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Video geleakt: SEK-Einheit stürmt Grundstück eines "Reichsbürgers"

In dem Einsatz werden zwei Menschen angeschossen. Das Ganze wirkt wie eine Szene aus einem Ego-Shooter.
Screenshot: YouTube

"Runter mit der Waffe!", schreien SEK-Beamte. "Verpisst euch!", ruft ein Unbekannter – und später: "Schieß, du Arschloch!" Dann wird es unübersichtlich. Die Szenen stammen aus einem Video, das im Zuge einer Zwangsräumung auf dem Gelände des "Reichsbürgers" und Ex-Mister-Germanys Adrian Ursache aufgezeichnet wurde. Gefilmt von der Bodycam eines SEK-Beamten, am 25. August 2016 in Reuden, Sachsen-Anhalt. Die Aufnahme wurde am Landgericht Halle als Beweismittel im laufenden Prozess gegen Adrian Ursache gezeigt. Jetzt wurde sie illegal auf einem YouTube-Kanal veröffentlicht, der das Logo von Ursaches Fantasiestaat "Ur" trägt.

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Ab Minute vier des Videos fallen Schüsse. Der Beamte mit der Kamera stürmt über ein anliegendes Grundstück, wo er von aufgebrachten Nachbarn konfrontiert wird und sich ein längerer Streit entwickelt. Scheinbar unbeeindruckt von den gepanzerten Polizeieinheiten schubsen und beschimpfen die Nachbarn die Beamten. "Ihr hängt eines Tages" und "Stehst da und nickst, du verflixter Wichser, du", brüllen sie.

Was sich in dem Moment, als die Schüsse fallen, auf dem Grundstück von Ursache abspielt, zeichnet die Kamera nicht auf. Der mögliche Tathergang wurde jedoch in der Anklageschrift festgehalten: Die Beamten feuerten auf Ursache und trafen den 43-Jährigen drei Mal am rechten Handgelenk, am Oberkörper und am linken Arm. Ursache soll mit einem Revolver auf einen SEK-Beamten geschossen haben. Das Projektil landete in der Halsmanschette des Polizisten.

Sanitäter versorgen eine verletzte Person nach einem Schusswechsel | Screenshot: YouTube

Adrian Ursache steht seit September 2017 wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht. Im Prozess hatte ein Nachbar Ursaches als Zeuge ausgesagt, bei den Beamten habe "ein heilloses Durcheinander" geherrscht. Im Video wurden ebenfalls Gespräche zwischen den Beamten aufgezeichnet. Ein Auszug:

Polizist 1: "Schild, wir brauchen das Schild!"
Polizist 2: "Das haben wir gar nicht eingepackt"
Polizist 1: "Ah, Scheiße!"

Ursprünglich sollte ein Gerichtsvollzieher bei Ursache eine Räumung vollstrecken. Dieser erkennt deutsche Behörden jedoch nicht an und hatte angedroht, sich gegen die Räumung zu wehren. Zur Verteidigung seines "Staates" hatte er mehrere Unterstützer mobilisiert. Die geplante Räumung sollten deshalb etwa 200 Beamte absichern.

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Ein Schusswaffenexperte des LKA sagte im Prozess aus, dass die Wirkung der Kugel, die vom Helm des Polizisten abprallte, gereicht hätte, um den Beamten zu töten. Ob sie wirklich aus Ursaches Waffe stammte, konnte noch nicht zweifelsfrei geklärt werden. "Es ist plausibel, aber eine Zuordnung ist nicht möglich", sagte der Experte laut Mitteldeutsche Zeitung. Wie inzwischen im Prozess herauskam, hatte der SEK-Beamte als Erster geschossen. Ob das gerechtfertigt war, wird das weitere Verfahren klären müssen, ebenso wie die Frage, ob die Beamten überhaupt befugt waren, die Nachbargrundstücke zu betreten.

Natürlich sei es auch für die Polizei von großem Interesse, wie das Video an die Öffentlichkeit gelangen konnte, sagte ein Pressesprecher des Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt zu VICE. Zu einem laufenden Verfahren könne er sich aber nicht äußern und verwies auf das Landgericht Halle.

"Zugriff auf die Akten und das Video hatten nur Verteidiger, die Staatsanwaltschaft und das Gericht", sagte Wolfgang Ehm, Pressesprecher des Landgerichts Halle. Zwar wird der Angeklagte Akteneinsicht haben, er wisse aber nicht, ob Uhrsache in seiner Untersuchungshaft Zugriff auf einen Datenträger mit dem Video hatte. "Man kann sich darüber Gedanken machen, ob die Veröffentlichung toll ist oder nicht", sagte Ehm, da es aber bereits von allen Prozessteilnehmern gesehen wurde, sei das Verfahren dadurch nicht gefährdet.

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