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Gefährliche Männlichkeit

Eltern aus unterschiedlichen Generationen sprechen über die Erziehung von Söhnen und Töchtern

Welche Erwartungen stellt man an den Mann? Wir haben mit Vertretern unterschiedlicher Generationen über die Erziehungsfrage gesprochen.
Symbolbild. Foto: Katherine | flickr | CC BY-ND 2.0

Foto: Katherine | flickr | CC BY-ND 2.0

Robert oder Peter. Das ist die Antwort meiner Eltern auf die Frage, wie sie mich genannt hätten, wenn ich ein Junge geworden wäre. Aber mit dem Geschlecht ändert sich nicht nur der Name, sondern für viele Eltern auch die Erziehungsfrage. Vielleicht hört man von seinen Eltern dann je nach Geschlecht Sprüche wie: "Mädchen dürfen sich nicht dreckig machen." Oder: "Ein Junge trägt keine langen Haare".

Aber es geht um weitaus mehr als nur Oberflächlichkeiten. Fakt ist nämlich, dass unser Geschlechterbild und wie wir uns selbst mit unserem Geschlecht identifizieren zu einem guten Teil durch unser Elternhaus geprägt wird.

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Besonders ab dem vierten, fünften Lebensjahr begibt man sich auf die Suche nach der Geschlechtsidentität . Mädchen und Jungen fangen an, einander blöd zu finden. Man beginnt, in seinem Umfeld nach Rollenvorbildern zu suchen. Eltern beeinflussen das. Aber die starren Strukturen brechen langsam auf, Geschlechtsbilder werden immer häufiger hinterfragt. Ändert sich durch das Gender-Mainstreaming auch die Erziehung? Wir haben mit Eltern darüber gesprochen, wie man Söhne und Töchter in den verschiedenen Generationen erzogen hat und wollten herausfinden, was im letzten halben Jahrhundert auf dem Bereich so passiert ist.

Verena, 35 Jahre

8-Monate-alter Sohn, 5-jährige Tochter und 7-jähriger Sohn

Ich glaube schon, dass man sein Kind in meiner Generation nicht mehr so stark in die klassischen Rollenbilder zu drängen. Ich achte darauf, dass sich jedes Kind so entfalten darf, wie es möchte. Was natürlich auch heißt, dass ich sie in keine, von mir vorgezeichneten Bahnen lenke.

Im Kindergarten habe ich als Pädagogin die Erfahrung gemacht, dass die Kinder nicht mehr in solche Bahnen gedrängt werden. Aber in den Medien und den älteren Generationen herrscht noch ein ziemlich klar vorgezeichnetes Bild, finde ich. Beispielsweise, womit Mädchen und Jungs spielen.

Von den Kindern bekommt man dann schon mal zu hören: "Das sind doch Bubenfarben", oder: "Das ist nur was für Mädchen". Aber ich sage dann, dass Farben für alle da sind. Jeder soll das machen, was ihn interessiert. Bei meinem Sohn beispielsweise hat der äußere Einfluss bei den Farben eine große Rolle gespielt. Als er kleiner war, hat er rosa und lila ganz toll gefunden. Da hat er sich noch mit seinem besten Freund um den rosa Teller gestritten. Nach dem Kindergarten war das aber dann einfach uncool, wenn du eine Mädchenfarbe genommen hast. Da merkt man den Einfluss ganz stark.

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Ich finde es wichtig, dass für beide Geschlechter die gleichen Werte gelten und wenn die für alle gelten, dann kommt es—glaube ich—gar nicht zu solchen Situationen. Man muss einfach offen damit umgehen. Das hängt aber auch ganz stark vom Wohnort ab. Ich komme eher aus einer kleineren Stadt und da ist dieses Geschlechterbild noch klassischer. In der Großstadt ist man da viel toleranter.

Ich habe allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass Mädchen und Burschen sich anders entwickeln und dadurch andere Verhaltensweisen zeigen. Als ich meine Ausbildung zur Pädagogin gemacht habe, wurde Wert darauf gelegt, dass alle ganz gleich behandelt werden. Das war eher ein Zwang in die andere Richtung, was ich auch nicht gut fand, dieses "unbedingt gleich behandeln müssen".

Ich habe bei meinen eigenen Kindern festgestellt, dass es schon einen Unterschied gibt, auch in den Verhaltensweisen—teilweise liegt das an äußeren Einflüssen, aber manches liegt auch in der Natur. Burschen haben eben manchmal andere Ausdrucksweisen als Mädchen, wirken oftmals temperamentvoller. Allerdings muss man dazu sagen, dass sich die Kinder auch gegenseitig prägen. Meine Tochter wäre vielleicht auch weniger interessiert an Autos und Lego, wenn der ältere Bruder nicht gewesen wäre.

Sonja, 51 Jahre & Thomas, 59 Jahre

32-jähriger Sohn und 27-jährige Tochter

Thomas: Ich wollte immer einen Buben haben, so etwas wie einen Nachfolger. Aber eigentlich ist das heutzutage ja egal. Vor 20, 30 Jahren war das vielleicht noch mehr Thema. Deswegen habe ich mich genauso gefreut, eine Tochter zu bekommen. Eigentlich war es mir nur wichtig, dass die Kinder gesund sind.

Was die Erziehung angeht, habe ich mich eher rausgehalten. Ich habe dafür versucht, meinen Kindern sehr viel beizubringen—Ski fahren, Rad fahren, so etwas halt. Auch bei den sogenannten "Lebenslektionen" habe ich jetzt nicht spezifische Ratschläge für das jeweilige Geschlecht gegeben. Erst als mein Sohn sich dafür entschieden hat, meinen Betrieb—eine Mühle und ein Sägewerk—zu übernehmen. Da hat er natürlich viel mehr handwerkliche Fähigkeiten von mir erlernt. Auch Traktor fahren. Meine Tochter war aber auch immer daran interessiert. Eigentlich war sie fast noch neugieriger als mein Sohn.

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Die Zukunft meiner Kinder habe ich mir etwas anders vorgestellt, obwohl ich auf beide sehr stolz bin. Meine Tochter ist beispielsweise viel aufgeweckter und impulsiver als mein Sohn, dafür hat sie immer noch keinen Mann nach Hause gebracht. Mein Sohn hingegen ist für einen Mann schon fast zu ruhig. Ein richtiger Mann muss für mich standhaft und handwerklich begabt sein. Vielleicht sogar standhafter als eine Frau, weil Männer meiner Meinung nach immer mehr erreichen wollen. Aber es sind eben meine Kinder, von daher akzeptiere ich das sowieso. Solange ich meinem Sohn noch etwas beibringen kann, bleibt er eben immer noch ein Kind für mich und meine Tochter ist sowieso mein "Putzi".

Sonja: Ich wollte halt immer unbedingt ein Mädchen. Ich war aber wegen der schlechten Ultraschall-Bilder auf einen zweiten Jungen eingestellt. Ich hatte dann schon so Vorstellungen wie Fußball spielen, Ski fahren, Kampfsport, Schwimmen gehen. Aber ich hatte jetzt keine Erwartungen und habe nicht geplant, was er tun sollte. Du machst dir vorher nicht so viele Gedanken, was das Kind einmal machen sollte.

Man geht mit der Tochter einkaufen, unterhält sich über Kosmetik und sie hilft dir beim Kochen. Mit einem Sohn geht es dann mehr um das Handwerkliche.

Das entsteht erst mit der Zeit. Vorher denkt man eher in Abschnitten, was das Kind lernen muss. Also sprechen, laufen, so etwas. Erst als es in die beruflichen Richtungen gegangen ist, da macht man sich Gedanken. Bei meiner Tochter habe ich mir da beispielsweise gedacht, dass sie so etwas wie Journalistin wird, weil sie immer so gern geredet hat. Bei meinem Sohn hat man schon immer gemerkt, dass er sich sehr für Computer und auch handwerklich für den Betrieb interessiert.

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Allerdings habe ich jetzt mehr Kontakt zu meiner erwachsenen Tochter als zu meinem Sohn. Du besprichst mehr, du unternimmst mehr. Man geht mit der Tochter einkaufen, unterhält sich über Kosmetik und sie hilft dir beim Kochen. Mit einem Sohn geht es dann mehr um das Handwerkliche.

Bilder eines Vater-Tochter-Roadtrips

Trotzdem ist aus meinem Sohn mittlerweile ein richtiger Mann geworden, wie ich ihn mir vorstelle. Ab dem Moment, als er endlich eine eigene Meinung hatte und wusste, was er vom Leben will. Er schaut auf seine Familie, hat ein schönes Haus gebaut. Er schaut, dass er seinen Beruf gut ausübt. Alles, was ein Mann tun sollte. Vom Finanziellen muss er sich auch kümmern, weil das die Frau nicht auch noch machen kann.

Franz, 54 Jahre

21-jährige Tochter und 30-jähriger Sohn

Ich möchte nicht leugnen, dass ich meinen Sohn anders erzogen hätte, als meine Tochter. Einen Sohn hätte ich mir schon früher zur Brust gezogen. Ich wäre mit ihm Angeln gegangen, Schießen gegangen. Meine Tochter war daran nicht so interessiert. Sie hat eben lieber mit Lego und Puppen gespielt. Ich möchte mir auch nicht vorstellen, wie das ausgesehen hätte, wenn sie mit ihrem Kuscheltier zum Anglerplatz gekommen wäre.

Ich hätte wahrscheinlich auch andere Dinge mit meinem Sohn unternommen. Beispielsweise hätte ich ihm gezeigt, wie man eine Bohrmaschine benutzt oder ihm einen Stahlbaukasten geschenkt.

Mein Sohn trinkt eben sehr gerne und hat Spaß mit Frauen, aber ein richtiger Mann ist er deswegen noch lange nicht.

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Um seine Tochter macht man sich auch viel mehr Sorgen. Besonders, wenn man in den Nachrichten immer wieder von Vergewaltigungs-Fällen liest. Als Vater hat man das Gefühl, dass das bei Mädchen viel häufiger vorkommt und man sie deswegen beschützen muss. Deswegen durfte meine Tochter auch nie lange ausgehen. Meinen Sohn hätte ich mit 14 Jahren aus dem Haus gejagt, damit er was unternimmt.

Nur bei Liebe und Fürsorgedarf man keinen Unterschied machen. Ich traue meinen beiden Kindern sehr viel zu. Wer meinen Betrieb übernommen hätte, wäre mir egal gewesen—beide hätten das gekonnt, meine Tochter vielleicht sogar mehr. Ich finde eben, dass man je nach körperlichen Fähigkeiten unterscheiden muss. Hätte ich einen Betrieb, indem man sich schwer körperlich betätigen muss, wäre das vielleicht nichts für meine Tochter gewesen. Aber was Intelligenz und Intellektualität angeht, ist mir das Geschlecht egal.

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Harald, 68 Jahre

21-jährige Tochter und 30-jähriger Sohn

Als ich meinen Sohn bekommen habe, habe ich mich sehr gefreut, dass ich mit jemandem meine Hobbys ausleben kann. Also Golfsport und Tauchen. Mittlerweile mache ich das aber nur noch mit meiner Tochter. Ich habe mir nie große Gedanken gemacht, was ein Junge tun sollte, aber in der Praxis waren die Unterschiede dann schon groß.

Mein Sohn trinkt eben sehr gerne und hat Spaß mit Frauen, aber ein richtiger Mann ist er deswegen noch lange nicht. Ich habe trotzdem versucht, beiden die gleichen Werte zu vermitteln. Das heißt, dass beide sich ihre eigene Meinung bilden und Fehler eingestehen sollen. Sie sollen nicht abhauen, wenn es Probleme gibt und sich für ihr Umfeld einsetzen.

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Johanna, 86 Jahre

Zwei ältere Töchter, drei jüngere Söhne

Also ich würde sagen, die Mädchen waren anhänglicher. Aber einer meiner Söhne war auch ziemlich anhänglich. Ich habe eigentlich früher gedacht, dass die Mädchen mir später einmal mehr helfen werden, wenn ich alt bin. Das machen aber mittlerweile meine Söhne.

Ich habe von allen meinen Kindern viel erwartet, besonders was den Beruf angeht. Meine beiden Töchter haben dadurch auch viel erreicht. Da war ich auch teilweise strenger, weil sie im Haushalt mithelfen mussten und nebenbei studiert haben. Wenn die mal später nach Hause kamen, gab es mehr Ärger als bei den Jungs. Mein ältester Sohn hat schon im Haushalt geholfen, die anderen Jungs haben lieber im Keller getüftelt.

Foto: Smabs Sputzerl | Flickr | CC-BY 2.0

Ich habe aber trotzdem versucht, meine Kinder gleich zu behandeln. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich bei meinen eigenen Eltern gemerkt habe, dass sie meinen Bruder und mich anders behandelt haben. Mein Bruder wurde vorgezogen und ich musste auf unserem Bauernhof viel arbeiten.

Die Werte waren gleich, nur im Haushalt hatten sie eben andere Aufgaben. Ich habe meinen Töchtern beigebracht, zu kochen, zu backen, zu stricken und wie man wirtschaftlich haushaltet. Ich habe sie da tüchtig ran gezogen, habe sie zu guten und selbstständigen Frauen erzogen. Meine Söhne habe ich zu Männern erzogen, die sich um ihre Familie kümmern können und alles absprechen. So, dass aus ihnen auch gute Ehemänner werden.