten wie Silikon für kosmetische Zwecke in den Körper zu spritzen. Also werden diese Po-Vergrößerungen üblicherweise von Hinterhofquacksalbern durchgeführt. Solche Behandlungen können starke Autoimmunreaktionen auslösen, da der Körper versucht, die fremde Substanz wieder loszuwerden. Das führt zu Entzündungsreaktionen wie Polypen, Geschwüren, Hautverfärbungen und sogar Nekrosen. Man weiß auch, dass diese Substanzen im Körper weiterwandern und sich in den Organen anreichern oder in den Blutkreislauf eindringen, wo sie Infektionen verbreiten und zu einem septischen Schock führen können—was zur Amputation der infizierten Körperteile und im schlimmsten Fall zum Tod führen kann.

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Im Oktober traf ich Oscarina in ihrem Schönheitssalon in Coral Gables, Florida, um zu verstehen, warum sich jemand giftige Chemikalien in den Hintern spritzen lässt. Sie trug einen figurbetonten Hosenanzug und High Heels, die über das Linoleum klapperten. Erstaunlicherweise wirkte ihr Hintern straff und rund. Er sah ziemlich gut aus, insbesondere angesichts der Tatsache, dass ihr Gesäß wenige Jahre zuvor zu einem unförmigen, giftigen und extrem schmerzenden Fleischklumpen mutiert war.

Oscarina hatte Glück. Sie war eine der wenigen Frauen, die, nachdem sie festgestellt hatte, dass etwas mit ihrem neuen Po nicht stimmte, einen Arzt fand, der bereit war, die Substanzen in ihrem Körper operativ zu entfernen und ihren Hintern wieder aufzubauen, wodurch er ihr wahrscheinlich das Leben gerettet hat. Sie erzählte mir, dass sie sich angesichts der ganzen qualvollen Angelegenheit ziemlich dumm vorkäme, vor allem weil sie mit einer wohlgeformten, dominikanischen Figur gesegnet sei. Doch in Südflorida, wo im Minutentakt gewaltige Ärsche auf Promenaden und Stränden entlangwogen, reicht es vielen nicht aus, einfach nur einen „netten Hintern" zu haben. „Alle [hier] sind mit ihren Körpern unzufrieden", gestand mir die Kosmetikerin. „Es war ja nicht so, dass ich keinen Hintern gehabt hätte. Ich wollte nur einfach einen besseren."

Trotz des Verbots, anderer Leute Ärsche mit dubiosen Substanzen vollzustopfen, ist es mit den Po-Chirurgen in den USA wie beim Drogenkauf: Man muss nur jemanden kennen, der jemanden kennt. Der Kontakt wird über Hörensagen, über Foren und soziale Medien weitergegeben. In Miami, Amerikas Epizentrum der illegalen Po-Chirurgie, ist das genauso einfach wie der Besuch einer Schönheitsfarm, wo man neben Massagen, Aromatherapie und Sauna angeblich auch Behandlungen mit illegalen Silikoninjektionen aus einem geheimen Menü wählen kann. Und genau das hat Oscarina getan, sie bestellte ihre ersten Injektionen im Frühsommer 2002 für etwa 3.000 Dollar. Sie sagte mir nicht, wer die Behandlung durchgeführt hatte, gab aber zu, dass ihre Kundinnen ein bestimmtes Spa in der Gegend empfohlen hatten.

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An dieser Stelle der wichtige Hinweis darauf, dass auch legale Po-Vergrößerungen möglich sind. Die FDA [US-amerikanische Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit] hält sowohl Implantate als auch Fetttransfer für sicher—dabei wird zum Beispiel Fett aus der Bauchgegend des Patienten abgesaugt und in seinen Po transplantiert—wenn ein Facharzt für plastische Chirurgie die Behandlung vornimmt. Doch viele Frauen entscheiden sich aus finanziellen Gründen für das Schwarzmarktverfahren. Legale Implantate und Fetttransfer können bis zu 10.000 Dollar teurer sein als ihre verbotenen Alternativen. Oscarina ging es dagegen vielmehr um den kürzeren Erholungsprozess nach den Injektionen als um die geringeren Kosten. Die Genesung nach Fetttransfer und Po-Implantaten dauert wochenlang und das Endergebnis stellt sich erst nach Monaten ein. Injektionen dagegen führen fast sofort zum neuen Hinterteil.

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Hier könnt ihr euch die komplette Doku Ein Arsch voll Schmerzen anschauen.

„Ich habe mich sehr schnell erholt", erklärte Oscarina. „Ich ging gleich wieder zur Arbeit. Ich brauchte nach den Injektionen nur eine Massage, da sie sonst nicht richtig wirken." Erst als sie sich 2009 für eine weitere Injektionsbehandlung in einem anderen Spa entschied, saß sie bald darauf in der Scheiße. „Ich bekam die Injektionen", erzählte sie mir, während sie das krause Haar einer Teenagerin mit dem Stielkamm frisierte, „und sechs Monate später wurde mein Hintern rötlich blau. Das Produkt hatte meine Muskeln zersetzt und meine Haut schälte sich ab wie eine Zwiebel." Unmöglich festzustellen, was beim zweiten Mal das Problem gewesen war—vielleicht haben die neuen und die alten Injektionen miteinander reagiert, oder die Injektionen enthielten qualitativ minderwertiges Silikon, das Oscarinas Hintern infizierte.

Fest steht, dass Oscarina Monate nach der Injektion die Kontrolle über ihren Körper verlor. Was ihr aber so peinlich war, dass sie nicht zum Arzt ging, obgleich ihr der Hintern abfaulte. Erst im Winter sprach Oscarina endlich mit jemandem darüber. Sie ertrug die Beschwerden nicht mehr und vertraute sich in ihrem Salon einer Kundin an. Sie bat die Frau, sich ihren nackten Hintern im Hinterzimmer anzusehen. Einige Minuten später zog Oscarina unter den heißen, fluoreszierenden Leuchten ihr Kleid hoch. Ihr schmerzhaftes Geheimnis ließ sich am Gesichtsausdruck der Kundin im Frisierspiegel ablesen. „Als ich ihr Gesicht sah, wusste ich, dass es schlimm war", sagte Oscarina und starrte auf das Privatzimmer. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie ihren Stolz hinunterschlucken und sich professionelle Hilfe suchen musste. Weil es schwierig ist, eine derart verpfuschte, verbotene Operation wieder rückgängig zu machen, und weil sie möglicherweise haftbar gemacht werden können, sind viele Ärzte nicht bereit, Patientinnen wie Oscarina zu helfen.Injiziertes Silikon kann sich zersetzen und durch den ganzen Körper wandern. Wenn es zerfällt, was innerhalb weniger Stunden oder auch erst nach vielen Jahren passieren kann, lässt es sich nicht mehr vollständig erkennen bzw. lokalisieren.

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Laut einer großangelegten Geschichte der Silikoninjektionen in den USA, die vom Harvard Rechtsprofessor Peter Barton Hutt herausgegeben wurde, können 555 cm3 Silikon, sobald es sich im Körper befindet, in 30 Milliarden kleine Kügelchen zerfallen, von denen jedes das Potenzial hat, eine Entzündungsreaktion hervorzurufen. „Nach den Sprechstunden und den Reaktionen der Ärzte glaubte ich, ich würde sterben", sagte Oscarina, „Ich hatte diese furchtbaren Schmerzen und keiner wollte mich behandeln." Nachdem sie lange einen Arzt gesucht hatte, der bereit wäre, das Silikon aus ihrem Hintern zu entfernen, und sie mit einigen engen Freunden gesprochen hatte, empfahl ihr schließlich eine Kundin, die Ähnliches durchgemacht hatte, Dr. Constantino Mendieta. Er erklärte sich bereit, ihren Hintern zu heilen, und hat ihr, wie sie meint, das Leben gerettet.

Dr. Constantino Mendieta und sein McLaren—eins seiner vielen Autos—vor seinem riesigen Anwesen in Pinecrest, Florida.

In der Woche, als ich Oscarina traf, suchte ich auch Dr. Mendieta in seiner Praxis in Miamis wohlhabendem Viertel Coconut Grove auf—ein hellbraunes, stuckverziertes Gebäude mit dem Schriftzug „Plastische Chirurgie" auf der Fassade. Dr. Mendieta ist einer der besten Schönheitschirurgen Amerikas, ein Po-Bildhauer auf dem Niveau eines Michelangelo, der 2011 ein Buch über Hinterteile, The Art of Gluteal Sculpting, veröffentlicht hat.

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Wie zu erwarten, profitiert er gehörig vom Po-Geschäft. In der Auffahrt stand sein getunter Maserati, den er für die Fahrt zur Arbeit nutzt, wie er mir später sagte. „Der Hintern ist heute das, was die Titten in den 60ern waren", er- klärte mir Dr. Mendieta in seinem Büro. Sein Gesicht wirkte wie eine Clark-Kent-Maske, die Haut war an den Schläfen gestrafft, und er trug ein marineblaues, maßgeschneidertes Admiralsjackett. „Aber Ärsche sind besser. Wenn man auf Brüste schaut, dann muss man auch das dazugehörige Gesicht ansehen. Da bleibt kein Raum für Fantasien. Aber auf der Rückseite gibt es kein Gesicht. Zu einem Po kannst du dir jedes beliebige Gesicht vorstellen."

Die illegal aufgespritzten Hinterteile der King-of-Diamonds-Tänzerinnen Seven (l.) und Amore (r.). Eines Tages könnten diese prallen Pos den beiden Frauen ernste gesundheitliche Probleme bescheren.

Dr. Mendietas Erklärung war zwar ein bisschen seltsam, aber er hat vollkommen recht, was die zunehmende Popularität von Po-Vergrößerungen bei Amerikanern angeht. Die Zahl der legalen Po-Behandlungen stieg in den USA zwischen 2000 und 2012 um 176 Prozent und ließ eine 26-Millionen-Dollar-Industrie aus dem Boden schießen. Dr. Mendieta surft nun fröhlich auf dieser Arschwelle. Vor zehn Jahren machten Hinterteile 20 Prozent seiner Tätigkeit aus. Heute sind es 90 Prozent. Aber während Dr. Mendieta eigentlich lieber neue Gesäße modellieren würde, muss er immer öfter Hinterteile von Frauen rekonstruieren, die Schwarzmarktinjektionen erhalten haben.

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„Keine Frage: Ich führe immer mehr Rekonstruktionsoperationen durch", sagte er. Er berichtete, dass er in seiner Laufbahn etwa 30 verbotenerweise aufgespritzte Hintern wiederhergestellt habe, allein fünf im Jahr 2013. „Die Leute kommen aus aller Welt zu mir, aber hauptsächlich aus den USA. Illegale Injektionen kommen hauptsächlich in Südamerika, Miami und New York vor, einige auch in L.A. Aber Miami ist das Zentrum. Ich nehme an, ich werde in Zukunft noch mehr davon zu sehen bekommen, denn es kann fünf bis zehn Jahre dauern, bis die Injektionen Reaktionen auslösen." Floridas Strafverfolgungsbehörden pflichten Dr. Mendieta bei: Fälle wie der Oscarinas würden zunehmend zum Problem. Ich sprach mit Detective Bryan Tutler vom Broward County Sheriff's Office, der 2012 die Ermittlungen im Fall Oneal Ron Morris leitete, eine der berüchtigtsten Arschquacksalberinnen der Nation. Er sagte: „Das ist erst der Anfang. Vor drei oder vier Jahren hatte noch niemand davon gehört. Und jetzt geht es so richtig los."

Damit steht Dr. Mendieta im Kampf gegen die illegalen Po-Eingriffe an vorderster Front. Von allen Opfern illegaler Po- Injektionen, die er bisher operiert habe, sei Oscarinas Fall der schlimmste gewesen, den er je gesehen habe. „Ich musste einen großen Teil des Muskels zusammen mit dem Silikon herausschneiden", sagte er, „weil es schon in ihr Gewebe eingedrungen war. Wir entfernten aus jeder Pobacke mehr als ein halbes Kilo reinen, steinharten Silikons." Die Entfernung des beschädigten Gewebes und die Rekonstruktion von Oscarinas Hinterteil machte zwei OPs erforderlich. Das 6.000-Dollar-Schnäppchen ist also längst keines mehr. Ihren Po wiederherzustellen hat sie fast 70.000 Dollar gekostet, und Oscarina hat sich der zweiten Behandlung, bei der das restliche durchsetzte Gewebe entfernt und ihre Pobacken abschließend modelliert werden, noch nicht unterzogen. Das Traurige: Sie hat noch Glück gehabt. Es gibt nur einen Dr. Constantino Mendieta, aber wer weiß, wie viele Oscarinas da draußen noch leiden?

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Die Fotos von Dr. Mendieta zeigen Komplikationen nach verpfuschten Po-Injektionen, die denen von Oscarina Busse ähneln. Die Verfärbungen und Verformungen erstrecken sich über den ganzen Po. Genau wie bei Oscarina fühlte er sich steinhart an.

Der Einsatz von Silikon zur Vergrößerung der eigenen Vorzüge ist nicht neu. Diese Praxis stammt aus dem Zweiten Weltkrieg, 100 Jahre nach der Erfindung dieser synthetischen Verbindung und etwa zehn Jahre, nachdem ihre Massenproduktion rentabel wurde. Während des Krieges setzte das US-Militär Silikon zur Isolierung elektrischer Transformatoren ein. An den Docks des Hafens von Yokohama in Japan erkannten zuerst die Quartiermeister der amerikanischen Armee den Zusammenhang zwischen dem Verschwinden ihrer Transformatorisolationsflüssigkeit und den immer größer werdenden Brüsten der lokalen Prostituierten. Obgleich unverarbeitet und sicherlich nicht von medizinischer Qualität, war den japanischen Sexarbeiterinnen Silikon lieber als Paraffin oder Vaseline, womit sie sich bisher die Brüste vergrößert hatten. Die Praxis, Silikon direkt in die Brüste zu injizieren, wurde von Kosmetikerinnen und Schönheitschirurgen beworben und verbreitete sich in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren in ganz Amerika. Sie war unter Entertainerinnen, Sexarbeiterinnen und auch Durchschnittsfrauen—wie Nancy Reagan—in den USA weit verbreitet, und es dauerte eine Weile, bevor die Horrorgeschichten von verpfuschten Brust-OPs ins Bewusstsein der amerikanischen Mittelschicht vordrangen. Im Laufe der Jahre litten viele Frauen an Silikonzysten, eingefallenen Brustwarzen und schmerzenden, steinharten Brüsten.

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1965 untersagte es die FDA Ärzten ohne Sonderzulassung, Silikoninjektionen zu verabreichen—die Schönheitschirurgen spritzten aber weiter, da sie, wenn sie in ihrem Heimatsstaat hergestelltes Silikon erwarben, außerhalb der Jurisdiktion der FDA agierten. So lief es weiter, bis die Prozedur in den späten 60ern und 70ern aus der Mode kam, da unzählige Horrorgeschichten im Umlauf waren und immer mehr Vorschriften erlassen wurden—Bundesstaaten wie Nevada und Kalifornien erklärten die Injektionen 1975 für illegal und einige andere Staaten folgten diesem Beispiel. Der Möglichkeit legaler Injektionen beraubt, wandten sich die Schönheitschirurgen den Silikonimplantaten zu, die man für sicherer hielt, da das Silikon von einer inaktiven Elastomerhülle umgeben war. Allerdings stellte die FDA die Implantatehersteller 1992 unter ein freiwilliges Moratorium, als Studien einen Zusammenhang zwischen Implantaten und ernsten Gesundheitsgefahren feststellten. 2006 ließ die FDA mit Silikongel gefüllte Implantate wieder zu. 2012 wurden sie bei 72 Prozent aller Brustvergrößerungsoperationen in den USA verwendet.

Während in den vergangenen zwei Jahrzehnten landesweit über Risiken und Vorteile von Implantaten debattiert wurde, fanden die Silikoninjektionsverfahren weiterhin statt—allerdings verdrängt in den zwielichtigen Untergrund. Vor allem die Transgender-Community bereitete der Hinterhof-Po- Injektions-Szene in den 80er- und 90er-Jahren den Weg. Damals war es absurd anzunehmen, dass die Krankenversicherung die Kosten dafür tragen würde, dass ein Mann zur Frau werden und so aussehen konnte, wie sie sich innerlich fühlte. Der wesentlich günstigere Ort für diese Art der Vergrößerung war der Schwarzmarkt. Außerdem war der Fetttransfer damals noch nicht entwickelt. Nach der Geschlechtsumwandlung wurden einige dieser Frauen selber zu Po-Doktoren und griffen auf die Injektionstechnik zurück, die sie zuerst an ihren eigenen Körpern erprobt hatten.

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Heute ist die Praxis der Außenseiter im Mainstream angekommen. Apryl Michelle Brown aus Los Angeles ist eines der Opfer, die sich gegen das Silikonspritzen mit seinen schrecklichen Folgen engagieren. Ihre Unterarme und Unterschenkel mussten amputiert werden, nachdem sich in ihrem Körper infolge von Komplikationen nach Silikoninjektionen, die sie 2004 erhalten hatte, Entzündungen ausbreiteten. Ein weiteres bekanntes Opfer war die 20-jährige Claudia Seye Aderotimi. Sie reiste 2011 von London nach Philadelphia, um sich den Po von Padge Victoria Windslowe aufspritzen zu lassen, einer in gewissen Kreisen auch als „Black Madam" bekannten Transfrau. Claudia war eine vielversprechende Tänzerin, die ihre Figur verschönern wollte, um in der HipHop-Videoszene mithalten zu können.

Kurz nachdem das injizierte Baumarktsilikon in ihren Blutkreislauf eingedrungen war und Leber, Lunge und Gehirn erreicht hatte, starb sie an einer Lungenembolie. Das Phänomen des Po-Aufspritzens ist sogar in die Pop-Kultur vorgedrungen. Vanity Wonder, ehemals Stripperin und HipHop-Model mit den kurvigen Maßen von 86-58-137, schrieb ein Buch über ihre Sucht nach illegalen Po-Injektionen und die 16 oder mehr Male, die sie sich den Po aufspritzen ließ. Nicki Minaj, die für ihr riesiges Hinterteil fast genauso berühmt ist wie für ihre Platinalben, hat das Injektionen-Phänomen kommentiert und mit ein bisschen Ironie zugegeben, dass auch sie sich hat aufspritzen lassen. In ihrem Gastvers auf dem Remix von Big Seans „Dance (A$$)", rappt Nicki: „Kiss my ass and my anus, 'cause it's finally famous / And it's finally soft, yeah, it's finally solved! / I don't know, man, guess them ass shots wore off!"

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Die Fotos von Oneal Ron Morris, aka the Duchess, verdeutlichen ihre Umwandlung. „Sie hatte einen perfekten Körper", sagte ein Freund. „Aber sie ist zu weit gegangen." Fotos des Broward County Sheriff's Office.

Solltet ihr vor dieser Reportage schon von Frauen gehört haben, die sich ihre Ärsche aufpolstern lassen, dann vielleicht wegen des Transgender-Po-„Doktors" Oneal Ron Morris, auch bekannt als Duchess. 2011 waren das groteske Gesicht und die verzerrten Körperproportionen der Duchess auf allen größeren Webseiten und in den Lokalzeitungen Floridas zu sehen, als sie in Miami-Dade County wegen des Ausübens ärztlicher Tätigkeiten ohne Zulassung festgenommen wurde und sich ein erschütternder Einblick in die vollkommen verdrehte Welt der Schwarzmarktschönheitschirurgie eröffnete.

Der Hintern der Duchess war so unglaublich groß, dass sie wie ein Koopa-Troopa mit Perücke aussah. Außerdem wurde bekannt, dass sie Substanzen wie Fix-A-Flat und Zement in die Ärsche ihrer Kundschaft gespritzt und sie dann mit Alleskleber versiegelt haben soll. Obgleich die Behauptungen, die Duchess habe diese Substanzen benutzt, nie bestätigt wurden, wissen wir, dass viele ihrer Kundinnen und Kunden unter den entstellenden Nebenwirkungen der Injektionen leiden und mindestens eine Person daran gestorben sein soll.

Die Duchess verbüßt gerade einen 366-Tage-Arrest im Florida State Prison und steht vor einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung—alles infolge der illegalen Injektionen. Daher war sie für ein Interview nicht zu sprechen, als ich mich in Florida aufhielt. Ich interviewte stattdessen einen Mann namens Corey Eubanks, dem die lokalen Strafverfolgungsbehörden vorwerfen, ihr Assistent gewesen zu sein—ein Vorwurf, den er hartnäckig leugnet. Corey erklärte sich lediglich in zwei Anklagepunkten für schuldig. Es handelt sich um geringfügige Vergehen aufgrund grober Fahrlässigkeit: Die Duchess soll zwei Po-Injektionen in seinem Haus in Hollywood, Florida, durchgeführt haben.

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Als ich ihn interviewte, war er immer noch auf Bewährung. Ich traf Corey vor der Body-Care-Schönheitsklinik in Fort Lauderdale. Der Vorschlag für diesen seltsamen Treffpunkt stammte von Corey—der 42-Jährige wollte sich an dem Nachmittag etwas Bauchfett absaugen lassen. Für Corey mit seinen polangen Dreads und den auffälligen, pistazienfarbenen Kontaktlinsen ist Körperverschönerung nichts Neues. Der charismatische Lebenskünstler—er arbeitet wechselweise als Steuerberater, Personaltrainer und Stylist—ist außerdem eine wandelnde Reklametafel für die Po-Injektionen der Duchess, die er angeblich nur einmal an sich hat durchführen lassen.

Corey Eubanks geniert sich nicht im Geringsten für seine illegalen Po-Injektionen und den Körper, den er ihnen verdankt. Hier stellt er seinen Schinken in einem weit ausgeschnittenen Ringerleibchen im Collins Park, Miami Beach, zur Schau.

Laut Corey hat sein aufgespritzter Hintern mindestens 25 Menschen dazu veranlasst, sich von der Duchess Po-Injektionen verpassen zu lassen. Als ich Corey vor der stuckverzierten Klinik inmitten von Palmen von Palmen und verschwitzten Joggern das erste Mal sah, war mein einziger Gedanke, was wohl passieren würde, wenn er in den Atlantischen Ozean fiele. Würden diese Ballons in den eng anliegenden Sportpants auf dem Wasser treiben oder würden sie ihn wie Blei auf den Grund ziehen? Nur wenige Minuten, nachdem ich ihn kennengelernt hatte, forderte er mich auf, ihn anzufassen. „Greif zu", ermunterte er mich, als würde er mir Käsecracker zum Dinner anbieten, und nicht, sein hochgelobtes Hinterteil zu betatschen. Er zog die Rückseite seines T-Shirts hoch und machte ein Hohlkreuz, während er mir den Kopf zuwandte und mich mit seinen verrückten Augen fixierte. Ich streckte zögernd die Hand aus, den Zeigefinger vorweg, als ob ich vorsichtig eine Klaviertaste anschlagen würde. Als ich ihn in seinen Allerwertesten drückte, versank der Finger nicht wie erwartet. Stattdessen knickte er am Gelenk leicht ab. Der Hintern gab nicht nach. Corey sagte, er habe der Duchess vor zehn Jahren 1.100 Dollar für das Aufpolstern seines Hinterteils bezahlt, aber gekannt hätten sie sich schon länger. Corey lernte die Duchess kennen, als sie noch ihren Geburtsnamen trug. Das war im Sommer 1994 im heute geschlossenen Club The Waterfront. Erst als die Duchess die Umwandlung zur Sie vollzogen hatte, wurde sie für ihre Po-Injektionen bekannt.

„Fünf Bekannte hatten es damals von der Duchess machen lassen", sagte Corey. „Eines der Mädels war flach wie ein Brett. Sie ließ es machen und hatte danach eine kleine Wölbung da hinten. Jemand erzählte mir schließlich, wer die Mädels behandelt hatte, und ich fragte mich, ob ich meinen Po nicht doch vergrößern sollte? Ich wollte in Shorts stramme Schenkel zeigen und wünschte mir einen schönen Hintern." Sein Hinterteil gilt in Miami als wahres Meisterwerk. Um dieses Meisterwerk auf zwei Beinen zu bekommen, blieb Corey, wie er meint, keine andere Wahl. „Die Leute damals haben einen Ort wie diesen hier nicht aufgesucht", sagte er und schaute auf das Institut für plastische Chirurgie hinter sich, wo ihn in einer Stunde eine Fettabsaugung erwartete. „Es gab ja noch keinen Fetttransfer. Es gab nur Polster, die einem in den Hintern gesteckt wurden. Es wirkte nicht echt. Niemand wollte das, wenn man stattdessen eine Po-Injektion bekommen konnte. Außerdem wussten wir nichts von den peinlichen Pannen oder Todesfällen. Ich kannte niemanden, dem so etwas passiert war."

Natürlich ändern sich die Dinge. Wie Dr. Mendieta mir erklärt hatte, können Jahre vergehen, bis die schrecklichen Nebenwirkungen der Po-Injektionen sich einstellen. Corey, mag er angesichts seines Hinterns noch so zuversichtlich sein, ist sicher nicht außer Gefahr. Jeden Tag könnte er mit Polypen oder Läsionen oder Geschwüren am Hintern aufwachen. Und auch wenn er das Glück hat, dass sie ihm bisher keine direkten gesundheitlichen Probleme bereiten, haben die Po-Injektionen ihn doch fast ins Gefängnis gebracht. „Es ist eine Katastrophe, wenn es bei jemandem schiefgeht", sagte Corey, als ich ihn über seine und Duchess' Konflikte mit dem Gesetz befragte. „Aber was, wenn alles funktioniert? Was ist die Duchess dann? Eine Göttin?" Genau in dem Augenblick steckte eine blonde Frau im OP-Kittel ihren Kopf zur Eingangstür der Body-Care-Einrichtung heraus und rief Corey auf. Zeit für seine Lipo, eine Behandlung, nach der er tagelang flachliegen, einen Medikamentencocktail schlucken und einen Kompressionsverband tragen muss, nachdem er aufgeschnitten und sein Fett abgesaugt wurde. Bevor er hineinging, fragte ich ihn, ob er wie die Duchess auch süchtig nach körperlichen Veränderungen sei. „Sucht war nie ein Thema für mich", sagte er. „Das hier ist die letzte. Danach werde ich mich gesund ernähren und Sport treiben."

King-of-Diamonds-Tänzerin Seven ist stolz auf ihre illegalen Injektionen. „Beim ersten Mal war es hart", erklärte sie. „Ich konnte nicht laufen, weil ich Silikon im Hintern hatte. Aber nachdem es einen Monat massiert und bewegt wurde, sah ich damit bald ziemlich gut aus. Seitdem liebe ich es."

An einem meiner letzten Abende in Miami besuchte ich den berüchtigten Stripclub King of Diamonds. Da Rapper wie Rick Ross, Lil Wayne und Drake immer wieder öffentlich darauf hingewiesen hatten, wurde der Club für die monströsen Ärsche seiner Tänzerinnen weltberühmt. Nachdem ich die Folgen von Oscarinas Injektionen gesehen und etwas über die Feinheiten des Aufspritzens von einem Insider wie Corey gelernt hatte, wollte ich das eigentliche Produkt einmal in Aktion sehen.

Im Club begaffte ich durch flatternde grüne Dollar-Noten den Allerwertesten eines süßen Mädchens mit rot-braunem Teint—die Clubbesucher kannten sie als Seven—die sich an einer Chromstange, die in den Himmel zu reichen schien, auf- und abschlängelte. Der Bass zu Rick Ross' „Uoeno" wummerte so laut, dass sich ihr fetter Hintern mit jedem Trommelschlag wellte wie die Wasseroberfläche in dem Glas in Jurassic Park.

Der Höhepunkt kam gegen Ende ihres Auftritts, als Seven ihre fleischigen, speckig glänzenden Pobacken um die verchromte Stange wickelte und sie auf den Boden gleiten ließ wie Rübensirup, der am Griff einer Gabel hinuntertropft. Als der Ansager für den nächsten Song eine weitere Dame aufforderte, ihre Massen auf die Bühne zu schwingen, eilte ein fliegetragendes Bürschchen herbei, um Sevens frisch herabgeregnete Dollarnoten in einen Plastikeimer zu kehren, der mit schmutzigem Geld schon überquoll.

In jedem anderen Stripclub in jeder anderen Stadt wäre Sevens Hintern als das achte Weltwunder bestaunt worden. Man hätte das Ingenieurskorps der Armee eingeflogen, um die strukturelle Stabilität dieses Hinterteils zu studieren und die Frage zu klären, wie es an einer so schmalen Person landen konnte. Doch in Miami, im King of Diamonds, war ihr Arsch nur ein Arsch unter vielen. Ihr Po hatte kein Geheimnis. Wie so viele Mädchen in Miami und überall in Amerika hatte sie vor anderthalb Jahren einen Schönheitspakt mit dem Teufel geschlossen.

Nach ihrer erregenden Nummer traf ich Seven in einem schäbigen Privatbüro hinten im Club, das wie eine Blaxploitation-Adaption von Scarface dekoriert war. Sie war ganz heiß darauf, von ihren illegalen Injektionen zu erzählen, und wie sie ihr Leben verändert hatten. So wie sie es darstellte, war die Entscheidung, ihren Hintern aufspritzen zu lassen, die beste, die sie je getroffen hatte. „Ich habe meinen Hintern an einem Dienstag machen lassen", sagte sie. „Am Freitag bin ich schon wieder arbeiten gegangen und habe in einer Nacht das Dreifache dessen verdient, was die Behandlung gekostet hat. Ich verdiene jetzt so viel wie eine Top-Stripperin." Ich fragte sie, ob ich das mal aus der Nähe sehen dürfte. Sie drehte sich sofort um, hockte sich hin, spreizte die Pobacken und schwenkte ihren Hintern Richtung Boden. In diesem schwindelerregenden Augenblick hatte ich die Vision, ihr Arsch wäre eine einzige gigantische Metapher für Miami—oder sogar für ganz Amerika, vielleicht sogar für die menschliche Seele selbst. Sevens wohlgeformter Hintern war von außen betrachtet großartig und attraktiv, doch darin lauerte etwas Dunkles und Übles. Meine Ängste bestätigten sich, als sie aufstand und ich ihn anfassen durfte. Er sah himmlisch aus, aber ich hatte das Gefühl, einen Grabstein zu befummeln.